Praxistest

Erste Ausfahrt mit dem Škoda YetiJäger und Sammler

16.06.2009, 13:22 Uhr
imageAxel F. Busse

Mit dem Geländekombi Yeti legt Škoda die fünfte Baureihe auf. Das Auto ist nicht weniger überraschend als der Schneemensch: Es fährt sogar ohne eingelegten Gang.

Wenn es in einem Pkw-Segment unübersichtlich zugeht, dann in dem der Vielzweck-Kombis. Die so genannten Sport Utility Vehicles (SUV) werden auf dem deutschen Markt von mehr als einem Dutzend Herstellern angeboten, als Drei- und Fünftürer, als Fronttriebler und Allradler, mit Reihen-, V- und Boxermotoren – von Benzin-, Diesel- oder Autogas-Varianten ganz zu schweigen. Und von der Geländeausstattung mit Getriebeuntersetzung und Sperrdifferenzial sollte man besser gar nicht erst reden.

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Škoda wagt sich in den Typen-Dschungel der SUVs. (Foto: Textfabrik/Busse)

Ausgerechnet in diesen Typen-Dschungel will sich Škoda wagen. Nicht ganz als Neuling, denn 4x4-Pkw gibt es bereits in den Modellreihen Octavia und Superb. Auch hat die tschechische Marke schon lange vor der Übernahme durch Volkswagen Militärfahrzeuge fürs Gelände produziert, die heute aber nicht als ruhmreiches Kapitel der Firmengeschichte angesehen werden.

Angesichts dessen klingt die Namenswahl des neuen Autos, das im Sommer in Deutschland auf dem Markt kommt, mehr als plausibel: Yeti. Jenes sagenhafte Geschöpf aus dem Himalaya, das kaum ein einsamer Gipfelstürmer je zu Gesicht bekam, um das sich Legenden und Mythen ranken, gab der vierten Modellreihe der VW-Tochter den Namen. Das Fabelwesen wird als Ursprung von bis zu 43 Zentimeter großen Fußabdrücken beschrieben – die Reifen des Škoda sind eher durchschnittlich groß, wenngleich die Radhäuser so aussehen, als könnten sie auch 22-Zoll-Felgen aufnehmen.

Design-Verwandtschaft mit dem Modell Roomster

Sie seien so dimensioniert, sagt Designer Jozef Kaba?, "um die Leichtigkeit des Autos zu unterstreichen". Die geschwärzten A-, C- und D-Säulen, dienen dazu, eine optische Täuschung zu betonen: Die vorderen Türen scheinen nur vom Schwestermodell Roomster zu stammen, die geschwungen ins Dach gezogene B-Säule hat in Wirklichkeit deutlich abweichende Dimensionen.

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Der Yeti soll im Sommer auf den deutschen Markt kommen. (Foto: Textfabrik/Busse)

Egal, ob man Sympathie für die Marke hat oder nicht – sie hat auf dem deutschen Marke eine beeindruckende Karriere hingelegt. Das Modell Fabia war im Mai 2009 hinter VW Polo, Opel Corsa und Ford Fiesta Vierter im Segment der Kleinwagen. Weit vor den durchaus beliebten Modellen von Renault, Peugeot oder Fiat. Dieser Verkaufserfolg ließe sich vielleicht noch mit der Abwrackprämie erklären. Doch auch das Modell Superb produziert in diesem Jahr dreistellige Zuwachsraten. Noch auf bescheidenem Niveau zwar – aber das Rezept "Business-Class fahren zum Economy-Preis" scheint viele Deutsche zu überzeugen.

Bisher, so Vorstandschef Reinhard Jung, hat die Marke ihre Modellpolitik eher nach pragmatischen Gesichtspunkten ausgerichtet. Der Yeti sei ein Fahrzeug, "das nicht unbedingt auf die Grundbedürfnisse der Fahrer ausgerichtet ist. Er ist unser erster Auftritt in Richtung Lifestyle", sagt Jung. Und obwohl alle möglichen Wettbewerber schon mit eigenen Modellen um Kunden werben, komme der Yeti "genau zur richtigen Zeit".

In Osteuropa brach der Absatz der Marke ein

Das überrascht, denn natürlich ist auch Škoda von dem weltweit um etwa ein Fünftel zusammengeschnurrten Absatz betroffen. Škoda ist in rund 100 Märkten weltweit vertreten und da hilft es nur wenig, wenn in Deutschland satte Zuwächse produziert werden. Ehemalige Wachstumsländer wie Ungarn und andere osteuropäische Staaten, vor allem die Ukraine und Russland machen Sorgen. Jung macht kein Hehl daraus, dass dort Einbrüche von bis zu 70 Prozent zu verkraften sind. Aber die Auto gewordene Gestalt des Schneemenschen werde "das notwendige Wachstum und Zusatzgeschäft bringen" ist er überzeugt.

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Die so genannte Bergabfahrkontrolle, die andere Hersteller seit geraumer Zeit anbieten, hat Škoda auf eine spezielle Weise verfeinert. (Foto: Textfabrik/Busse)

Die Gefahr, dass der Yeti vor der eigenen Höhle räubern und zum Beispiel potenzielle Kunden eines Octavia Scout binden könnte, wird nicht gesehen. Vielmehr soll das Fabelwesen Marken wie Nissan (mit dem Modell Quashqai) oder Kia (Sportage) Käufer abjagen und einsammeln. Auch der Suzuki Grand Vitara wird als Wettbewerber um die schmaler werdende Beute angesehen.

Klar, dass ein Vorstandschef sich in Zuversichts-Prosa übt, aber es ist nicht zu übersehen, dass der bereits 2005 auf dem Autosalon in Genf als Konzept vorgestellte Yeti technische Eigenschaften mitbringt, die man noch nicht kennt. Zum Beispiel kann man damit fahren, ohne dass ein Gang eingelegt ist. Was zunächst verwirrend klingt, entfaltet seine Wirkung im Gelände und ist extra für steile Abfahrten konstruiert. Die so genannte Bergabfahrkontrolle, die andere Hersteller seit geraumer Zeit anbieten, hat Škoda auf eine spezielle Weise verfeinert: Steht der Wagen am Abgrund und der Fahrer weiß nicht genau, ob er lieber Gas geben oder bremsen soll, überlässt er die Frage einfach seines Auto. Taste gedrückt, Gang raus, Füße weg von den Pedalen und per Lenkrad die Richtung vorgeben – das reicht.

Sicher bergab mit oder ohne Gang

Das Fahrzeug wird, der Schwerkraft folgend, losrollen. Das Tempo bestimmt die Elektronik. Geht es gefühlt zu schnell, kann gebremst werden, fasst man Mut, kann man Gas geben – alles ohne einen eingelegten Gang. Ist die Talsohle erreicht, wird ganz normal weiter gefahren. Wer sich sicherer fühlt, wenn das Getriebe an den Motor angekuppelt ist, kein Problem. Auch mit eingelegtem Gang ist das Bergabfahren natürlich genauso einfach.

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Abseits der Straße zeigt der Yeti durchaus vorhandene Offroad-Fähigkeiten. (Foto: Textfabrik/Busse)

Auf der Straße hinterließ der Yeti bei den ersten Probefahrten einen erstaunlich souveränen und erwachsenen Eindruck. Die bekannten 1,8-TSI- und Zweiliter-TDI-Motoren gaben sich keine Blöße. Selbst mit vier Personen und reichlich Gepäck ging es auf der Autobahn flott voran, die Geräuschentwicklung blieb im Rahmen. Die Lenkung vermittelt auf Asphalt wie auf Schotter oder Sand griffigen Bodenkontakt, das 4,20 Meter lange Fahrzeug folgt präzise den Bewegungen. Während der Diesel die ausgewählten Strecken mit weniger als sieben Litern je 100 km auskam, genehmigte sich der TSI-Benziner knapp neun. Zum Marktstart im August werden diese beiden Motorisierungen angeboten, zu einem späteren Zeitpunkt sollen noch ein Automatikgetriebe für den Dieselmotor und ein 1,2 Liter-Benziner (105 PS) folgen. Dessen Preis gibt Reinhard Jung mit "unter 18.000 Euro" an. Ein gut ausgestatteter Diesel dürfte aber eher in die Nähe von 25.000 kommen.

So fantasievoll, wie der legendäre Schneemensch von angeblichen Augenzeugen beschrieben wird, so blumig ist die Antwort des Designers, wenn man ihn nach einer eventuellen sechsten Baureihe von Škoda fragt. Ein Nachfolger des Felicia-Cabrios aus den Fünfzigern? Ein Van? Ein Stadtfloh? "Man muss Geduld haben", sagt Jozef Kaba?. "Es ist wie beim Essen. Man sollte von der Vorspeise nicht gleich zum Dessert übergehen."