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Seit mehr als dreißig Jahren beherrscht eine kleine Gemeinde im Nordosten von Niedersachsen die Debatte um die Lagerung radioaktiver Abfälle.
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Gorleben ist zu einem Symbol geworden: für die ungelöste Atommüll-Frage, ...
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… für politische Intransparenz …
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... und für den Widerstand der Bevölkerung. Gorleben …
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… ist einer dieser Orte, deren Namen als Synonyme verwendet werden. Gorleben gleich Endlager. Dabei war die Gemeinde im Wendland …
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… nicht immer die erste Wahl für das Atomendlager. Der Geologie-Professor Gerd Lüttig, der in den 70er Jahren mit der Suche nach einem sicheren Standort beauftragt wurde, hielt den Salzstock Gorleben damals nur für bedingt geeignet. Auf seiner Liste der möglichen Deponien standen andere Salzstöcke ganz oben. Die Entscheidung für Gorleben …
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… habe der damalige Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Ernst Albrecht (links im Bild), getroffen, weil die Gemeinde an der Grenze zur DDR lag und die Gegend nur dünn besiedelt war. In einem Fernsehinterview erzählte Lüttig vor kurzem, …
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… dass er Albrecht damals darauf hingewiesen habe, dass Gorleben gar nicht auf seiner Liste stehe. Er habe geantwortet: "Das macht nichts, das ist jetzt eine politische Entscheidung."
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Recherchen der Umweltorganisation Greenpeace haben ergeben, dass die Benennung Gorlebens zum Standort für ein nukleares Entsorgungszentrum im Jahr 1977 innerhalb weniger Wochen erfolgte.
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Originaldokumente ergäben, dass Gorleben nachträglich in das Untersuchungsverfahren gelangte – per handschriftlicher Ergänzung. Greenpeace kämpft seit Jahren darum, dass das Endlager Gorleben aufgegeben und nach Alternativen gesucht wird.
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Aber seitdem im Februar 1977 Gorleben als Standort für ein komplettes atomares Entsorgungszentrum - inklusive Endlager, Zwischenlager und Aufbereitungsanlage - präsentiert wurde, werden andere Möglichkeiten kaum in Betracht gezogen. Zusätzliche Untersuchungen an anderen Orten würden Geld und Zeit kosten, aber vor allem …
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… fürchten Politiker den Widerstand aus den betroffenen Regionen. Gorleben hat gezeigt, dass Bürger bereit sind, über Jahrzehnte gegen eine Sache zu kämpfen, die sie ablehnen.
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Manche können die Aufregung nicht verstehen - so wie ein Atombefürworter, der sich 1978 bei einem Kongress beklagte, dass die Endlagerfrage so aufgebauscht werde, "als ob diese Frage das Wesentliche des ganzen Kernenergieprozesses" sei.
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Man frage schließlich auch nicht: "Hast du schon ein Grab für deine Frau und deine zukünftigen Kinder besorgt?". Offensichtlich sehen das viele anders. 1979 zogen ...
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... mehr als 100.000 Gorleben-Gegner in einem "Treck nach Hannover". Daraufhin wurde der Gorleben-Plan etwas abgespeckt, eine Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoffe sollte nun nicht mehr gebaut werden. Gorleben blieb aber weiter der geplante Standort für ein Zwischen- und Endlager.
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Doch der Protest ging weiter - und gestaltete sich sehr kreativ. 1980 richteten sich Aktivisten auf einer Tiefbohrstelle bei Gorleben ein Anti-Atom-Dorf ein, in dem sie …
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… mehrere Wochen lebten, bevor die Polizei das Gelände räumte. Die Castor-Transporte …
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… aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague in das Zwischenlager Gorleben wurden immer wieder von Demonstranten behindert.
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Sitzblockaden, …
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… Aufmärsche …
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… und das Anketten an Gleise sind friedliche Methoden des Protests. Teilweise greifen die Atomkraftgegner aber auch …
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… zu gewaltsamen Mitteln. Die Demonstrationen gegen Gorleben sind ein ewig wiederkehrendes Thema in Medien und Politik. Als einen Erfolg feierten die Demonstranten zunächst die Tatsache, …
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… dass die rot-grüne Bundesregierung die Untersuchung und Erkundung des Salzstocks Gorleben, die 1983 begann, im Jahr 2000 stoppte. Der damalige Umweltminister Jürgen Trittin (hier bei einer Gorleben-Besichtigung 1999) und sein Nachfolger …
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… Sigmar Gabriel plädierten dafür, eine neue Suche nach etwaigen Endlagern zu starten. Neben Salz sollte auch Granit als mögliche Ummantelung des radioaktiven Mülls untersucht werden.
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Doch die von der Union geführten Länder Bayern und Baden-Württemberg, die im Fokus einer neuen Untersuchung stehen sollten, wehrten sich genauso gegen die Pläne wie die Atomindustrie, die bereits 1,5 Milliarden Euro in die Gorleben-Untersuchung investiert hat.
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Kritiker merken an, dass es deutlich teurer sein könnte, die Gorleben-Untersuchung mit unklarem Ergebnis fortzusetzen als sofort nach Alternativen zu forschen. Doch die schwarz-gelbe Bundesregierung um Umweltminister Norbert Röttgen hat sich offenbar festgelegt.
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Ab Oktober soll die Prüfung des Standortes Gorleben nach zehnjähriger Pause wieder aufgenommen werden. Weil sich Grundbesitzer wie Andreas Graf von Bernstorff weigern, die Rechte für die Erkundung des Salzstocks abzutreten, erwägt die Bundesregierung …
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… eine Enteignung. Kirchen, Bürger und die Opposition haben bereits Widerstand dagegen angekündigt.
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Was bei einer weiteren Untersuchung des Salzstocks herauskommt, ist unklar. Der Geologe Volkmar Bräuer von der Bundesanstalt für Geowissenschaften sagt, das Salz in Gorleben sei in guter Verfassung.
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Die Salzformationen dort seien 250 Millionen Jahre alt und hätten schon Eiszeiten überdauert. Allerdings sagt Bräuer auch: "Ein ideales Endlager gibt es bisher nicht." Kritiker sehen insbesondere das Problem, dass der Salzstock …
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… nicht wasserdicht ist. Akten aus Bundes- und Landesbehörden, die Greenpeace im Internet veröffentlicht hat, belegen, dass sich im Erkundungsbereich des Salzstocks eine Million Kubikmeter Wasser angesammelt haben. Die Politik habe diese Informationen, die bereits aus den 90er Jahren stammen, absichtlich zurückgehalten.
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Schon 1983, so der Vorwurf von Oppositionspolitikern und Umweltaktivisten, habe die Regierung unter Helmut Kohl bei ihrer Entscheidung, ausschließlich den Salzstock Gorleben zu erkunden, wissenschaftliche Bedenken ignoriert. Die Vorwürfe prüft derzeit ein Untersuchungsausschuss.
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Wie es mit Gorleben und der Endlager-Frage weitergehen wird, weiß niemand. Klar ist nur eins: Das Thema wird uns und vielen tausend weiteren Generationen erhalten bleiben. Denn das Endlager, …
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… so steht es in den "Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle" des Bundesumweltministeriums, muss den nuklearen Müll eine Million Jahre lang sicher einschließen. (Text: Leonard Goebel)
Das Unwort-Dorf Gorleben wird wieder untersucht
Seit mehr als dreißig Jahren plant man, in Gorleben ein Atom-Endlager zu errichten. Seit mehr als dreißig Jahren kämpfen Aktivisten, Bürger und Politiker dagegen an. Nach einer zehnjährigen Pause soll der Standort Gorleben nun wieder erkundet werden.
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