Captur soll SUV-Fans fangen Renaults Offroad-Clio im Test
26.02.2014, 10:43 Uhr
Mit dem Captur hat Renault den Clio Geländetauglich gemacht. Optisch jedenfalls, denn Allradantrieb haben die Franzosen dem kleinen Crossover nicht spendiert.
(Foto: Axel F. Busse)
Der Clio ist das in Deutschland beliebteste Modell der Marke Renault. Auf seiner Plattform entstand der Captur, der robuste Offroader-Optik ins sub-kompakte Segment transportiert. Kann das gut gehen?
Auch wenn in der französischen Autoindustrie gegenwärtig wenig Grund zum Jubeln herrscht, eines muss man den Managern im Nachbarland bescheinigen: Zeitgeist in praxistaugliche Fahrzeuge umsetzen, gelingt ihnen oft schneller als anderen. Viele Kunden wünschen sich heute robuste Offroader-Optik, auch unterhalb der Kompaktklasse. Und schon ist er da - der Renault Captur. Böswillige mögen ihn für eine Mogelpackung halten, weil es ihn gar nicht mit Allradantrieb gibt. Die Kunden scheint das nicht zu stören, allein in Deutschland wurden in einem guten halben Jahr schon mehr als 8000 Exemplare neu zugelassen.
Für die Interessenten hält Renault zwei Benziner und einen Dieselmotor vor. Für diesen Test wurde deshalb der 90 PS starke Diesel mit Handschaltung ausgewählt. Als Alternative zum Fünfgang-Schaltgetriebe gibt es noch ein Sechsgang Doppelkupplungsgetriebe.
Den Plattformspender Clio überragt der Captur um knapp zwölf Zentimeter, außerdem ist er sechs Zentimeter länger. Die Renault-Designabteilung um Laurens van den Acker hat von dem aufregend gestalteten Concept-Car gleichen Namens zwar nur wenig übrig gelassen, dennoch sticht der Serien-Captur aus der Masse heraus. Der Cross-Over-Charakter wird durch eine spannungsgeladene Linienführung und eine auf 170 Millimeter angehobene Bodenfreiheit untermauert. Schwarz abgesetzte Radläufe und eine freche, lichtbrechende Delle zwischen den Kotflügeln fesseln das Auge. Außerdem gibt es ihn in auffälligen Zweifarb-Lackierungen.
Angenehm hohe Sitzposition
Der Fünftürer soll lifetyliges Äußeres mit dem Nutzwert eines familientauglichen Mini-Vans verbinden. Selbstbewusst bietet er sich als Erstwagen für junge Familien an, aber auch Singles mit aktivem Lebensstil und Transportbedürfnissen für Urlaub und Freizeit sollen sich mit ihm Wohlfühlen. Ältere schätzen bekanntlich eine hohe Sitzposition für guten Überblick aufs Verkehrsgeschehen. Auch sie werden fündig, denn das Polster für den Fahrersitz befindet sich rund 60 Zentimeter über Grund.
Etwas höher, rund 74 Zentimeter, befindet sich die Ladekante, wenn man die Heckklappe öffnet. Die vordere Klappe ist mit zwei Gasdruckdämpfern ausgestattet, was das Öffnen erleichtert und in dieser Fahrzeugklasse eher ungewöhnlich ist. Ein beweglicher Ladeboden teilt den Gepäckraum in zwei Fächer, wovon das untere noch einmal 20 Zentimeter tief ist. Die Rückbank ist um 16 Zentimeter verschiebbar. In der Dynamique-Ausstattung ist der Wagen mit einem schlüssellosen Zugangssystem versehen, das die Öffnung der Klappe erlaubt, auch wenn der Schlüssel in der Tasche ist. Beim Umlegen der Rücksitze entsteht eine bis 1,50 Meter tiefe Ladefläche, die allerdings nicht ganz eben ist. Die Polster des Testwagens waren mit einem abzieh- und waschbarem Bezug bedeckt, was junge Familien sehr schätzen dürften. Allerdings berechnet Renault für die Sonderausstattung auch 400 Euro Aufpreis.
Vorn herrscht ein gutes Raumgefühl, das Cockpit ist ansprechend und bedienungsfreundlich gestaltet. Lediglich die Taste für den Geschwindigkeitsregler und –begrenzer wurde neben die Handbremse gelegt, was etwas irritiert. Die auffällige und mit einem Metallring eingefasste Mittelkonsole ist asymmetrisch gestaltet und nimmt so die originelle Optik des expressiven Äußeren wieder auf. Sie ist auch in Wagenfarbe erhältlich und kann so einen weiteren Akzent setzen. Zwischen den beiden Rundinstrumenten ist der digitale Tacho angebracht, auf der rechten Seite nimmt die Tankanzeige viel Platz ein. Lobenswert ist das große, als Schubfach gestaltete Handschuhfach. Renault spricht von elf Liter Volumen. Nicht so geschmeidig wie das harmonische Innenraumdesign erscheinen die großen Plastikflächen der Verkleidungen, die zudem noch kratzempfindlich sind.
Touchscreen steuert Multimedia
Für 690 Euro extra bietet Renault das so genannte Media & Klima-Paket Plus an, das außer Klimaautomatik noch Multimediasystem inklusive Navigation, Bluetooth- sowie USB-Anschluss bietet. Gesteuert wird es über das sieben Zoll große Touchscreen. Hinderlich bei der Nutzung der Navigation ist die Trennung von Kartenanzeige und Zieleingabe, so dass auch nach Eingewöhnung immer mehr Eingaben bzw. Steuerbefehle nötig sind, als man intuitiv annimmt. Dazu kommt, dass die Maßstabsverstellung in laufender Navigation kompliziert ist. Mit dem aufpreispflichtigen R-Link sind Online-Dienste nutzbar.
Der 1,5-Liter große Dieselmotor weiß durch angenehm ruhigen Lauf und eine durchaus temperamentvolle Kraftentfaltung zu gefallen. Dass er "nur" 90 PS leistet, ist ihm nicht anzumerken, zumal er mit 220 Newtonmetern Drehmoment ab 1750 Umdrehungen auch bei geringer Gaszufuhr ordentlich zupackt. Lediglich bei längeren Autobahnfahrten wünschte man sich manchmal einen sechsten Gang. Das Eco-Start-Stopp-System gehört zur Serienausstattung. Die Zuverlässigkeit des Systems überzeugte bei diesem Testwagen allerdings nicht. Auch bei Betriebstemperatur war die Logik, nach der die Maschine gestoppt oder wieder angeworfen wurde, nicht zu durchschauen. Zuweilen ließ sie sich an der Ampel auch nicht durch den obligatorischen Tritt auf die Kupplung starten. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 5,3 Litern war der Captur zwar kein Säufer, verfehlte den Prospektwert aber um stolze 1,7 Liter.
Komfortable Abstimmung
Das komfortabel abgestimmte Fahrwerk macht ein bequemes Reisen möglich. Lediglich die kurzen Schläge, die ein mit etwa 30 km/h überquertes Kopfsteinpflaster erzeugt, behagten ihm nicht so und das Rappeln übertrug sich auf Karosserie und Insassen. Bei Schlaglöchern oder einzelnen Querrillen spricht das Fahrwerk etwas hölzern an. Eine wellige Fahrbahn wird gut absorbiert und insgesamt ist der Fahrkomfort ordentlich. Der Lenkung fehlt die sportliche Straffheit, die das dynamische Äußere des Autos suggeriert, sie ist aber ausreichend präzise, um den Captur entspannt und sicher durch den Verkehr zu dirigieren.
In der Dynamique-Version ist der Captur ab Werk mit elektrischen Außenspiegeln und Fensterhebern, Nebelscheinwerfern, Berganfahrhilfe, 16-Zoll-Leichtmetallrädern, ESP, schlüssellosem Zugangssystem, Bordcomputer, Schaltpunktanzeige und asymmetrisch umlegbarer Rücksitzbank ausgestattet. Wer an seinem Auto A-Säule, Außenspiegel-Kappen und das Dach in Kontrastfarbe haben möchte, zahlt 500 Euro Aufpreis.
Fazit: Dank originellem Styling, vielen Individualisierungs-Möglichkeiten und der Fähigkeit, Online-Angebote im Auto zu nutzen, trifft der Captur den Nerv der Zeit. Die Verwandtschaft mit dem eher betulichen Clio ist ihm nicht anzumerken. Als charakterstarkes Familienmitglied hat er schnell seinen Platz gefunden. Nutzwert und Flexibilität sind gut, der gegenüber dem Benziner 1900 Euro teurere Diesel lohnt sich aber wohl nicht für jeden. Vielleicht ist das Geld ja gut im Automatikgetriebe angelegt (+2500 Euro), da bekommt man dann auch einen 6. Gang.
DATENBLATT | Renault Captur dCi 90 |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,12 / 1,78 / 1,57m |
Radstand | 2,61 m |
Leergewicht (DIN) | 1245 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 377 / 1245 Liter |
Motor | Reihen-Vierzylinder Turbodiesel mit 1461 ccm Hubraum |
Getriebe | 5-Gang-Handschalter |
Leistung | 66 kW/90 PS bei 4000 U/min |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Vorderradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 171 km/h |
max. Drehmoment | 200 Nm 1750 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 13,1 s |
Normverbrauch (innerorts, außerorts, kombiniert) | 4,2 / 3,4 / 3,6 l |
Testverbrauch | 5,3 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 95 g/km |
Emissionsklasse | EU5 |
Grundpreis | 19.390 Euro |
Preis des Testwagens | 21.550 Euro |
Quelle: ntv.de