Konflikt am Arbeitsmarkt "Generation Z hat eine unglaubliche Optionsfülle"
27.05.2023, 13:53 Uhr Artikel anhören
Wie sieht die Zukunft der Arbeitswelt aus?
(Foto: picture alliance / dpa)
Faul, verwöhnt, sensibel - so lauten die Vorwürfe, die der Generation Z derzeit gemacht werden. Rüdiger Maas hat ein Buch über die junge Generation, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurde, für Personaler und Führungskräfte geschrieben. Im Interview mit ntv.de erklärt der Generationenforscher, welche Vorurteile über die sogenannte GenZ wahr sind - und warum sich das nicht ändern wird.
ntv.de: Ist die Generation Z wirklich so faul, wie ihr vorgeworfen wird?

Rüdiger Maas ist Psychologe, Autor und Berater. Er und sein Team am Institut für Generationenforschung forschen über die verschiedenen Generationen.
Rüdiger Maas: In unserer aktuellen Studie haben wir 3000 Menschen gefragt, was sie von der Generation Z halten. Das Ergebnis war, dass die Mehrheit davon ausgeht, dass die Generation Z faul und handysüchtig sei. Das Spannende daran war, dass die Generation Z sich selbst auch so sieht. Die jungen Nachwuchskräfte übernehmen also das Vorurteil über sich selbst.
Stimmt es also, dass die Generation Z eine andere Arbeitsmoral hat?
Nicht ganz, denn unser Studiendesign hatte auch eine Validierungsstudie inne, bei der wir gefragt haben, was den Befragten bei der Arbeit und in ihrer Freizeit wichtig ist. Dabei stellte sich heraus, dass die Generationen jeweils ähnliche Attribute als ähnlich wichtig sahen. Wir wollen anscheinend momentan alle das Gleiche: eine Vier-Tage-Woche und Remote-Arbeit. Aber den Jungen gestehen wir diesen Luxus am Arbeitsbeginn nicht zu.
Warum nicht?
Weil wir Arbeit anders erlebt haben. Wir mussten mehr oder weniger nehmen, was es gab, und hatten nie die Möglichkeit von Beginn an Forderungen zu stellen. Das verwundert ältere Menschen sehr, da sie Arbeit nie aus der Forderungsperspektive gesehen haben. So etwas kennen wir in der Regel nur, wenn wir Kunde sind, aber nicht als Arbeitnehmer.
Der Generation Z wird auch vorgeworfen, "die illoyalsten Jobber aller Zeiten" zu sein. Würden Sie dem zustimmen?
Junge Menschen bleiben im Durchschnitt ein Jahr bei ihrem ersten Arbeitgeber. Für ältere Menschen, die aus einer Zeit kommen, in der es völlig normal ist, 20 Jahre lang an einem Arbeitsplatz zu arbeiten, mag das illoyal sein. Aber das ist keine zeitgemäße Sichtweise mehr.
Die jüngere Generation ist also nur in den Augen der älteren Generation illoyal?
Die junge Generation hat eine unglaubliche Optionsfülle vor sich. Die Älteren nehmen nicht einmal zur Kenntnis, dass sich der Arbeitsmarkt so sehr verändert hat, dass wir uns einfach neue Konzepte ausdenken müssen. Loyal oder illoyal sind hierbei Begriffe aus einer analogen Welt bzw. Zeit.
Laut einer Studie ist keine Generation stärker auf aktiver Job-Suche als die 18-29-Jährigen. Woher kommt diese hohe Wechselbereitschaft?
Die jungen Leute haben etwas, das wir FOBO nennen - Fear of better option. Auf Deutsch: Angst, noch etwas Besseres zu verpassen. Wenn sie einen Arbeitgeber gefunden haben, haben sie nicht die Hoffnung, dass sie den richtigen getroffen haben, sondern vielmehr die Angst, dass es noch etwas viel Besseres gibt. Aus Sicht der jungen Nachwuchskräfte: "Ich bin hier, weil ich Sie, lieber Arbeitgeber, gewählt habe, nicht weil Sie mich gewählt haben." Und hier ist sie wieder die Kundensicht.
Und das können sie sich auf dem Arbeitsmarkt leisten?
Ja, dank der enormen Auswahl. Diese Optionen sind so vielfältig, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, sich an einer Option festzuhalten. Der bewegte Lebenslauf ist dann nicht so wichtig, weil sie sowieso einen Job finden. Für sie ist es wichtiger, dass die Arbeitsatmosphäre und die Kommunikation stimmen, dass es eben angenehm ist, als dass sie sich durchschlagen. Sobald es also unangenehm wird, winkt schon die nächste Option. Wieso muss ich leiden, wenn ich die Auswahl habe?
Warum ist das so?
Die Generation Z hatte eine sehr überbehütete Kindheit. Für die Mehrheit dieser Generation war nichts schwierig. Die Hälfte hat jetzt Abitur und alles ist einfacher und zugänglicher geworden. Es gibt eigentlich immer weniger Hürden - deshalb haben sie viel weniger gelernt, Probleme selbst zu lösen. Und wenn etwas Schwieriges passiert, sind die Eltern sofort zur Stelle. Es gibt sehr wenige Bereiche, in denen die Gen Z etwas alleine machen muss.
Generation X musste einen Mauerfall und hohe Arbeitslosigkeit mitnehmen. Generation Y musste gegen eine Bankenkrise und Rezession kämpfen. Deshalb verdrehen sie manchmal die Augen, wenn sich die Gen Z so früh in ihrem Arbeitsleben beschwert.
Sozialneid ist nicht die Lösung. Wenn die ältere Generation sagt, dass sie früher mehr und härter gearbeitet hat, dann frage ich mich: Ist es die Lösung, das beizubehalten? Müssen alle Menschen leiden, nur weil sie gelitten haben? Muss es der nächsten Generation jetzt schlecht gehen, nur weil es euch schlecht ging? Auch das ist kein reflektiertes Verhalten.
Könnte die junge Generation nicht trotzdem etwas Durchhaltevermögen lernen?
Nein, das ist nun nicht mehr so leicht. Ihr ganzes Leben lang haben viele nur aus dem Vollen geschöpft. Sobald es ungemütlich wurde, machten sie das Nächste und hatten so viel weniger Möglichkeiten eine Form von Frustrationstoleranz aufzubauen. Wie sollen sie das plötzlich können, wenn sie es nie trainiert haben?
Man kann immer etwas lernen.
Natürlich kann man lernen. Aber solange die Generation Z immer weiterziehen kann, wenn es unbequem wird, wird sie nie bereit sein, so viel zu investieren, wie der Arbeitgeber es gerne hätte. Genau das ist das Problem. Solange sich der Arbeitsmarkt nicht ändert, wird sich all das weiter in diese Richtung entwickeln.
Ist also die einzige Option, dass sich der Arbeitsmarkt an die neue Generation anpasst?
Das ist jetzt schon der Fall. Um den Nachwuchs zu bekommen, denken viele Unternehmen darüber nach, nur noch von Montag bis Donnerstag zu arbeiten oder eben neue Teilzeitkonzepte oder Remote-Arbeit anzubieten. Genau das führt dazu, dass sich der Arbeitsmarkt mehr und mehr an die nächste Generation von Arbeitnehmern anpasst und nicht mehr umgekehrt. Wann soll die Gen Z lernen, sich anzupassen?
Ist der Arbeitsmarkt in der Lage, die neuen Anforderungen der Generation Z zu erfüllen?
Wir müssen schneller werden in der Digitalisierung und mehr bürokratische Hürden abbauen. Dennoch gibt es viele Jobs, die sich nicht digitalisieren lassen. Ich würde auch nicht als alter Mensch von sieben Leuten gepflegt werden wollen, weil die nächste Generation nur noch vier Stunden am Tag arbeiten möchte. Das ist also gesamtgesellschaftlich gesehen nicht der beste Weg, den wir hier gehen. Hier auch ein Appell an die Jüngeren, einfach mal sich durchkämpfen und dranbleiben, um so auch Erfolgserlebnisse zu erhalten.
Aber?
Sie kennen keine andere Welt. Wenn jetzt die Älteren kommen und fragen, warum die Jüngeren das nicht können, dann muss ich sagen: Warum haben wir ihnen eine solche Welt hinterlassen? Ich kann mich nicht aus der Verantwortung stehlen und einfach schimpfen, dass sie faul sind, dass sie illoyal sind, und auf der anderen Seite schaffe ich genau diese Welt, in der so etwas möglich ist.
Mit Rüdiger Maas sprach Clara Suchy
Quelle: ntv.de