Mensch gegen oder mit Maschine Kunst und KI - Bedrohung oder kreativer Input?


Felix Kraus und Bianca Kennedy fragen sich, ob Künstliche Intelligenz ihren Job bedroht.
(Foto: Zebu Kluth)
Bedroht Künstliche Intelligenz die Kunstwelt? Oder unterstützt sie sie? ntv.de hat das Kollektiv kennedy+swan in seinem Atelier besucht, denn Bianca Kennedy und Felix Kraus arbeiten längst mit KI. Das Ergebnis ist in einer Gruppenausstellung im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen.
Fleißig und vielseitig sind sie: Froschähnliche Mikroroboter fischen Plastik aus den vermüllten Ozeanen. Damit nicht genug, sie cruisen durch menschliche Körper und kämpfen gegen Krebszellen. Schöne neue Welt? Oder ein Ausblick in eine (noch) unvorstellbare Welt, in der biologische und Künstliche Intelligenz (KI) eine sinnvolle Verbindung eingehen. Das, was so wundersam klingt, ist kluge Videokunst von kennedy+swan, und im Kunstmuseum Stuttgart in der Gemeinschaftsausstellung "SHIFT. KI und eine zukünftige Gemeinschaft" zu erleben.

Aus groß wird im Film klein. KI hilft, "aber kann noch keine perfekten Videos" sagt das Powerpaar beim Atelierbesuch.
(Foto: kennedy+swan)
Xenobots heißen diese emsigen Wesen und die Anfrage dazu, ein Kunstwerk zu kreieren, kam direkt aus dem Stuttgarter Museum, erzählen Bianca Kennedy und Felix Kraus ntv.de beim Atelierbesuch in Berlin. Realität ist, dass eine KI diesen ersten programmierbaren, lebenden Roboter aus Froschzellen entworfen hat. Der Organismus sieht putzig aus, da er der Gaming-Ikone Pac-Man ähnelt. Eines Tages kann der Xenobot hoffentlich Großes für Menschen leisten. Das klingt zwar nach Science-Fiction, passt aber perfekt zum Kunstkollektiv.
Die Intelligenz der Natur
"Wir hatten die Bioroboter schon auf dem Radar, allerdings nicht als unser nächstes Thema", so Felix Kraus. In den vergangenen Jahren hatte das Künstlerkollektiv sich für seine Arbeiten überlegt, was wäre, wenn alles evolutionär zusammenläuft und nicht stehen bliebt. Was passiert, wenn die Intelligenz von Menschen, Tieren und Pflanzen zusammenwachsen" "In dieses Narrativ passt Künstliche Intelligenz gut rein. Was, wenn KI und biologische Intelligenz verschmelzen", erklärt Bianca Kennedy weiter.
Das Ateliergebäude, das sie sich mit vielen Künstlerinnen und Künstlern teilen, ist alles andere als ein Hightech-Labor. Die Uferhallen im Wedding waren in längst vergangenen Zeiten ein Depot für Straßenbahnen und sind inzwischen vom Abriss durch Gentrifizierung bedroht. Noch bauen sie hier ihre kleinen analogen Modelle, aus denen mittels ausgefeilter Technik und KI große Videos werden. Ihre Kunst wird auf Biennalen, wie zuletzt in Lyon, und in Museen gezeigt, mit Preisen ausgezeichnet und längst von der internationalen Sammlerschaft gekauft. Für das Paar geht es stetig bergauf, die beiden freuen sich über die Entwicklung und die Zusammenarbeit mit Museen auf Augenhöhe.
Kennengelernt haben sich die gebürtige Leipzigerin und der Münchner 2010 bei einem Workshop in Leipzig. Seither sind sie zusammen, haben aber in unterschiedlichen Klassen an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert. Auch heute sind beide über das Gemeinsame hinaus selbstständig: Bianca Kennedy arbeitet auch unter ihrem Namen als Künstlerin. Ihr Partner Felix schreibt Bücher und schafft als Swan Collective, einer fiktiven Künstlergruppe, eigene Kunstwerke. Die gemeinsame Schnittstelle ist das Thema Biologie und die Faszination für die Intelligenz der Natur.
Überrollt KI die Kunst?

Prinz oder Prinzessin? Hund Jane ist bei den aufwendigen Drehs im Atelier dabei.
(Foto: kennedy+swan)
Als Kollektiv machen sie seit zehn Jahren gemeinsame Sache, das heißt auch: "Es ist ein einziges Brainstorming von früh bis spät", lacht Bianca Kennedy. "Unser Hund Jane ist ein guter Puffer. Und dass wir eigenständige Künstler sind. Jeder hat seine eigenen Bilder im Kopf. Gemeinsam schauen wir viele Tutorials, um uns in die unendlichen KI-Programme einzufuchsen." Das Paar überlegt dann, wie es die neue Technik nutzt - und schon wird aus Arbeit auch ein großer Spaß. Als Schlüsseltechnologie ist KI im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen. Die Grundlage der Künstlichen Intelligenz sind Algorithmen, die bereits sichtbar und unsichtbar Einfluss auf politische, soziale und wirtschaftliche Abläufe haben. Mit ihr verbinden sich Hoffnungen und Ängste, denn der Mensch tritt gegen die Maschine in Konkurrenz.
Seit zwei Jahren arbeiten kennedy+swan intensiv mit KI. Können die Algorithmen ihre künstlerische Kreativität ersetzen? KI allein ist wenig kreativ, aber definitiv ist sie zum alltäglichen Werkzeug für die beiden geworden. Dabei sind sie sich bewusst, dass diese Tools auf KI basieren und nur Programme sind, die ohne Intelligenzfaktor analysieren, Daten sammeln und stupide mathematische Formeln durchspielen. kennedy+swan nutzen KI als erweitertes Skizzenbuch, das eben irrsinnig rasant Bilder generieren kann. "Noch kann KI keine perfekten Videos, aber wie lange ist das gültig? In einem halben Jahr könnte unser Gespräch völlig anders verlaufen", gibt Felix Kraus zu Bedenken.
Der 36-Jährige glaubt, dass "wir uns gerade an einem Singularitätsmoment befinden. In fünf Jahren schauen wir zurück und reiben uns verwundert die Augen, wie lustig wir Chat-GPT oder Bildgeneratoren wie Midjourney fanden." Wenn KI eines Tages verstehe, wie sie sich selbst verbessern kann, dann ist der Mensch raus, orakelt der Künstler und entschuldigt sich, dass er der Zukunft negativ entgegenblickt. "Da ist großes Potenzial und gleichzeitig ist es extrem unheimlich, was da passiert. Wir wollen als Künstler nicht überrollt werden." Ihre Kunstwerke sind eher "so ein Fühlen, wie das Leben mit künstlicher Intelligenz ist". Doch was bedeutet es, wenn KI das Leben durchdrungen hat?
Ist das Kunst oder schon KI?
Das Verrückte an ihren Filmen ist, dass sie sich mit Zukunftsthemen beschäftigen, aber den Look veralteter Knetmännchen-Trickfilme zelebrieren. Mit diesem hohen Wiedererkennungswert zaubern sie ihre Welt als virtuelle Realität in die Köpfe der Neugierigen. "Das Schöne ist, dass wir uns immer treu geblieben sind", resümiert Felix Kraus. "Unser Style war immer der gleiche, aber am Anfang zu Studienzeiten wurden wir belächelt. Nach dem Motto, das, was ihr da macht, ist doch keine Kunst." Wie so häufig im Gespräch ergänzt die 33-Jährige den Gedanken: "Jetzt versteht man uns besser. Die Menschen und Museen interessieren sich für unsere Themen. Wir passen immer besser in die Zeit und können auf tagesaktuelle Fortschritte reagieren."
Aber ist das auch Kunst - oder kann das weg? "Das KI-Programm, was wir vor sechs Monaten für unsere Videoarbeit 'Delphi Demons' in Lyon benutzt haben, ist jetzt schon antiquiert", erzählen sie. KI verändert das Arbeiten in der Kunst. Zu unterscheiden, was aus Künstlerhand und was von einem Algorithmus ist, wird täglich komplizierter. Können Künstlerinnen und Künstler ihren Job schützen? "Ich sehe gerade kaum eine Grenze", gibt sich Felix Kraus pessimistisch, "irgendwann kommt der Moment, wo wir nicht mehr mithalten können." Bis smarte bots jedoch so weit sind, kann die Künstliche Intelligenz von künstlerischer Intelligenz schlau als Sparringspartner genützt werden. Neue, wegweisende Kunst, die so entsteht, ist in Ausstellungen wie "SHIFT" in Stuttgart erfahrbar. Dennoch: Viele Fragen bleiben offen.
"SHIFT. KI und eine zukünftige Gemeinschaft" läuft noch bis zum 21. Mai im Kunstmuseum Stuttgart, Kleiner Schloßplatz 1, 70173 Stuttgart
Ab dem 17. Juni (bis zum 15. Oktober) ist die Ausstellung im Museum Marta Herford, Goebenstraße 2, 32052 Herford
Quelle: ntv.de