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Es ist ein denkwürdiger Moment, als Günter Schabowski am 9. November 1989 vor die internationale Presse tritt. Der Regierungssprecher der DDR verliest eine neue Reiseregelung, nach der jeder ostdeutsche Bürger ohne Voraussetzungen aus dem Land ausreisen darf. "Ab wann?", hakt ein Journalist nach.
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Schabowski blättert in seinen Papieren. Er hat keine Ahnung. SED-Generalsekretär Egon Krenz hat ihm die Blätter erst kurz vor der Pressekonferenz in die Hand gedrückt. Doch die Journalisten lassen nicht locker. Dann sagt er: ...
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... "Das tritt nach meiner Kenntnis ..." Er macht eine Pause. "... ist das sofort, unverzüglich." Eine unglaubliche Nachricht, die ...
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... sich wie ein Lauffeuer unter DDR-Bürgern, aber auch in West-Berlin verbreitet.
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In Ost-Berlin machen sich mehr und mehr Menschen auf den Weg zu den innerstädtischen Grenzübergängen. Vor allem an der Bornholmer Straße wächst die Menschenmenge auf der Ostseite für die von der Situation überraschten Kontrolleure bedrohlich an.
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Lautstark fordert die Menge immer energischer im Chor: "Tor auf! Tor auf!
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Für die Grenzoffiziere ist die Situation nicht mehr unter Kontrolle zu bringen. "Wir fluten jetzt! Wir machen alles auf", lautet ihre letzte Nachricht an die Zentrale, mit der sie sich gegen die Anweisungen widersetzen.
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Tausende Menschen strömen unkontrolliert in die Grenzanlage, überrennen die Kontrolleinrichtungen und laufen über die Brücke.
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Auf der West-Berliner Seite werden sie von Verwandten, Freunden oder einfach nur Neugierigen und Anwohnern begeistert begrüßt. Es ist die erste Grenzöffnung - ...
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... bis Mitternacht werden dann die Schlagbäume an allen Berliner Übergängen geöffnet.
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Bis in die Morgenstunden feiern die Berliner aus beiden Teilen der Stadt ihr Wiedervereinigungsfest.
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Mit Vorschlaghammer ...
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... oder Meißel machen sich bereits in der Nacht die Ersten an der Mauer zu schaffen, um ...
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... das Symbol für die Teilung Deutschlands nach 28 Jahren niederzureißen.
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Dass in der Nacht des 9. zum 10. November die Berliner den ersten Schritt zur Wiedervereinigung Deutschlands einläuten, ...
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... können sich einige Monate zuvor nur die wenigstens vorstellen.
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Noch Anfang des Jahres ist sich SED-Generalsekretär Erich Honecker sicher: "Die Mauer wird [...] in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben." Doch er hat nicht damit gerechnet, dass sich die außen- und innenpolitischen Existenzbedingungen der DDR in nur wenigen Monaten radikal ändern werden.
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Ein Schlüsselereignis findet bereits kurz nach Honeckers Aussage statt: Am 5. Februar erschießen Grenzsoldaten den 20-jährigen Chris Gueffroy bei dem Versuch, über die Berliner Mauer nach West-Berlin zu fliehen. Oppositionelle machen den Mord an Gueffroy in einem "offenen Brief an die Bevölkerung der DDR" bekannt.
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Die westlichen Alliierten verfassen eine "Protestnote". Sie fordern, "dass die Verantwortlichen diesem Verbrechen ein Ende setzen". Die Bundesregierung sieht eine "ernste und nachhaltige Belastung" für die Beziehung beider deutscher Staaten.
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Honecker beugt sich dem internationalen Druck nach der Erschießung Gueffroys und gibt die Anweisung, an der Grenze nicht mehr zu schießen. Gueffroy ist der letzte Mensch, der an der Berliner Mauer sein Leben lassen muss.
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Nur einen Monat später bekommt der "Eiserne Vorhang" in Europa erste Risse. Ungarns Regierung kündigt den Abbau der Grenze nach Österreich an. Schon im Oktober 1988 hatte der ungarische Staatsminister Imre Pozsgay die Grenze als "historisch, politisch und technisch überholt" bezeichnet.
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Ab da fliehen immer mehr DDR-Bürger über Ungarn und andere Ostblockstaaten in den Westen. Die Protestwelle in der DDR bringt allerdings ein anderes Ereignis ins Rollen:
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Am 7. Mai überführen unabhängige Bürgergruppen, die die Stimmenauszählung in den Wahllokalen überwachen, die SED der Fälschung der Kommunalwahlergebnisse. Der Wahlbetrug treibt in Leipzig rund 1000 Demonstranten auf die Straße - der Beginn der friedlichen Revolution.
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Michail Gorbatschow, der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, reist im Sommer in die Bundesrepublik. Auf seiner Deutschland-Reise unterzeichnet er elf Verträge, die die Beziehung und Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und Deutschland erleichtern sollen. In einem Interview sagt er: "Die Mauer kann wieder verschwinden, wenn die Voraussetzungen entfallen, die sie hervorgebracht haben."
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Die Ausmaße der wirtschaftlichen Probleme in der DDR werden derweil immer sichtbarer: Der Zustand der Industrieanlagen, die Bausubstanz der Altstädte, der Straßen sowie Luft- und Wasserverschmutzung belegen dies. Auch Versorgungsmängel sind Zeugnis der Misswirtschaft.
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In mehreren diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik im Ostblock, unter anderem in Budapest und Ost-Berlin, halten sich im Sommer 1989 viele DDR-Bürger auf, die ihre Ausreise in den Westen erzwingen wollen.
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Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, die von rund 130 DDR-Bürgern besetzt ist, wird im August geschlossen: Die Kapazitätsgrenze ist erreicht.
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Am 4. September finden zum ersten Mal die Montagsdemonstrationen statt. Rund 1000 Menschen versammeln sich in Leipzig und fordern Freiheit und mehr Rechte. Die Sicherheitskräfte reagieren mit Gewalt.
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Die ungarische Regierung öffnet in der Nacht zum 11. September die Grenze zu Österreich für DDR-Bürger. Gleichzeitig kündigt sie das gegenseitige Abkommen mit der DDR von 1969, das beiden Ländern untersagte, Staatsbürger des jeweils anderen Landes in den Westen ausreisen zu lassen. Zehntausende DDR-Bürger reisen in den nächsten Tagen und Wochen über Österreich in die Bundesrepublik aus.
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Nach Verhandlungen mit der UdSSR und der DDR verkündet der bundesdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher am 30. September in Prag die Ausreiseerlaubnis für etwa 6000 Flüchtlinge. "Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ..." Der Rest geht im Jubel der Menge unter.
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Einen Monat vor dem Mauerfall feiert sich die DDR zum letzten Mal selbst: In Berlin findet die zentrale Festveranstaltung zum 40. Jahrestag der DDR-Gründung statt. Am Nachmittag treffen sich Tausende Menschen am Alexanderplatz, um gegen das Regime zu demonstrieren. Zur gleichen Zeit trifft Erich Honecker Michail Gorbatschow im Schloss Niederschönhausen.
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Die Demonstranten skandieren auf dem Weg zum Palast der Republik "Gorbi, hillf uns!". Sicherheitskräfte zerschlagen gewaltsam die Demonstration.
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In Leipzig rufen die Menschen "Wir sind das Volk". An der Montagsdemo nehmen knapp 75.000 Demonstranten teil. Im Gegensatz zu Berlin wagt die SED-Führung hier nicht, den Massenprotest gewaltsam aufzulösen. Die Protestwelle scheint zu diesem Punkt unaufhaltsam zu sein.
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Eine Woche später wird erneut in Leipzig demonstriert. Diesmal kommen mehr als 100.000 Menschen zusammen. Sie fordern abermals freie Wahlen sowie Reise-, Presse- und Meinungsfreiheit. Auch parallele Demonstrationen mit rund 10.000 Teilnehmern in Dresden und Magdeburg, 5000 in Halle und 3000 in Berlin verlaufen friedlich.
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Daraufhin tobt ein erbitterter Machtkampf im SED-Politbüro und endet am 17. Oktober mit dem Sturz Honeckers.
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Egon Krenz löst ihn als SED-Generalsekretär ab und kündigt eine "Wende" an. Teil der Wende sollen neue Reisebestimmungen sein.
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Für mehr Freiheiten und Demokratie demonstrieren am 4. November Hunderttausende, nach Angaben der Veranstalter sogar eine Million Menschen friedlich auf dem Alexanderplatz in Ost-Berlin.
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Sie fordern Reformen, freie Wahlen und Meinungsfreiheit.
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"Deutsche Einheit", "Das Volk sind wir. Gehen solltet ihr", "Eure Politik ist zum davonlaufen" steht auf Transparenten und Spruchbändern.
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Es ist die größte offiziell genehmigte Massendemonstration in der Geschichte der DDR. Künstler, Kulturschaffende und Theatermitarbeiter haben sie organisiert.
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Auf der Rednerliste stehen nicht nur Regimekritiker und Bürgerrechtler, sondern auch SED-Mitglieder wie der Ex-Stasi-General Markus Wolf.
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Doch die DDR-Oberen ernten lautstarke Pfiffe und Buhrufe. Sie haben hier nichts mehr zu melden. Dennoch bleibt es während der ganzen Veranstaltung friedlich - ...
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... vielleicht auch, weil niemand zur Mauer geht. Das geschieht erst fünf Tage später nach Schabowskis historischer Pressekonferenz.
30 Jahre Mauerfall Wie der 9. November Deutschland einte
"Ab sofort, unverzüglich" - mit diesen Worten bringt der DDR-Regierungssprecher Schabowski vor 30 Jahren die Berliner Mauer zu Fall. Gewackelt hat das Symbol für die Teilung Deutschlands allerdings schon viel früher.
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