
Nude with Insect, Paris, France 1982
(Foto: Andy Summers)
Zu jedem Bild fällt Andy Summers eine Story ein, man könnte ihm stundenlang zuhören. Der 80-Jährige tourt mit seinen Bildern durch Deutschland und Europa. In München spricht der ehemalige Gitarrist der ehemaligen Super-Band The Police mit ntv.de über seinen neuen Fotoband "A Series of Glances".
Parallel zur internationalen Ausstellungstour des britischen Ausnahmekünstlers Andy Summers erscheint diesen Monat sein umfangreiches Buch "A Series of Glances" - ein absoluter Hingucker auf dem Couchtisch. Der über 300 Seiten starke Bildband ist die eindrucksvolle Sammlung des Ex-The-Police-Mannes und zeigt, was Summers im Laufe der letzten Dekaden erlebt, gesehen und dokumentiert hat: Von intimen Momenten, exotischen Ländern und fremden Kulturen bis hin zu außergewöhnlichen Begegnungen nimmt der interdisziplinäre Künstler die Betrachter mit auf seine fotografische Reise. Dabei geht es Summers nicht nur um das bloße Einfangen von erlebten Momenten, sondern auch immer um das Festhalten eines ganz persönlichen Lebensgefühls. Seins besteht aus dem Zweiklang der Musik und der Fotografie.
Wenn man so kreativ ist wie Andy Summers, wenn man mit Talenten also gesegnet ist, ist man da eigentlich besonders glücklich oder ist das manchmal nicht sogar too much? Summers tendiert eher zu besonders glücklich. Er hat mit der Musik angefangen, als er ein Kind war, mit sechs Jahren. Und eigentlich versucht er, seit er denken kann, einfach nur seine Kreativität auszuleben. Mal so, mal so. Als jemand, der in einer der erfolgreichsten Bands aller Zeiten neben Sting und Stuart Copeland gespielt hat, kennt er beide Seiten: Er war ein Popstar, der ständig fotografiert wurde, auf und abseits der Bühne. Große Künstler haben ihn porträtiert, Paparazzi sind ihm auf der Straße gefolgt und hinter dem Busch hervorgesprungen.
"Ich kenne wirklich jeden Aspekt, jeden Winkel, aus dem man ein Foto schießen kann", erzählt er ntv.de. "Ich weiß, dass die Fotografen vor der Bühne wollen, dass man wie ein typischer Rockstar posiert. Also posiert man wie ein typischer Rockstar." Er lacht und zeigt die Pose: Gitarre in die Höhe reißen, halb in die Knie, Mund auf, Blick fokussiert, Action, das wilde Leben eben. Er selbst interessiert sich übrigens nicht für andere "Celebrities", er bleibt bei seinen Themen.
Der echte Kick, sich selbst als Fotograf zu entwickeln, kam später im Leben, während seiner absoluten Hochphase. "Es war in New York, wir waren so angesagt", erinnert er sich fast träumerisch. "Wir waren ständig unterwegs und dachten, das würde unser ganzes Leben so weitergehen. Fotografen verfolgten uns Tag und Nacht und ich dachte dann irgendwann, dass ich mir jetzt mal eine Kamera besorgen sollte, um den Spieß einfach umzudrehen."
Summers wird geprägt von François Truffaut, Federico Fellini, Ingmar Bergman oder Agnes Varda, "großartigen europäischen Filmemachern", alles in Schwarz und Weiß. Eine Leidenschaft, die ihn nie wieder loslassen wird. Diese Filme, diese Bilder, sie hinterließen einen so großen Eindruck beim jungen Andy Summers, dass seine Fotos nach wie vor von dieser Bildsprache geprägt sind. "Das Kino in meiner Heimatstadt hat die Filme dieser großartigen Künstler immer und immer wieder gezeigt", erzählt er begeistert. Er sei ganz besessen davon gewesen und manchmal habe er nicht gewusst, wie er aus diesem obsessiven Moment jemals wieder herauskommen sollte. Das Fotografieren sollte ihm dabei helfen.
Emotionen - das A und O
Und auch, wenn er Schwarz-Weiß immer noch für die wahre Kunstform hält in der Fotografie - inzwischen ist auch Farbe in seine Bilder gekommen. "Farbe habe ich am Anfang einfach nicht akzeptieren können", sagt er lächelnd, "auch, wenn das ein bisschen snobistisch ist". Angesprochen darauf, ob die Bilder vielleicht bunter werden, wenn man selbst älter wird, muss er einen Moment nachdenken, um dann zu sagen: "Absolut richtig. Da hat sich was geändert." Nicht, dass er deswegen quietschbunt fotografieren würde, das ganz sicher nicht, aber er ist vielleicht etwas offener geworden, nicht mehr so dogmatisch oder streng mit sich selbst.
"Trotzdem: Fotografie bedeutet Schwarz-Weiß, ich bleibe dabei. Ich werde übrigens, je älter ich werde, eher immer abstrakter als immer bunter", ergänzt er. "Schwarz-Weiß-Fotografie hat diese grafischen Qualitäten, ruft vielleicht sogar mehr Emotionen hervor und es reduziert die Dinge auf ihren Kern." Menschen hat er jetzt erst mal genug fotografiert, glaubt er, und befindet sich schon in Vorbereitungen für sein nächstes Buch.
Wir schauen uns gemeinsam ein Foto an: "Sieh dir diesen Typen hier an - wissen wir, was er denkt? Was er vorhat? Für wen sind die Blumen? Für seine Mutter? Seine Freundin? Wen holt er da an der Bushaltestelle ab? Ist diese Person überhaupt in dem Bus?" Ganz ehrlich - er hat sich darüber bis eben noch keine Gedanken gemacht, das sollen die Personen, die das Bild betrachten, selbst tun. Will er nur zum Nachdenken anregen? Das wäre vielleicht übertrieben, er will einfach jedem Betrachter seine persönliche Geschichte überlassen.
Aber jetzt ist Summers doch ein bisschen neugierig auf seine eigenen Bilder geworden. "Siehst du das da, mit der Frau und dem Baby? Sie guckt sehr angespannt. Daneben steht vielleicht der Vater, aber ich weiß es nicht, wer er ist. Beide wollen auf jeden Fall nicht, dass das Kind ihre Unruhe mitbekommt. "Das Bild heißt "Mutter und Kind" und wurde 2008 in Peru aufgenommen. Er hat das Bild bisher noch nie ausgestellt, und es berührt ihn jetzt sehr, je länger er draufschaut. "Das ist es, was ich mit einem Bild erreichen will, es soll Emotionen auslösen, denn der Moment, in dem ich es fotografiert habe, war ja auch voller Emotionen." Und wenn es keine Emotionen sind, dann sind es ab jetzt die Formen, die ihn fesseln. "Licht und Schatten, hell und hunkel, Umrisse - darauf achte ich im Moment."
Ein ziemlich gut organisierter Typ
Und die Musik? Immer noch eine Riesensache in Andy Summers Leben! Jeder erinnert sich an "Roxanne", "Every Breath You Take", "Message in a Bottle", "Walking on the Moon" oder "So Lonely". War die Fotografie vielleicht schon immer der Ausgleich zum bunten Leben eines Pop-Künstlers? Andy Summers erlangte in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts schließlich sowohl als Band-Mitglied als auch als Solokünstler Weltruhm. Der "Rolling Stone" wählte ihn 2011 unter die 100 besten Gitarristen aller Zeiten. 1982 erhielt er einen Grammy und bereits 1983 erschien sein erstes Buch, "Thorb". Spätestens seitdem ist Summers international als Kunstfotograf anerkannt.
Das Verlangen des Briten, die Welt weiterhin zu bereisen, auch wenn er gefühlt schon überall war, ist ungebrochen. Eines seiner Lieblingsziele bleibt übrigens Ägypten, und wenn das nicht klappt, dann muss wenigstens ein Ägyptisches Museum her: "Hier in München haben die so viele Exponate, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass woanders noch irgendetwas stehen könnte", schwärmt er. Sein nächstes Ziel allerdings ist das Reijksmuseum in Amsterdam, wo er die vollkommen ausgebuchte Vermeer-Ausstellung besichtigen will. Wie gut, wenn man ein Police-Man war: "Zum Glück habe ich Beziehungen", gibt er zu, sonst käme er dort sicher nicht herein ohne ein Monate vorher erworbenes Ticket.
Momentan arbeitet er an weiteren Fotobüchern. "Ich bin ein ziemlich gut organisierter Typ", sagt er, "und ich habe ständig neue Ideen". Und was sagt einer, der sein ganzes Leben mit Blut, Schweiß und Tränen, mit Leidenschaft und Kreativität verbracht hat, zu Künstlicher Intelligenz? Summers zuckt mit den Schultern: "Das ist eine ganz unglaubliche Sache, so intelligent, aber auch so gefährlich. Wir haben unser eigenes Todesurteil unterschrieben." Er zögert kurz: "Das ist definitiv unser Ende."
Quelle: ntv.de