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In der Geschichte der Bundesrepublik hat Heide Simonis für immer einen besonderen Platz.
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Am 19. Mai 1993 wählt der Landtag in Kiel die SPD-Politikerin zur ersten deutschen Ministerpräsidentin.
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Fast zwölf Jahre lang regiert die gebürtige Bonnerin Schleswig-Holstein, ...
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... bevor ein Abweichler sie stürzt.
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Er oder sie verweigert ihr bei der Ministerpräsidentenwahl am 17. März 2005 in vier spektakulären Durchgängen die Stimme und beendet so abrupt ihre Karriere.
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Millionen verfolgen das Drama am Fernseher.
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Gut 18 Jahre nach ihrer schwersten Niederlage und nur wenige Tage nach ihrem 80. Geburtstag stirbt Simonis am 12. Juli 2023 zu Hause in Kiel.
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Die Sozialdemokratin litt seit Jahren an Parkinson.
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Ihren letzten großen öffentlichen Auftritt hat sie am 30. Juni 2014: Unter Beifall vieler alter Weggefährten verleiht der damalige Ministerpräsident Torsten Albig ihr die Ehrenbürgerwürde Schleswig-Holsteins.
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Als erste Frau nach fünf Männern wird sie auf diese Weise ausgezeichnet.
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"Du musstest immer ganz besonders kompetent sein, ganz besonders klug, besonders überzeugend, besonders durchsetzungsstark", sagt Albig über die konfliktfreudige und zugleich harmoniebedürftige Frau.
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Vor ihren Einstieg in die große Politik ist die diplomierte Volkswirtin in der großen Welt unterwegs.
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Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre lehrt Simonis Deutsch in Sambia, bevor sie in Japan für einen deutschen Hersteller Büstenhalter verkauft.
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Dann macht sie als Bundestagsabgeordnete und Landes-Finanzministerin Karriere.
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Eine Kanzlerin oder eine Verteidigungsministerin ist noch ziemlich undenkbar, als Simonis 1993 Regierungschefin in Kiel wird.
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Sie löst damals Björn Engholm ab, der an Spätfolgen des Barschel-Skandals von 1987 scheitert.
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Die streitbare Sozialdemokratin trägt mit Gegnern und Parteifreunden viele Kämpfe aus und holt sich manche Schramme.
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Sie steht für Frauenpower, das Soziale in der Politik, ...
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... und - zunächst widerwillig - für Rot-Grün.
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Ungern schluckt sie 1996 nach vorheriger SPD-Alleinregierung die "grüne Kröte".
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Simonis bringt Schleswig-Holstein auf Modernisierungskurs, ...
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... doch die Finanzen laufen ihr aus dem Ruder.
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Der Norden wird das Flächenland mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung.
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Im Bund scheitert Simonis, über die zeitweise als mögliche Bundespräsidentin oder Kanzlerin spekuliert wird, öfter.
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Mit Plänen für eine höhere Mehrwert- oder Erbschaftsteuer stößt sie auf Granit, ...
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... mit einem Alleingang zur "Entbeamtung" bei Lehrern auch.
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Nachdem Gerhard Schröder 1998 Kanzler wird, hofft Simonis auf einen Aufstieg in die Bundespolitik, doch dazu kommt es nicht.
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"Wenn man gelegentlich mit ihr telefoniert, kriegt man schon das Zittern", sagt Schröder einmal.
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"Ich glaube, ich bin streitsüchtiger als er", mutmaßt sie.
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An ihrer flotten Zunge verbrennt sich die Trägerin des Karnevalsordens "Wider den tierischen Ernst" öfter.
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So nennt sie Helmut Kohl den "Dicken" oder Rudolf Scharping (l.) in einer Hintergrundrunde einen "Autisten".
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Nach der knapp verlorenen Landtagswahl 2005 verweigert Simonis sich einer großen Koalition.
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Sie will mit einer rot-grünen Minderheitsregierung weitermachen - unterstützt vom Südschleswigschen Wählerverband, der Partei der dänischen und friesischen Minderheit.
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Das böse Wort von "Pattex-Heide", die an ihrem Posten klebe, macht die Runde.
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Dann muss sie doch den Stuhl für ihren CDU-Rivalen Peter Harry Carstensen räumen.
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Der Schock über den Abweichler sitzt tief.
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"Ich habe eine solch persönlich verletzende Situation noch nie erlebt."
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In der SPD-Fraktion spricht die passionierte Hutträgerin vom "hinterhältigen Dolchstoß".
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Es fällt ihr spürbar schwer, sich an ein Leben ohne politische Macht und große tägliche Aufmerksamkeit zu gewöhnen.
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Als Deutschland-Vorsitzende von Unicef findet Simonis ein neues Betätigungsfeld.
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Doch eine Vertrauenskrise beim Kinderhilfswerk zwingt sie Anfang 2008 zum Rücktritt.
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Bereits 2006 erregt sie öffentliches Aufsehen mit Auftritten, die sie später bereut.
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Für Tanzeinlagen in der RTL-Show "Let's dance" wird sie als "Hoppel-Heide" verspottet.
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Respekt vor ihrer Leistung als erster Regierungschefin versagt ihr aber kaum jemand.
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Wegen ihrer Schlagfertigkeit ist die Schnellsprecherin beliebter Gast in Talkshows.
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Dass nach ihr mehr Frauen Spitzenposten in der Politik erobern, freut sie.
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"Sie treten nicht so nach und hauen nicht so drauf wie Männer."
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In ihrer mit Flohmarkt-Eroberungen übersäten Kieler Altbauwohnung fertigt Simonis Quilts - Patchwork-Decken.
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1967 heiratet sie den Umwelt-Professor Udo Simonis.
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Er nennt sie liebevoll sein "Heidchen".
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Die Ehe bleibt kinderlos.
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In ihrer Freizeit setzt sich die Verehrerin der Opernsängerin Maria Callas ans Klavier; Gesangstunden nimmt sie noch als 70-Jährige.
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Simonis schreibt Bücher, engagiert sich für soziale Projekte, Klinik-Patienten und den Sängerbund.
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Noch als Regierungschefin trifft sie die Diagnose Brustkrebs.
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"Als das fünfte Jahr vorbei war und ich endlich die Medikamente absetzen durfte, habe ich mir gesagt: 'Das hast du geschafft'", sagt Simonis 2008.
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"Ich sah mich wieder auf der Siegerstraße."
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Zehn Jahre später kann sie von der Krankheit gezeichnet ihren 75. Geburtstag bereits nur noch im kleinen Kreis in ihrer Kieler Wohnung begehen. Als Geschenk bringt der damalige SPD-Bundesvize Ralf Stegner die Willy-Brandt-Medaille mit, die höchste Auszeichnung der Partei. (jpe/dpa)
Politikerin stirbt mit 80 Jahren Heide Simonis - Deutschlands erste Ministerpräsidentin
Als Heide Simonis 1993 Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein wird, sind Frauen in der Politik noch eine Rarität. Zwölf Jahre regiert sie das nördlichste Bundesland, ehe eine spektakuläre Abstimmung ihre Karriere abrupt beendet. Nun ist Simonis im Alter von 80 Jahren gestorben.
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