Daten und Grafiken Wie gut ist Deutschland beim Energiesparen?
03.11.2022, 16:06 Uhr
Mit Stufe zwei am Thermostat des Heizkörpers erreicht man eine Raumtemperatur von etwa 16 Grad.
(Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Aus Angst vor einer handfesten Versorgungskrise sollen Verwaltung, Haushalte und Betriebe Energie sparen. Doch wie gut greifen die Bemühungen? Die Grafiken von ntv.de geben einen Überblick zur aktuellen Versorgungslage und zum Verbrauch in Deutschland.
Die deutschen Industrie-, Haushalts- und Gewerbekunden verbrauchen im Herbst 2022 deutlich weniger Gas als in den Vorjahren. Das zeigen die Verbrauchsdaten der Bundesnetzagentur, die wöchentlich aktualisiert und von ntv.de ausgewertet werden.
Hinweis: Über das Drop-Down-Menü über den Grafiken können Sie den Gesamtverbrauch, sowie den Verbrauch von Industrie- und Haushaltskunden aufrufen und vergleichen.
Allein in der 43. Kalenderwoche war der deutsche Gesamtverbrauch demnach mit einem Durchschnittswert von 1672 Gigawattstunden pro Tag um gut 36 Prozent geringer als der durchschnittliche Verbrauch der gleichen Kalenderwochen der vergangenen vier Jahre.
Die Bonner Behörde verwies unter anderem auf die ungewöhnlich warme Witterung. Tatsächlich fielen die Temperaturen im Oktober im Schnitt um gut 3,5 °C wärmer aus als im langjährigen Mittel. Das entspricht einer Abweichung um gut 39 Prozent vom "Normalwert", wie aus den ntv.de-Auswertungen von Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes hervorgeht.
Dank der milden Temperaturen konnten die deutschen Haushalte beim Heizen sparen. Wetterexperten rechnen allerdings mit einem baldigen Kälteeinbruch im November. Zum Glück hat Deutschland für die kalte Jahreszeit vorgesorgt: Die Gasspeicher der Republik sind fast randvoll.
Die Sorge vor einer Energiekrise und steigenden Belastungen für Wirtschaft und Bevölkerung bleibt dennoch ein beherrschendes Thema in der deutschen Politik. Die Bundesregierung verspricht einerseits Hilfspakete und setzt zugleich auf Sparprogramme.
Seitdem Russland als zuvor wichtigster Erdgas-Lieferant für Deutschland ausgeschieden ist, herrscht die Sorge, dass es im Winter zu einer Mangellage kommen könnte. Erklärtes Ziel der Bundesregierung - und neue gesetzliche Vorgabe - war es deshalb, dass die deutschen Gasspeicher bis zum Herbst zu mindestens 95 Prozent gefüllt werden sollten.
Das hat geklappt: Schon vor dem Stichtag zum 1. November waren die deutschen Gasspeicher im Schnitt voller als in den Vorjahren, wie die obige Grafik zeigt. Laut Bundesnetzagentur würde der Vorrat aber nur für etwa zwei Wintermonate reichen, sofern kein Gas nachkommen würde - es muss also weiterhin Nachschub auf dem Weltmarkt beschafft werden. Durch die milden Temperaturen wurde aber auch nach Beginn der Heizperiode den gesamten Oktober über noch deutlich mehr Gas ein- als ausgespeichert (siehe untere Grafik).
Doch das Verhältnis wird sich voraussichtlich bald umkehren, wenn die Temperaturen weiter sinken und Haushalte und Betriebe öfter die Heizung aufdrehen. Je nachdem, wie lang und frostig der Winter wird, bleibt die Versorgungslage dann auch im nächsten Jahr angespannt und könnte sich sogar verschärfen.
Kälteeinbruch im September zeigt sich in den Zahlen
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, rief die Bürgerinnen und Bürger deshalb bereits wiederholt zu größeren Sparanstrengungen auf. Die Bundesnetzagentur gibt auf der Basis eigener Berechnungen ein Einsparziel von mindestens 20 Prozent gegenüber dem langjährigen Mittel aus, um eine Gasmangellage auszuschließen.
Dabei sind jetzt vor allem die Privathaushalte gefragt: Denn ihr Anteil am Gesamtverbrauch steigt in den Wintermonaten erfahrungsgemäß an. Während der Sommermonate gingen die Einsparungen hingegen vor allem auf das Konto der Industriekunden, wie aus den Daten der Bundesnetzagentur hervorgeht.
Die Behörde verweist aber darauf, dass es sich bei den Verbrauchsdaten um vorläufige Werte handelt, die gegebenenfalls rückwirkend korrigiert werden. Wichtig ist außerdem, dass nur der Verbrauch der Groß- beziehungsweise Industriekunden tatsächlich fortlaufend gemessen werden kann. Der Verbrauch kleinerer Unternehmen und Haushalte hingegen wird auf der Basis der Gesamtverbrauchsmengen berechnet.
Zeigen Habecks Energiesparpläne Wirkung?
Doch nicht nur beim Heizen gibt es Einsparpotenziale, die Deutschland durch die Krise helfen sollen. Bund und Länder nehmen in ihren Energiesparprogrammen auch den Strombedarf in den Blick.
Ein Grund: Insbesondere in Stunden und an Tagen, an denen wenig Energie aus Sonne und Wind gewonnen werden kann (Experten sprechen im Extremfall von einer "Dunkelflaute") läuft die Stromproduktion mit Erdgas auf Hochtouren. Das geht aus der Grafik hervor, die den aktuellen Strommix der jeweils laufenden und der vorherigen Woche abbildet.
Die Energiesparprogramme der Politik sehen mitunter ungewöhnliche und einschneidende Maßnahmen vor. Nach dem Motto "Jede Kilowattstunde zählt" lassen Städte zum Beispiel ihre Sehenswürdigkeiten nachts im Dunkeln stehen. Private Pools dürfen nicht mehr geheizt, Werbetafeln nicht mehr beleuchtet werden. Wenn die Botschaft ankommt und die Bevölkerung mit einem privaten Sparprogramm zu Hause mitzieht, müssten sich die Einsparungen ebenfalls in den Strommarktdaten der Bundesnetzagentur bemerkbar machen.
Gasversorgungslage ist "angespannt", aber "stabil"
Die Bundesregierung blickt insgesamt optimistisch auf den Winter: Die Gasversorgung in Deutschland gilt vorerst als gesichert. Und das, obwohl Russland seine Pipeline-Lieferungen bereits im Sommer erst teilweise und schließlich ganz eingestellt hat. Der Saldo aus Importen und Exporten ist dennoch schon das gesamte Jahr über deutlich positiv.
Deutschland bezieht sein Erdgas jetzt vor allem über die Leitungen aus Belgien, den Niederlanden und Norwegen. Zudem soll der Bau von eigenen Flüssiggas-Terminals (LNG-Terminals) vorangetrieben werden, um alternative Quellen zu erschließen und die langfristige Energieversorgung sicherzustellen.
Die Beschaffung des begehrten Rohstoffes hat allerdings ihren Preis. Die Großhandelspreise für Erdgas waren nach Kriegsbeginn regelrecht explodiert. Das merken zuerst die Gasversorger und Unternehmen der energieintensiven Branchen. Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen die Rechnung - auch aufgrund laufender Verträge - erst mit deutlicher Verzögerung serviert.
Worauf sich Kundinnen und Kunden einstellen müssen, zeigt beispielsweise die Gaspreisanalyse des Verbands der Energiewirtschaft BDEW. Bereits im September deutete die Auswertung darauf hin, dass sich die Durchschnittspreise je Kilowattstunde für einen Musterhaushalt im laufenden Jahr im Vergleich zu 2021 mehr als verdoppelt haben.
Die Bundesregierung will die Zusatzbelastung der Haushalte durch ein Hilfspaket teilweise auffangen. Der Sparanreiz dürfte dennoch groß bleiben - und das ist auch beabsichtigt.
Quelle: ntv.de