
Zeit erwachsen zu werden, und zwar alle. Es gibt viel zu tun.
(Foto: IMAGO/Panthermedia)
Es gibt einen Zwist - trouble - zwischen den Generationen, heißt es. Boomer versus Generation Z. Völlig überflüssig, dafür haben wir keine Zeit und keine Energie. Gab es auch schon immer, langweilig, get over it!
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich in die Reihen derer einordne, die sommerlochmäßig über diesen Trouble, der zwischen den Generationen Boomer und Z herrscht (als hätten wir keine anderen Probleme, die AfD zum Beispiel), muss ich mich kurz äußern zu diesem Thema. Aber erst einmal: Peace, Leute!! Es gab schon immer Ältere, die natürlich alles besser wissen und wussten (das will ich gar nicht ins Lächerliche ziehen, denn ich bin ja älter, wenn auch keine Boomerin, sondern Generation X, auch Slacker* genannt), und es ist unser Recht, unsere Erfahrung, unser Privileg, es ist halt einfach so: Wir wissen vieles besser.
Und es gab – und gibt - schon immer Jüngere, die ebenfalls meinten, alles besser zu wissen. Was ebenfalls ihr Privileg ist. Beide Generationen wissen, jede und jeder in seiner/ ihrer Kohorte, nun mal andere Sachen. Wir alle können voneinander lernen, wir müssen uns gar nicht über uns gegenseitig aufregen.
Ich war ja mal jünger als jetzt, und ich kann mich daran erinnern, dass ich recht früh dachte: "Weiß ich!" Ab und zu dachte ich auch: "Weiß ich besser als du/ Sie!" Hin und wieder bekam ich dann gesagt, dass dem nicht so ist. Und was soll ich sagen? Entweder hat es gestimmt, dann mille grazie für die Erklärung, wieder was gelernt, oder es war mir eben egal. Ich war jung, mir stand die Welt offen! Aus den Erfahrungen der anderen lernt man als junger Mensch allerdings vor allem dann, wenn der ältere Mensch das sympathisch rüberbringt. Und nicht, wenn er oder sie klugscheißert.
Nicht falsch verstehen: Wenn mir jemand etwas gesagt hat, was ich sinnvoll fand, wenn ich etwas lernen konnte, dann wirklich danke! Wenn mir jemand über die Schulter geguckt hat und eine bessere Idee hatte: Auch danke! Wenn ein alter weißer Mann, die gab es damals ja auch schon zuhauf, aber meinte: "Du, ich könnte dich bei deiner Seminararbeit unterstützen, du wolltest doch vor die Kamera, ich kann da was machen", dann konnte ich sagen: "Mein hübscher Boyfriend hilft mir bei meiner Seminararbeit, oder meine Uschi, und vor die Kamera will ich ja auf keinen Fall, deswegen müssen wir auch gar nicht essen gehen. Also danke, aber nein danke." Klingt so me-too-mäßig, gab es ja noch gar nicht damals, war nur der gesunde Menschenverstand und die Ahnung, dass Hochschlafen am Ende des Tages auch gar nichts bringt (also in den wenigsten Fällen). Aber ich schweife ab (war schon immer mein Problem). Es soll ja um dieses angeblich komplizierte Generationen-Ding gehen.
Welpenschutz
Ach, eins noch: Es gibt natürlich nicht nur alte weiße Männer, sondern auch alte weiße Frauen. Auch schon immer. Ältere Frauen standen und stehen oftmals nicht so drauf, wenn eine Jüngere angetanzt kommt und ihnen erklärt, dass sie gerade das Rad neu erfunden hat. Oder die Sprache. Oder allzu selbstbewusst ist. Da ich mich daran so gut erinnern kann (zum Beispiel an ein Praktikum bei einem hochwertigen Frauenmagazin und an die Blicke meiner VorgesetztInnen - gleichzeitig etwas neidisch auf die Jugend, andererseits wissend, dass ihr Mantel von Jil Sander und meiner von der Stange war), hoffe ich einfach nur, dass ich jetzt nicht so blöd glotze, wie sie damals, wenn eine junge Frau mit erstaunlich viel Selbstbewusstsein um mich herumhüpft. Fragen stellt, die gerade schon jemand beantwortet hat, und dann naiv lächelt oder hysterisch losgackert. Ich denke, das ist die Jugend. Ich denke, sie hat Welpenschutz. Bis 39 ungefähr. Denn alt sein müssen sie ja auch irgendwann, und wenn's gut läuft, lange.
So, jetzt endlich zu dem Boomer versus Generation Z-Thema: Die Boomer sind viele, deswegen haben sie auf der einen Seite auch echt viel erledigt bekommen, auf der anderen Seite aber auch viele Ressourcen aufgebraucht. Dass jemand Boomer, Generation X, Y oder Z ist, dass man auch Generation Golf oder Generation Silent genannt wird – dafür kann niemand was. Man wird ungefragt geboren, und zack, komm klar. Now! Bei meinen Gesprächen mit den Z-Leuten kommt heraus, dass sie ganz genau wissen, was sie zu tun haben. Das ist gut, denn es ist viel. Laut Definition sind die Boomer zwar von einer gewissen Krisenlosigkeit und Sicherheit geprägt, gleichzeitig aber auf Individualismus und Konkurrenzverhalten dressiert. Pfui. Wenn man aber zum Beispiel nur zwei Jahre später als ein Boomer geboren wurde, sieht das ganz anders aus, man gilt als Generation X-ler nämlich als orientierungslos und eine/r, der bereits auf die Work-Life-Balance achtet. Krass, wie die Z-ler! Juchhu, wir haben was gemeinsam! Was kein Wunder ist, wir X-ler sind ja oft auch deren Eltern!
Wenn die Z-ler Glück haben, verballern die X-ler das, was sie von ihren karrieristischen Nachkriegseltern schon geerbt haben, nicht komplett, sondern geben es weiter, am liebsten allerdings mit der warmen Hand, denn sie haben vor, alt zu werden. In ihren Häusern oder großen Wohnungen wollen sie auch noch sitzen bleiben, zu sehr haben sie dafür schließlich geackert. Gleichzeitig wollen die X-ler und selbst die Boomer es ihren oft schon sehr erwachsenen Sprösslingen immer noch irre schön machen. Sie haben es ihnen bereits irre schön gemacht, sie sind dafür verantwortlich, dass die Z-ler so verwöhnt sind! Doch gleichzeitig müssen die Jungen nun die Welt retten, sie müssen die Fehler ihrer Ahnen wiedergutmachen! Sie müssen zum Beispiel das Klima retten, wobei die besseren X-ler und Boomer aber mitmachen wollen.
Deutsche Kartoffel
Ich hatte als Jugendliche auch das Gefühl, dass ich für die Fehler meiner Eltern und vor allem meiner Großeltern bluten musste. Nicht alle hatten einen Großvater, der im Widerstand war, viele sind einfach in den Krieg gezogen (worden) und kamen kaputt oder gar nicht zurück. Manche Großmütter wurden vergewaltigt, vertrieben, mussten ihre Kinder allein großziehen. Als junges Mädchen in Frankreich musste ich mich noch Mitte der Achtziger dafür entschuldigen, dass meine Großeltern Nazis waren, auch wenn sie das gar nicht waren. Entschuldigen musste ich mich so oder so, einfach, weil ich eine deutsche Kartoffel war.
Gut, jetzt müssen wir aber noch gucken, wie wir das mit der Arbeit hinkriegen: Ihr Z-ler und Millenials wollt weniger arbeiten, versteh' ich, denn ihr Z-ler wollt oder müsst beide arbeiten, wenn ihr eine Familie wollt. Das mussten/wollten wir X-ler aber übrigens auch schon und haben ganz schön viele Wege geebnet. Ihr wollt nicht um jeden Preis Karriere machen, aber trotzdem gut verdienen, versteh' ich natürlich auch.
Was ich will!
Aber ein paar von euch müssen Macher werden! Denker, Mover, Shaker. Ihr müsst was reißen! Es braucht euer Engagement, eure Expertise. Und zwar nicht für alte Boomer oder Xler, sondern für eure Kinder, unsere Enkel! Ich sehe da überhaupt keinen Konflikt. Ich sehe nur, dass wir an einem Strang ziehen sollten. Ich sehe, dass wir alle voneinander lernen können. Ich liebe neue Wörter, ihr liebt alte Wörter. Mein Opa bezeichnete damals meine Musik als Bums-Mucke, er meinte, es wummert ganz schön. Ich dachte an "bumsen" und war etwas entrüstet. Ich fand Schlager und so weiter unterirdisch uffta-uffta, liebe aber "Ich liebe das Leben", schon immer, für immer. I don't give a fuck auf cringe oder sheesh, is’ mir brause, solange ich sagen kann, was ich will.
Und: Ich will nicht aus- sondern angelacht werden, ich will niemand anderen auslachen. Ich will so sein, wie ich möchte, ich will andere so sein lassen, wie sie sind. Meine Kinder finden das hippie-mutti-mäßig, ich finde das normal. *Oder in Generationen-Sprech: Ich komm' nunmal aus der Generation Slacker, was so viel heißt wie locker. Wenn ich allerdings noch einmal "Ok, Boomer" irgendwo lese, dann flipp' ich aus.
Die einen können eben fließend Siri, die anderen dafür eine Konservendose verletzungsfrei öffnen. Der Punkt ist: Ich will gar nicht mit Siri quatschen, und die Z-ler wollen gar keine Konserven öffnen, weil sie bei Hello-Fresh bestellen. Das kommt im Bio-Papp-Karton. Glaube ich. Ich bestelle sowas nicht, ich koche lieber frisch. Ach, das machen die Z-ler auch? Das ist doch schonmal ein Anfang!
Quelle: ntv.de