Reflexartiges Fummeln erlaubt Umdrehen im Auto fahrlässig
22.06.2004, 08:55 UhrAchtung, jetzt müssen Sie sich konzentrieren:
Welcher Fahrer kennt das nicht: Plötzliche Geräusche von der Rückbank. Ob schreiende Kinder, platzende Luftballons, stöhnende Mitfahrer oder die sich übergebende Oma – unwillkürlich dreht der Fahrzeuglenker seinen Kopf. Doch das Umdrehen während der Fahrt zu den hinteren Sitzen kann als grobe Fahrlässigkeit gewertet werden – muss aber nicht, wie zwei Entscheidungen des Oberlandesgerichts Saarbrücken zeigen.
Ein Autofahrer handelt demnach riskant, wenn er sich umdreht, um auf die Rücksitze zu sehen. Verursache er durch diese Unaufmerksamkeit einen Unfall, kann sein Verhalten als grobe Fahrlässigkeit gewertet werden. Anders verhält es sich, wenn ein Fahrer sich unwillkürlich nach seinem plötzlich aufschreienden Kind umdreht und durch die kurze Unachtsamkeit einen Unfall verursacht. Diese spontane, aus dem Schreck heraus geborene und "gewissermaßen reflexartige" Reaktion relativiert nach Ansicht der Saarbrücker Richter die Schwere des Sorgfaltsverstoßes. In diesem Fall lag in ihren Augen keine grobe Fahrlässigkeit vor.
Im ersten Fall war es auf nächtlicher Fahrt zu einer Beziehungskrise gekommen: Der Fahrer hatte sich handfest der Beifahrerin genähert, was seiner im Fond sitzenden Freundin gar nicht recht war. Die wütende Frau versetzte ihm daher von hinten einen Schlag. Als sich der ungetreue Freund umdrehte, verlor er die Kontrolle über den Wagen und kam von der Fahrbahn ab. Für die Saarbrücker Richter stand fest: "Der Annäherungsversuch des Fahrers barg ein erhebliches Gefahrenrisiko, das ein sorgfältig handelnder Versicherungsnehmer in jedem Fall vermieden hätte." Für das Verhalten des Mannes könne es kein Verständnis geben und sei ein klassischer Fall grober Fahrlässigkeit. (AZ: 5 U 396/03 und 5 W 24/04)
Quelle: ntv.de