Leben

Alkoholkonsum im Wandel Wird Nüchtern bald das neue Betrunken?

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Es muss nicht immer Alkohol sein. Manchmal reicht auch Limonade, um Spaß zu haben.

(Foto: imago/fStop Images)

Die Deutschen trinken gerne und viel Alkohol. Doch gleichzeitig setzt sich auch der Abstinenz-Trend scheinbar immer mehr durch. Wie passt das zusammen? Wie Unternehmer von dem Phänomen profitieren und was Wissenschaftler beobachten.

Wer keinen Alkohol trinkt, ist entweder schwanger, muss aus religiösen Gründen verzichten, hat ein gesundheitliches Problem, das den Alkoholgenuss verbietet oder ist ziemlich langweilig. So lauten die gängigen Vorurteile. Eine freiwillige Abstinenz scheint hingegen eher selten zu sein. Doch sie kommt tatsächlich immer häufiger vor. Denn der Anteil der Menschen, die bewusster leben, auf ihre Ernährung achten und ausreichend Sport treiben, steigt. Alkoholkonsum passt nicht dazu.

Andererseits ist immer wieder die Rede davon, dass Deutschland in Sachen Alkohol ein Hochkonsumland ist. Laut dem "Jahrbuch Sucht" der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) lag der Gesamtverbrauch an alkoholischen Getränken 2015 bei 135,5 Litern pro Kopf. 2016 waren es 133,8 und 2017 tranken die Deutschen 131,1 Liter. Zwar ist damit ein Rückgang des Alkoholkonsums ersichtlich, aber bildlich gesprochen handelt es sich bei der aktuell konsumierten Menge immer noch um eine Badewanne voll alkoholischer Getränke, die jeder Deutsche pro Jahr zu sich nimmt.

Aber: Gerade die jüngere Generation scheint dem Alkohol immer öfter abzuschwören. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergab eine Umfrage unter 16- bis 21-Jährigen in Deutschland: 70 Prozent von ihnen sagte, nur gelegentlich oder nie Alkohol zu trinken. Die Bundeszentrale vermeldete auch: Der Alkoholkonsum unter den Jugendlichen geht zurück und erreichte zuletzt einen neuen Tiefstand. 8,7 Prozent der 12- bis 17-Jährigen trinkt mindestens einmal pro Woche. Im Jahr 2004 waren es noch 21,2 Prozent.

Feiern mit sozialer Energie

Die Wirtschaft spezialisiert sich also nicht ohne Grund auf eine zunehmende Alkohol-Abstinenz. So macht unter anderem auch die Partykultur bereits Menschen ein Angebot, die ohne Alkohol feiern wollen. "Sober Sensation" heißt eine internationale Veranstaltungsreihe, auf der ausschließlich alkoholfreie Drinks wie Kombucha und Kaffee angeboten werden. Party machen ohne den Hemmungslöser Alkohol? Auf der Website, auf der auch Termine für Deutschland angepriesen werden, heißt es dazu: "Ein gesunder Lebensstil schließt Feiern nicht länger aus". Und: "Wir glauben an die Kraft des natürlichen Rauschs." Die Basis einer guten Party sei die soziale Energie.

Wer sich übrigens auf dem Weg zum Party-Vorglühen in den Supermarkt begibt, dem dürfte noch etwas anderes aufgefallen sein: Die Regalmeter mit trendigen Limonaden werden immer länger. Offenbar gibt es also einen Markt, der bedient werden will. Und den auch Spitzengastronomen für sich entdeckt haben: Statt Apfelschorle, Wasser und Cola stehen mittlerweile kreative Menü-Begleitungen ohne Promille auf der Getränkekarte.

Auch im hochpreisigen Gourmet-Segment sind Null-Promille-Alternativen schon länger gang und gäbe. Zum Beispiel im Noma in Kopenhagen, einem der besten Restaurants der Welt, hat sich die nichtalkoholische Getränkebegleitung bereits etabliert. Und auch hierzulande bieten kreative Köche zur Haute Cuisine Flüssiges auf Kombucha- oder Wasserkefir-Basis an. Eine verständliche Herangehensweise, wenn man bedenkt, dass die Restaurants mit alkoholfreien Alternativen ebenfalls gutes Geld verdienen können.

Tagsüber gesunde Ernährung, nachts reichlich Alkohol

Kann der zunehmende Gesundheitstrend somit vielleicht sogar dazu beitragen, den hohen Alkoholkonsum der Deutschen einzudämmen? Matthias Laudes, Facharzt für Endokrinologie, Diabetologie und klinische Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, bestätigt zwar, dass das höhere Gesundheitsbewusstsein bei einigen tatsächlich zu reduziertem Alkoholkonsum führt. Doch im Gespräch mit n-tv.de sagt der Mediziner auch: "Das ist aber nicht in jedem Fall so." Alkohol diene immer noch oft als Beruhigung in Stresssituationen. Demnach komme es durchaus häufiger vor, dass sich Menschen tagsüber sehr gesund ernähren, aber abends dann doch Alkohol konsumieren.

Auch in Bezug auf Sport sei dieses Phänomen beobachtet worden, so Laudes und verweist auf eine entsprechende Studie: Wissenschaftler in Korea hatten ebenfalls beobachtet, dass mit dem stetig wachsenden Gesundheitsbewusstsein auch die Anzahl der Radfahrer steigt. Und auch sie wollten wissen, wie sich der Alkoholkonsum dazu verhält.

Für die repräsentative Erhebung befragten die Forscher 4000 Menschen, die vermehrt mit den Fahrrad fahren, um sich gesund und fit zu halten. 10 Prozent von ihnen gab an, dass sie dennoch weiterhin zu gesellschaftlichen Anlässen oder aus stresslösenden Gründen Alkohol trinken. Laudes sagt zu der Studie: "Bei einer signifikanten Anzahl von Menschen liegt also einerseits ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein vor, andererseits wird auch regelmäßig Alkohol aus anderen Gründen konsumiert." Ob der Abstinenz-Trend langfristig für einen Rückgang des Alkoholkonsums sorgen wird, können letzten Endes nur Langzeitstudien klären.

Quelle: ntv.de

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