Mal richtig Gas geben Ein Volvo im Praxistest
18.08.2004, 09:46 UhrVon Axel F. Busse
Nicht nur beim Fußball sind die Unterschiede zwischen Deutschland und Italien offenkundig, auch beim Autofahren gehen die Südeuropäer andere Wege: Zu Hunderttausenden haben sich die Tifosi für Autos mit Erdgas-Antrieb entschieden und profitieren von preisgünstigem und umweltverträglichem Kraftstoff. Auf einheimischen Straßen sind solche Autos selten. Dabei bietet der Markt auch in Deutschland inzwischen eine Reihe von Alternativen, eine davon ist der Volvo V 70 Bifuel.
Die zwei Kraftstoffe, auf die das Wort Bifuel hinweist, sind Erdgas und herkömmliches Super-Benzin. Rein äußerlich unterscheidet den Doppel-Köstler so gut wie nichts von einem so genannten monovalenten (also mit einer Spritform betriebenen) Auto. Lediglich eine Aufschrift am Heck und der zweifache Einfüllstutzen weisen auf die Andersartigkeit hin. Im Cockpit melden ein analoges Zeigerinstrument und ein Leuchtbalken die unterschiedlichen Füllstände. Die Motorsteuerung des V 70 Bifuel ist so angelegt, dass zunächst mit Benzin gestartet wird, das Aggregat dann selbstständig auf Erdgas-Betrieb umschaltet. Wenn der Vorrat der Gasbehälter erschöpft ist, wird wieder auf Benzin umgeschaltet. Eine Taste mit Leuchtdiode informiert den Fahrer, welche Kraftstoffart gerade aktuell ist.
Durch die Montage der Gastanks am Fahrzeugboden muss der Nutzer keine Einschränkungen im Ladevolumen oder anderen Qualitäten des V 70 in Kauf nehmen. Ein großzügig geschnittener Innenraum und bequemes Gestühl, viele praktische Ablagen und eine klar, fast nüchtern gestaltete Instrumententafel lassen vergessen, dass man eigentlich mit einem Exoten unterwegs ist. Skepsis wegen vermeintlicher Explosionsgefahr ist beim Erdgas-Auto nicht angebracht. Die hochfesten Behälter (meist aus Aluminium und Carbon) unterliegen strengen Sicherheitsauflagen, haben Vorrichtungen zum kontrollierten Entweichen ihrer Fracht bei Kollisionen und bieten gegenüber den oft im Heck verborgenen Benzintanks sogar noch Sicherheitsvorteile bei Auffahrunfällen.
Es kann also richtig „Gas gegeben“ werden, denn streng genommen benutzen herkömmliche Otto-Motoren ja ein Aerosol für die Verbrennung. Der bekannte 2,4-Liter-Motor leistet in dieser V 70-Modellvariante 140 PS (103 kW). Zu wenig für einen erwachsenen Kombi, der je nach Ausstattung um die 1700 Kilogramm wiegt. Ein beherzter Tritt aufs Gaspedal bei etwa 90 km/h führte deshalb bei dem mit Automatik-Getriebe versehenen Testwagen vor allem zu einer Erhöhung der Drehzahl, nicht aber zu energischem Vortrieb. Für Kunden, die gern etwas flotter zu Wege sind, hat Volvo allerdings auch einen V 70 mit mehr als doppelt soviel PS im Angebot.
Am Erdgas liegt es nicht, dass der V 70 Bifuel kein Temperamentsbolzen ist. Erdgas ist verglichen mit Superbenzin sogar der energiereichere und edlere Kraftstoff. Eine Oktanzahl von 130 spricht für allerbeste Klopffestigkeit. Für die Energiemenge, die sich aus einem Kilogramm Erdgas gewinnen lässt, bräuchte es rund 1,3 Liter Super-Benzin. Jedoch können der V 70 und die anderen bivalenten Pkw-Modelle von Opel, Fiat oder Ford diesen Vorteil nicht ausnutzen. Der technisch durchaus möglichen höheren Verdichtung steht die Tatsache entgegen, dass der Motor ebenso zuverlässig mit dem guten alten Sprit laufen muss, denn das Netz der Erdgas-Tankstellen ist in Deutschland noch ziemlich löchrig.
In dieser Tatsache steckt auch der zweite Schwachpunkt des Bifuel-V 70: Ruhiger, kultivierter Lauf, saubere Verbrennung, erstklassige Umweltwerte im Erdgas-Betrieb müssen erkauft werden mit einer mageren Reichweite. Beim Testfahrzeug reichte die Tankfüllung mit Ach und Krach für 250 Autobahnkilometer, dann schaltete das Aggregat wieder auf Benzin um. Wenn die knapp 21 Kg Gas verbraucht sind, gibt der Benzintank noch etwas mehr als 30 Liter Super zum Verfeuern frei, so dass schließlich eine Gesamtreichweite von rund 650 Kilometern möglich ist.
Zwar ist die Neufüllung der Gasflaschen gegenwärtig für rund 15 Euro zu haben – läppisch, wenn man bedenkt, dass die gleiche Strecke im Benziner-V 70 wenigstens 27 Euro gekostet hätte. Wer jedoch die Vorteile des Gasantriebes vollständig nutzen und auch noch lange Strecken fahren will, sollte seine Touren gewissenhaft planen. Unter der Internetadresse www.erdgasfahrzeuge.de ist eine ständig aktualisierte Tankstellenliste abrufbar, auf die kein Besitzer eines Gas-Autos bisher verzichten kann. Noch hat das Netz weite Maschen, aber angesichts von 1,20 Euro für einen Liter Benzin (Erdgas zwischen 62 und 65 Cent je Kg), dürfte immer mehr Autofahrern das Erdgas als Alternative erscheinen. Viele örtliche und regionale Gasversorger bieten Förderprogramme für die Anschaffung oder Umrüstung von Pkw.
Quelle: ntv.de