Praxistest

Mehr Dynamik bei Porsche911er mit Allrad

25.07.2008, 15:10 Uhr

Allen Benzinpreiskapriolen und Klimadiskussionen zum Trotz ist der neue 911 schon jetzt ein Verkaufsschlager. Wenige Wochen nach der Einführung des runderneuerten Modells produziert Porsche an der Kapazitätsgrenze, um die Besteller nicht mehr als drei Monaten auf ihr Fahrzeug warten zu lassen.

Allen Benzinpreiskapriolen und Klimadiskussionen zum Trotz ist der neue 911 schon jetzt ein Verkaufsschlager. Wenige Wochen nach der Einführung des runderneuerten Modells produziert Porsche an der Kapazitätsgrenze, um die Besteller nicht mehr als drei Monaten auf ihr Fahrzeug warten zu lassen.

Der Hecktriebler ist ja nicht gerade für Defizite im Dynamikbereich bekannt, dennoch hat Porsche jetzt gleich noch die Allradversion vorgestellt. Für rund 6500 Euro mehr als beim Basismodell - das mit 83.032 Euro in der Liste steht - bekommt der Kunde einen elektronisch geregelten Allradantrieb, der mittels Lamellenkupplung bis zu 100 Prozent der Motorkraft auf die Vorderachse verteilen kann. Die dazu nötig Technik bringt freilich je nach Ausführung 60 Kilogramm Mehrgewicht ins Auto, was der Tempo-Junkie mit einer geringfügig reduzierten Endgeschwindigkeit bezahlt.

Da, wo die meisten Porsches verkauft werden, in Kalifornien, kommt es sowieso nicht darauf an, ob man nun 282 oder 287 km/h fahren kann. Da ist es wichtiger, dass die Verbrauchs- und Abgaswerte in der Norm sind. Da hält Porsche sich zugute, durch den Einsatz der Direkteinspritzung ein weiteres Mal die Leistung optimiert und den Konsum vermindert zu haben. Wer zum Beispiel die auf 3,8 Liter Hubraum, 385 PS und 420 Newtonmeter maximales Drehmoment hochtrainierte Carrera 4S-Version bewegt, darf sich darüber freuen, dass das Auto im EU-Normtest auf 11 Liter Durchschnittsverbrauch gekommen ist. Ärgern sollte er sich nicht darüber, dass dieser Wert in der Praxis so gut wie unerreichbar ist.

Schließlich macht es den Reiz vor allem der Allradporsches aus, eilig und präzise durch Kurven zu fliegen, dabei ein Maximum an Querbeschleunigung zu spüren und das beruhigende Gefühl ausreichender Sicherheitsreserven im Hinterkopf zu haben. Unwiderstehliche Schubkraft verbunden mit faszinierender Geräuschkulisse und einer prestigeträchtigen Optik lässt immer wieder viele Kunden über die Tatsache hinweg sehen, dass bei anderen Herstellern vergleichbare Leistungsdaten zu einem erheblich günstigeren Preis zu haben sind.

Wie beim 911er in zahlreichen Generationen erfolgreich erprobt, blieben auch diesmal die optischen Retuschen dezent. Leuchtenglas, Lufteinlässe und Spielgehäuse wurden außen verändert, drinnen fällt vor allem das von der Überfülle der Tasten entschlackte Bedienfeld des Navi- und Kommunikationsgerätes auf. Die Wippentasten für die manuelle Schaltung des Automatikgetriebes wurden durch Druck-Zug-Hebel ersetzt.

Obwohl von Porsche bereits in den 80er Jahren erfolgreich in Gruppe-C-Rennwagen erfolgreich getestet, dauerte die Einführung von Direktschaltgetrieben in die Serienfertigung der Straßen-Pkw bis 2008. In Carrera 4 und Carrera 4S ist das so genannte PDK (Porsche Doppelkupplungsgetriebe) jetzt verfügbar. Es wechselt, vereinfacht gesagt, nicht mehr die Gänge, wie ein herkömmliches Getriebe, sondern die Kupplungen.

Zwei davon werden in dem gegenüber der bisher verwendeten 5-stufigen Tiptronic um 10 Kilo leichteren Getriebe verwendet. Die eine ist für die ungeraden Übersetzungenstufen (1-3-5-7) zuständig, während die andere die geraden mit dem Motor verbindet. Es sind in jeder Fahrsituation immer zwei Gänge eingelegt und der Wechsel der Kupplungen entscheidet darüber, ob hoch- oder herunter geschaltet wird.

Für die Praxis bedeutet dies einen spürbaren Dynamikgewinn beim Gangwechsel. Zeichnete sich die in die Jahre gekommene Tiptronic im Kickdownbereich bisweilen durch quälende Schaltverzögerungen und deutlich unterscheidbare Beschleunigungsphasen aus, ist die Zugkraft nun nahezu unterbrechungsfrei. Beim Experiment auf abgesperrter Strecke kann man sich durch Bedienung der (aufpreispflichtigen) elektronisch gesteuerten Anfahrhilfe verblüffen lassen, die schlupffreie Beschleunigung bei gleichzeitiger maximaler Leistungsaktivierung garantiert. Der aktuelle Referenzwert von 0-100 km/h liegt durch dieses Extra bei 4,3 Sekunden. Bei Porsche rechnet man damit, dass mehr als zwei Drittel der Kunden sich für die neue Automatik entscheiden werden.

Wer aus pekuniären Gründen gezwungen ist, die Anzahl seiner Sonderausstattungen zu limitieren, sollte zumindest auf das 3510 Euro teure PDK nicht verzichten. Es bietet uneingeschränkten Fahrspaß bei gleichzeitiger Gewissheit, dass ein Stau die Wade des linken Beines nicht so quält, wie das passieren kann, wenn mit ein Kupplungspedal zu bedienen hat. Eher verzichtbar erscheint dagegen die mit 8032 Euro zu veranschlagende Keramikbremse. Situationen, wo sie ihre Vorteile ausspielen könnte, kommen im normalen Straßenverkehr so gut wie nicht vor und die herkömmlichen Stahlbremsen vom Lieferanten Brembo bieten auch hervorragende Verzögerung.