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Dass der Verlag "Icons of Street Art" als Kunstbildband ankündigt, ist nur folgerichtig. Denn Streetart hat sich auch jenseits von Banksy längst im Kunstbetrieb etabliert. (Bild: "Take your mask off" von Nomen im portugiesischen Loures)
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Puristen freilich rümpfen die Nase. Ihrer Meinung nach gehört diese Kunst nicht in Galerien, sondern dorthin, wo sie entstanden ist: nach draußen, auf die Straße, auf Häuser und Mauern, wo sie das urbane Leben bereichern kann. ("Turn Coat" von D*Face in Paris)
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Dort hat der Fotograf Michael Harker nach Streetart gesucht - und sie in ihrer vielleicht spektakulärsten Form gefunden: als großformatige Wandmalerei. Seine Fotografien von Murals in Berlin und Wien, Paris und Lissabon, London und New York versammelt er in dem Buch "Icons of Street Art" (Kunth Verlag, gebunden, Deutsch und Englisch, 68 Euro, ISBN 978-3-95504-928-7).
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Natürlich bildet auch dieser voluminöse, 288-seitige Band nur einen Ausschnitt dieser Kunstform ab, die Suzanne Bäumler im Vorwort wegen ihrer Öffentlichkeit und gesellschaftlichen Wirkung als "demokratischste Kunst unserer Zeit" bezeichnet. Gleichwohl versucht Harker, verschiedene Herangehensweisen und Techniken der Wandmalerei darzustellen. (Kollaboration von Telmo Miel und James Bullough in Berlin aus dem Jahr 2018)
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Was den Band auszeichnet: Er reiht nicht - wie andere Werke über Streetart - wahllos Bilder von Graffiti-Kunstwerken aneinander, sondern versucht sich an einer Einordnung und damit an einer gewissen Interpretation. ("High Hopes" von Sainer in Paris)
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Einerseits versammelt Harker Werke mit ähnlichen Inhalten in einzelnen Kapiteln - und zeigt damit, dass gewisse Motive und Themen sich wie ein roter Faden durch die Arbeit verschiedener Künstler in verschiedenen Städten ziehen. Andererseits stellt er vier Künstler, die ihm offenbar besonders am Herzen liegen, in eigenen Abschnitten vor. (Werk von Fábio Carneiro im portugiesischen Aveiro)
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Die Kapitel befassen sich mit Themen wie "Lebensraum", also dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur, hier Bezt mit dem Werk "Fischerin" in Wien.
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"Großstadtdschungel" zeigt verschiedene Darstellungen wilder Tiere inmitten der Häuserschluchten, hier "Art is not dead!" von Marko 93 in Paris.
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Auch das Kapitel "Zwei Elemente" zeigt, wie wichtig Themen wie Natur und Umwelt in der Streetart sind - gerade als Kontrapunkt zum oft tristen Aussehen der Fassaden. Luft und Wasser stehen dabei oftmals für Freiheit. Fábio Carneiro hat im portugiesischen Aveiro einen Tintenfisch verewigt.
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Doch auch Menschen prangen an den Wänden - mal als Vorbilder und Idole, mal als Abbilder des Alltags der Anwohner. Das Kapitel "Paare" zeigt etwa Werke des österreichisch-französischen Duos Jana & JS. Sie stellen sich immer wieder als Fotografen dar, die scheinbar die Umgebung beobachten, wie hier in Paris. Der Betrachter des Werks ist damit gleichzeitig Beobachter als auch Beobachteter.
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Das Kapitel "Frauen" widmet sich der Darstellung weiblicher Figuren, mal verspielt und witzig, mal fantastisch und enthoben, mal abstrakt, mal realistisch. Oder morbide, wie "Santa Muerte" des Künstlers Andrew Wallas in Vitry-sur-Seine, einem Vorort von Paris.
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In "Urbane Projekte" zeigt Fotograf Harker wiederum Werke, die im Rahmen von Festivals entstanden sind und sich damit von vornherein aufeinander beziehen. Diese mystisch anmutende Wandmalerei des Ecuardorianers Steep entstand etwa 2017 in Lissabon, als die Stadt Kulturhauptstadt Iberoamerikas war, und Künstlern der Ländergruppe die Möglichkeit bot, Wände im Viertel Marvila zu gestalten.
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Es sind solche Details und Erklärungen, die Harkers Buch von anderen Streetart-Bänden abheben. Ihm geht es nicht um die bloße Darstellung bunter Fassaden, sondern um das tiefere Eintauchen in eine äußerst vielfältige Kunstform. Auch wenn nicht jeder Künstler vorgestellt werden kann, bemüht sich Harker doch um ein tieferes Verständnis für diese oft vergänglichen Werke (hier eine Schlange von SFHIR im portugiesischen Guarda).
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Dazu gehört auch, dass der Fotograf zwar oft versucht, die gesamte Wand darzustellen - was oft schwierig genug ist -, er aber ebenfalls darauf bedacht ist, die Umgebung des Werks einzubinden, also die Wohnblocks, Straßen und Betonwüsten, in denen die Murals entstanden sind. Das zeigt sich auch im Kapitel "Solitäre Wände", das besonders große Wandmalereien zeigt, wie dieses Werk von Millo in Wien.
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Solche überlebensgroßen Bilder prägen mitunter ganze Straßenzüge und damit in gewisser Weise auch die Identität der Bewohner. Oft geht es dabei um den Ausbruch aus dem Alltag, wie Harker im Kapitel "Märchen und Spiel" zeigt - hier ein Werk von Doudou Style in Paris.
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Andererseits hat Streetart oft auch den Anspruch, gesellschaftliche Entwicklungen zu kommentieren. Im Kapitel "Politik" findet sich etwa dieses Graffiti von BKFoxx von 2018 in London. "Leaving Is The Easy Way Out" lässt sich unschwer als Anspielung auf den Brexit deuten.
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Immer wieder setzt sich auch das Künstler-Duo Herakut mit gesellschaftlichen und sozialen Themen auseinander. Ein Beispiel: Ihr Werk "Wenn ich wüsste, dass die Welt morgen untergeht, würde ich heute einen Apfelbaum pflanzen" an der Greifswalder Straße in Berlin - das Zitat Martin Luthers ist auf dem Kleid in vielen verschiedenen Sprachen zu lesen.
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Diese Auseinandersetzung mit der Gegenwart verleiht der Streetart Relevanz. Und natürlich darf ihr bekanntester Vertreter Banksy in dem Band auch nicht fehlen: Er ist im Kapitel "Ikonen der Kunst" mit seiner Anspielung auf das Gemälde "Bonaparte beim Überschreiten der Alpen am Großen Sankt Bernhard" vertreten, das er 2018 in Paris schuf.
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Doch es ist nicht Banksy, dem Fotograf Harker ein eigenes Kapitel widmet, sondern vier andere Künstler mit ganz eigener Handschrift. So setzt der Portugiese Bordalo II seine Tierfiguren aus Schrottteilen zusammen. Ein bekanntes Beispiel ist der "Fröhliche Tucan", der von der Warschauer Straße in Berlin aus zu sehen ist.
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Der Belgier ROA ist ebenfalls bekannt für seine großformatigen Tierdarstellungen, die allerdings schwarz-weiß gehalten sind und mitunter verstören. Oft stellt der Künstler Wildtiere dar, die den urbanen Raum für sich erobern, wie diese Ratte in London.
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Eine weniger bekannte Streetart-Technik ist das Herausbrechen von Putz und Mauerwerk, um so ein Bild entstehen zu lassen. Der Portugiese Vhils wendet diese Technik seit Jahren an - mit dem Presslufthammer - unter anderem für sein Projekt "Scratching the Surface" in London. Das hier gezeigte Porträt entstand dagegen in Lissabon. Inzwischen wurde das Gebäude allerdings abgerissen.
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Weit filigraner geht der Franzose Seth zu Werke. Seine von Manga inspirierten Bilder sind bunt und phantasiereich, sie laden zum Träumen ein, wie dieses Wandgemälde in Paris aus dem Jahr 2013.
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All diese Künstler sind international bekannt und vernetzt. Denn Streetart lebt vom Austausch zwischen Ländern und Kulturen. Doch obwohl sie in etlichen großen und kleinen Städten der Welt zu finden ist, gibt es ein paar legendäre Orte, die zum Mekka für Graffiti-Fans geworden sind. Harker zeigt einige davon zum Abschluss seines Bandes. Natürlich darf "5 Pointz" in New York nicht fehlen, …
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… oder das Kunstprojekt Crono in Lissabon, bei dem etliche Fassaden verlassener Häuser bemalt wurden - hier von den brasilianischen Zwillingen Osgemeos.
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Orte wie diese zeigen, wie groß die Welt der Streetart eigentlich ist: Es gibt unzählige, oftmals unbekannte Künstler, verschiedenste Stile und Techniken und kaum einen Ort auf der Erde, der nicht durch etwas Kunst auf Mauern oder Wänden bereichert werden könnte. Harker zeigt einen kleinen Ausschnitt dieser Welt - und doch ist sein Bildband "Icons of Street Art" reich an Eindrücken und Phantasie.
Ikonen der Wandmalerei "Die demokratischste Kunst unserer Zeit"
Ja, Banksy kommt auch vor im Bildband "Icons of Street Art". Aber nur am Rande. Und das ist auch gut so. Denn die Welt der Straßenkunst ist groß, sehr groß. Vor allem in den Wandmalereien, die Fotograf Michael Harker weltweit fotografiert hat. Ein Blick lohnt sich.
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