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Finnland will der NATO beitreten. Auch wenn es die Diskussion darüber schon seit Jahrzehnten gibt, …
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… fällt die Entscheidung letztlich innerhalb weniger Wochen, nachdem sich die öffentliche Meinung gedreht hat.
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Auslöser dafür ist die russische Invasion der Ukraine, die in Finnland die Erinnerung an ein eigenes historisches Kapitel weckt: den Winterkrieg gegen die Sowjetunion vom 30. November 1939 bis zum 13. März 1940.
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Die Erinnerung an diesen Krieg hat den jetzigen Stimmungsumschwung befeuert, denn damals wie heute geht es um den Kampf gegen einen vermeintlich übermächtigen Aggressor - und ein Land, das dem Angriff standhält.
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"Der sogenannte 'Geist des Winterkrieges' ist noch sehr präsent in der finnischen Erinnerungskultur", schreibt die Nordeuropa-Expertin Minna Ålander dazu auf Twitter. (Winterkriegsdenkmal an der Straße zwischen Suomussalmi und Raate.)
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Ihr zufolge liegen die Wurzeln des Wunsches zum NATO-Beitritt in diesem Krieg, weil er eine wichtige Lehre zur Folge gehabt habe: niemals wieder allein zu stehen. Und genau darum gehe es beim Beitritt zum Militärbündnis.
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Der Winterkrieg, der auch sowjetisch-finnischer Krieg genannt wird, beginnt mit dem Angriff der Roten Armee auf Finnland. (Im Bild: ein leichter sowjetischer Panzer vom Typ T-26.)
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Zum Streitpunkt wurde zuvor die Karelische Landenge, auf die die Sowjetunion unter Diktator Josef Stalin Anspruch erhebt. Die damalige Grenze zu Finnland (untere rote Linie, oben die heutige Grenze) liegt nur 50 Kilometer vom damaligen Leningrad (heute St. Petersburg) entfernt - ein strategischer Schwachpunkt.
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Zudem geht es Stalin um die Unterwerfung ganz Finnlands, das bereits von 1809 bis 1917 zum Zarenreich gehörte. Moskau sieht das Land als möglichen Einfallspunkt in einem Krieg gegen Deutschland und damit als offene Flanke.
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Auf dem Papier ist die Lage klar: Die finnische Armee ist zahlenmäßig, vor allem aber bei der Ausrüstung mit Waffen und Munition klar unterlegen. Zum Beispiel verfügt das Land nur über 30 Panzer, eine kleine Luftwaffe und eine veraltete Artillerie. (Präsident Kyösti Kallio besucht die Truppen.)
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Entsprechend muss improvisiert werden. Zwar gibt es bereits in früheren Kriegen Brandbomben, die in Flaschen gefüllt und auf Panzer geworfen werden, doch erst im Winterkrieg erhalten sie den Namen Molotowcocktail - in Anspielung auf den damaligen sowjetischen Regierungschef Wjatscheslaw Molotow (Bild ca. 1940).
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Die Bomben, die Panzer in Brand setzen können, werden wegen ihres Erfolgs bald industriell gefertigt.
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Molotow steht auch Pate für eine weitere Bezeichnung: Weil er angesichts der sowjetischen Luftangriffe auf finnische Städte davon spricht, die Flugzeuge würden nur Brot für Zivilisten abwerfen, werden deren Bomben "Molotows Brotkörbe" genannt. (Bei einem Bombenangriff zerstörtes Haus in Helsinki.)
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Wegen Improvisationen, aber auch wegen besserer Fähigkeiten und Ausrüstung im eigenen Gelände, etwa auf Skiern und …
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… mit Hundeschlitten, gelingt es den Verteidigern, die erste sowjetische Offensive im November und Dezember 1939 zu stoppen.
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Den Truppen Moskaus gelingt es nicht, die mit etwa 100 Betonbunkern befestigte Mannerheim-Linie - benannt nach dem finnischen Oberbefehlshaber - zu durchbrechen.
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Doch nicht nur an der Front verfehlt Stalin sein Ziel. Auch sein Versuch, die Finnen zu spalten, misslingt. Stattdessen rückt die Bevölkerung angesichts der Aggression zusammen - der "Geist des Winterkrieges" wird sprichwörtlich. (Frauen der sogenannten Lotta-Schwert-Organisation, die Zivilschutzaufgaben übernimmt.)
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Daran können auch sowjetische Luftangriffe auf Städte wie Helsinki (Bild), Tampere, Turku und Viipuri auf der Karelischen Landenge nichts ändern.
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Die überraschende Schwäche der Roten Armee hat vor allem zwei Gründe. (Zerstörter sowjetischer Helm im Winterkriegs-Museum.)
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Einerseits wird der Angriff auf Finnland schlecht vorbereitet, es fehlt etwa an genügender Feindaufklärung. (Finnische Soldaten mit sowjetischen Gefangenen.)
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Aber auch die Ausbildung der Soldaten und die Kommunikation zwischen den Truppenteilen ist schlecht.
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Zudem fehlen taktische Fähigkeiten - viele Offiziere fielen Stalins Säuberungen in den Jahren zuvor zum Opfer. (Ein finnischer Soldat nutzt ein erbeutetes sowjetisches Gewehr.)
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Andererseits macht das finnische Wetter den Angreifern zu schaffen. Starke Schneefälle machen die Truppen unbeweglich - ihnen fehlen Skier, Wintertarnkleidung, teils auch Wintersachen -, …
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… tiefe Temperaturen setzen Mensch und Material zu. Die geringe Infrastruktur im Norden Finnlands verlangsamt das sowjetische Vorkommen zusätzlich.
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Infolge der gescheiterten ersten Offensive gruppiert die Sowjetunion jedoch ihre Truppen um, verstärkt die Bewaffnung, verbessert das Training - unter anderem im Kampf um Betonbunker - und startet am 11. Februar 1940 eine neue Großoffensive mit nun 600.000 Soldaten, 2000 Panzern und 3137 Geschützen. (Sowjetischer Artillerieschlepper AT-S.)
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Tatsächlich gelingt ihnen der Durchbruch durch die erste finnische Befestigungslinie. (Hier allerdings haben die Finnen einen sowjetischen Panzer erbeutet.)
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Die finnische Armee hat dem nicht mehr viel entgegenzusetzen, schnell fallen weitere Verteidigungslinien. (Finnischer Soldat an der Mannerheim-Linie.)
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Helfen kann auch nicht mehr die große internationale Unterstützung, die Finnland nach dem Angriff erhält. Bereits am 14. Dezember 1939 wird die Sowjetunion aus dem - politisch aber bereits geschwächten - Völkerbund ausgeschlossen. Zudem gibt es weltweit Proteste gegen die Bombardierungen ziviler Ziele. (Pferd mit Wintertarnüberwurf.)
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US-Präsident Franklin D. Roosevelt ruft ein "moralisches Handelsembargo" gegen die Sowjetunion aus und gewährt Finnland einen Kredit, nicht aber Waffenlieferungen. Flugzeuge und andere Hilfen kommen aus Frankreich (Bild), Großbritannien oder Italien - können aber letztlich die sowjetische Überlegenheit nicht ausgleichen.
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Hilfe gewährt auch Schweden, das einen Kriegseintritt zwar ablehnt, aber Zehntausende Gewehre, Munition und Luftabwehrgeschütze liefert. Zudem erlaubt es schwedischen Freiwilligen (Bild), sich den Finnen anzuschließen - daneben melden sich Dänen, Norweger, US-Amerikaner und Italiener, die teils aber zu spät eintreffen.
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Wegen der militärisch aussichtlosen Lage nimmt Finnland schließlich Kontakt mit Moskau auf, am 8. März trifft eine Delegation in Moskau ein. Die Sowjetunion hat inzwischen Friedensbedingungen vorgelegt, die sie auch nicht mehr verhandeln will. (Dänische Freiwillige)
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So wird am 13. März 1940 ein Friedensvertrag unterzeichnet, um 12 Uhr enden die Kampfhandlungen. (Waffenstreckung der Finnen im Jahre 1940 - Gemälde von Iwan Alexejewitsch Wladimirow.)
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Finnland muss große Teile Kareliens abtreten - die gesamte Landenge und Gebiete nördlich des Ladogasees. Hinzu kommen strategisch wichtige Inseln im Finnischen Meerbusen und die Fischerhalbinsel am Nordmeer, die ebenfalls an die Sowjetunion gehen.
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Die Halbinsel Hanko wird für dreißig Jahre an die Sowjetunion als Flottenstützpunkt verpachtet - hier verlassen Einwohner den Ort. Eine Unterwerfung unter Moskau oder Eingliederung in die Sowjetunion bleibt Finnland aber erspart.
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Allerdings rutscht das Land nach dem verlorenen Krieg in eine Wirtschaftskrise, auch weil Hunderttausende Menschen aus den abgetretenen Gebieten nach Westen fliehen. Andererseits rüstet das Land auf und erhöht massiv die Kampfbereitschaft.
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Ab Juni 1941 beteiligt sich Helsinki dann am deutschen Überfall auf die Sowjetunion. Zwar können im sogenannten Fortsetzungskrieg die 1940 verlorenen Gebiete zunächst zurückerobert werden, jedoch folgt ein dreijähriger Stellungskrieg, der durch eine sowjetische Offensive beendet wird. (Hitler besucht 1942 Mannerheimer (M.), der von 1944 bis 1946 finnischer Staatspräsident ist.)
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Im Waffenstillstand von Moskau verliert Finnland dann neben den bereits 1940 abgetretenen Gebieten weiteres Land an die Sowjetunion.
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Trotz dieser doppelten Niederlage ist der Winterkrieg bis heute im kollektiven Gedächtnis der Finnen erhalten geblieben. (Kranzniederlegung 2009, 70 Jahre nach Kriegsbeginn, an einem Monument Mannerheimers.)
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Der "Geist des Winterkrieges" erinnert die Finnen daran, dass sie einst die Invasion eines übermächtigen Feindes gestoppt haben.
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Er lehrt sie aber auch, dass sie künftig nicht mehr allein stehen wollen. Zum Antrag auf den NATO-Beitrag gibt es dazu sogar ein Bier - "Otan Olutta" spielt nicht nur auf den französischen Namen des Bündnisses an (OTAN), sondern heißt auf Finnisch auch "Ich nehme Bier".
Geburt des Molotowcocktails Der Winterkrieg - als Finnland die Sowjetunion stoppte
Am Ende geht der Krieg verloren. Doch Finnland leistet erbitterten Widerstand, als es 1939 von der Sowjetunion überfallen wird. Der Winterkrieg spielt bis heute eine Rolle in der Erinnerungskultur des Landes - und auch in der Debatte um den NATO-Beitritt.
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