Britisch, nobel, teuer Daimler Super Eight im Test
12.04.2006, 11:50 UhrNamen sind Nachrichten und der Name Daimler verheißt seit mehr als 100 Jahren exklusive Beförderung und ein Höchstmaß an britisch distinguiertem Komfort. Jawohl, britisch, denn als Frederick Richard Simms 1893 mit der Billigung von Gottlieb Daimler das Daimler Motor Syndicate ins Leben rief, ließ er sich zusichern, dass alle Fort- und Eigenentwicklungen der in London gegründeten Firma unter dem Markennamen Daimler gehandelt werden dürfen.
Seit die englischen Auto-Ikonen Bentley und Rolls Royce in deutscher Hand sind, lechzt der wohl situierte Insel-Adel nach einem standesgemäßen Fahrzeug einheimischen Geblüts. Doch nicht nur der. Von den rund 1.000 Kunden weltweit, die den neuen Daimler Super Eight mutmaßlich erwerben werden, stammen rund 10 Prozent aus Deutschland. Damit ist hierzulande die Daimler-Dichte von allen Märkten weltweit am größten. Noch bevor das erste Exemplar den Kontinent erreichte, war fast die Hälfte des auf 100 Stück limitierten Kontingents verkauft.
Exklusivität ist also garantiert und auch wer trotz der vorhandenen Kaufpreis-Summe von 112.500 Euro keinen mehr abbekommt, muss sich nicht grämen. Im Normalfall, so Deutschland-Geschäftsführer Jeffrey L. Scott, "hat der Daimler-Kunde schon das Vor- und bisweilen auch das Vorvorgängermodell in der Garage". Niemals kämen die treuen Käufer auf die Idee, die traditionelle Stufenhecksilhouette als betagt und das Design als etwas anderes anzusehen als "zeitlos elegant". Obwohl das Angebot an teuren Luxusschlitten in den vergangenen Jahren eher gewachsen ist, wollen die wahren Fans nichts außer Daimler fahren. Den "Super Eight" kann man nicht "von der Stange" kaufen: Er wird ausschließlich auf Bestellung gebaut.
Deshalb stört sich die Daimler-Gemeinde auch nicht daran, dass weniger gut informierte Zeitgenossen das vorbei gleitende Fahrzeug für einen Jaguar XJ halten könnten. Der geriffelte Kühlergrill und die ebenso bearbeitete Chromspange am Kofferraumdeckel belegen die Herkunft und machen die Insassen gemein mit gekrönten Häuptern und Herrschaftsgeschlechtern. Natürlich bekommt Her Majesty, the Queen, wieder einen Daimler vor die Zugbrücke gestellt – so ist es halt immer gewesen im United Kingdom, seit der spätere King Edward VII als junger Prinz of Wales Kraftfahrunterricht auf einem Daimler erhielt.
Und – durchaus tröstlich für Blut- und Geldadel von heute – die Verbindung von langem Radstand (wie bei der Souvereign-Ausstattung) und Kompessormotor (wie bei den "R"-Modellen) bietet Jaguar gar nicht an. Es ist nicht die Sache des Daimler-Fahrers (der häufig genug ein Chauffeur ist) mit Leistung oder Tempo zu protzen. 395 PS und 250 km/h sind genug und auch mit sprachgesteuerter Klimaautomatik oder beheizbarem Lenkrad gibt man nicht an – man hat es einfach. Dass es dem Chauffierten im Fond zu eng wird, steht nicht zu befürchten. Wenn 3,16 Meter Radstand nicht reichen sollten, kann er den vor ihm Sitzenden mit einem Extraschalter sanft vorwärts gleiten lassen. Der ausklappbare Picknicktisch, die Walnusswurzelholzfurniere und Buchsbaum-Intarsien rücken dann in weite Ferne.
Wer das Vergnügen hat, den Super Eight selbst zu lenken, wird erstaunt sein über die Leichtfüßigkeit, mit der die vermeintlich schwere Limousine daher kommt. Die reichliche Verwendung von Aluminium in Karosserie und Fahrwerk ließ das Leergewicht gegenüber dem Vorgängermodell um 200 Kilo schrumpfen und beträgt kaum mehr als 1,7 Tonnen. Schon das Einsteigermodell in die S-Klasse wiegt 150 Kilo mehr.
Ohne die elektrisch einstellbare Pedalerie, das DVD-Navigations-System, die kuschelig langflorigen Lammwollteppiche und das Heckscheibenrollo wäre das Auto natürlich noch leichter geworden – aber wer will darauf schon verzichten? Unaufdringlich und souverän geht der V8 zu Werke, entwickelt bei Bedarf ein in die Lederpolster drückendes Drehmoment von 541 Newtonmetern und die Sechsgang-Automatik schaltet dabei so sanft, dass wahrscheinlich nicht einmal der Schampus in den Gläsern der Fond-Insassen schwappen würde.
So schwungvoll und geschmeidig wie das große "D" im Markenemblem ist das ganze Auto. Präsent ist dieses Symbol der Exklusivität als eingestickte Verzierung im Leder der Kopfstützen oder als ganzer Schriftzug im Bildschirmschoner des Navi-Systems. Um ihn zu aktivieren, braucht man auf der Touchscreen nur die Taste "Jaguar-Logo" zu drücken ?
Axel F. Busse
Quelle: ntv.de