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Schlechtes Essen im Krankenhaus "Aktuell soll die Ernährung billig, nicht gesund sein"

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"Der Wareneinsatz beträgt pro Patient und Tag nur etwa 4 Euro", - so Dr. Bischoff.

"Der Wareneinsatz beträgt pro Patient und Tag nur etwa 4 Euro", - so Dr. Bischoff.

(Foto: IMAGO)

Krankenhausessen muss nicht wie im Restaurant schmecken, sollte aber zumindest gesund sein und satt machen. Ist das nicht der Fall, verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand und ihre Chancen auf Genesung und Rehabilitation nach der Behandlung. Der neue Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), Gert Bischoff, deutet im Gespräch mit ntv.de an, dass Krankenhäuser versuchen zu sparen, wo immer sie können, auch in der Küche.

ntv.de: Warum wird in Krankenhäusern kein hochwertiges Essen angeboten?

Dr. med. Gert Bischoff ist neuer Präsident der DGEM.

Dr. med. Gert Bischoff ist neuer Präsident der DGEM.

(Foto: privat)

Gert Bischoff: Das System bietet Krankenhäusern keinen Anreiz, ein besonders gutes oder gesundes Essen bereitzustellen. Aktuell soll es möglichst billig sein. Qualität und Nachhaltigkeit des Essens spielen leider eine sehr untergeordnete Rolle. Der Wareneinsatz beträgt pro Patient und Tag nur etwa vier Euro. Sie können sich vorstellen, wie schwierig es ist, hochwertige und nachhaltige Lebensmittel zu dem Preis zu besorgen.

Man kann aber auch mit günstigen Produkten gutes Essen kochen ...

Das stimmt, aber leider sind tierische Convenience-Produkte oft günstiger als eine regionale, saisonale, pflanzenbetonte Ernährung. Es wäre wichtig, dass Krankenhäuser Vorgaben bekommen, wie viel Geld pro Tag für Essen ausgegeben werden muss und nicht genutzte Mittel zurückerstattet werden. Doch da Krankenhäuser stark unterfinanziert sind, versucht jeder zu sparen, wo es nur geht, auch in der Küche. Es müssten den Krankenhäusern also zusätzliche Mittel für eine gesunde Verpflegung zur Verfügung gestellt werden.

Leidet die Genesung der Patienten unter dem Krankenhausessen?

Man geht davon aus, dass in Deutschland knapp 30 Prozent der stationär behandelten Patienten eine Mangelernährung haben. Aus einigen Studien wissen wir, dass das als Risikofaktor die Sterblichkeit wieder erhöht. Bei mangelernährten Patienten sinkt natürlich auch die Lebensqualität. Sie haben mehr Komplikationen, schlechte Wundheilung und müssen wegen Störungen häufiger wieder im Krankenhaus aufgenommen werden. Man geht auch davon aus, dass man nur gut 30 Patienten mit Mangelernährung im Krankenhaus erkennen und behandeln muss, um innerhalb von 30 Tagen einen Todesfall zu verhindern. Wenn Sie das hochrechnen, sterben in Deutschland jedes Jahr Tausende Patienten unnötigerweise an den Folgen ihrer Mangelernährung, weil sie im Krankenhaus nicht adäquat therapiert werden.

Warum gibt es dieses Problem in deutschen Krankenhäusern?

Sie müssen zwei Aspekte berücksichtigen: Zum einen das niedrige Budget für die Küche, zum anderen die eigentliche Ernährungstherapie, also die korrekte Behandlung von Patienten mit Mangelernährung. Dafür ist ein Ernährungsteam notwendig, das in der Regel aus einem Ernährungsmediziner oder einer Ernährungsmedizinerin und einer Ernährungsfachkraft wie einer Diätassistentin besteht. Umfragen zeigen, dass weniger als zehn Prozent der deutschen Krankenhäuser ein solches Team haben, weil es an finanzieller Unterstützung fehlt. Dadurch werden viele Patienten mit Mangelernährung nicht diagnostiziert oder behandelt.

Wie ist die Qualität der Mahlzeiten überhaupt geregelt?

Gar nicht. Es gibt Vorschriften für die Hygiene in der Küche und bei der Auslieferung des Essens, aber keine gesetzlichen Vorschriften, wie gesund das Essen sein muss. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat Vorschläge veröffentlicht, wie viel Obst und Gemüse das Essen enthalten und wie nachhaltig es sein sollte, aber die Krankenhäuser sind nicht verpflichtet, das umzusetzen.

Fördert die Bundesregierung eine bessere Ernährung in Krankenhäusern?

Zu Beginn des Jahres hat die Bundesregierung ihre Ernährungsstrategie veröffentlicht, die betrifft auch die Ernährung in Krankenhäusern. Ein zentraler Punkt sind Qualitätsverträge, die Krankenhäuser mit Krankenkassen treffen können. Krankenhäuser müssen Mangelernährung bei Patienten screenen, behandeln und dokumentieren, um eine zusätzliche Vergütung zu erhalten. Diese Maßnahme soll die Versorgung verbessern und wertvolle Daten für eine mögliche Standardisierung sammeln.

Wie kann man als Patient sicherstellen, dass ein Krankenhaus eine hohe Ernährungsqualität bietet?

Patienten mit Ernährungsproblemen können die Webseite Nutrizert besuchen. Dort werden Einrichtungen aufgeführt, die als qualifiziert und seriös gelten. Das ist die Idee dahinter: Stationäre Abteilungen, die das Nutrizert-Label erhalten möchten, müssen genau nachweisen, dass ihre Ernährung den wissenschaftlichen Vorgaben entspricht. Also alles, was wir unter einer guten Krankenhausernährung verstehen. Zudem müssen sie ein qualifiziertes Ernährungsteam vorhalten, um ernährungsmedizinische Probleme erkennen und behandeln zu können.

Wie viele Krankenhäuser sind bisher zertifiziert worden?

Aktuell stehen etwa 30 Krankenhäuser auf der Liste, aber die Nachfrage ist groß. Wir hoffen, dass es rasch mehr werden und wir ein flächendeckendes Angebot haben, sodass jeder in seiner Nähe etwas findet.

Wie gut ist die Qualität der Patientenversorgung in deutschen Krankenhäusern im Vergleich mit anderen Ländern?

Das ist eine gute Frage, die leider nicht leicht beantwortet werden kann, weil es dazu in Deutschland keine verlässlichen Daten gibt - weder was die Zahl der Ernährungsteams angeht, noch die Qualität des Essens. Wir kennen die Qualität unserer Krankenhäuser nicht. Wir wissen gar nicht genau, wie viele Ernährungsteams es überhaupt gibt. Aber es gibt natürlich Länder wie die Schweiz, wo ein Screening auf Mangelernährung verpflichtend ist. Das wird dort besser gemacht.

Und außerhalb von Europa?

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In Japan muss überall dort, wo Gemeinschaftsverpflegung stattfindet, eine Ernährungsfachkraft in der Küche vorhanden sein, also nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in der Kita oder der Kantine. Das ist dort gesetzlich geregelt.

Mit Gert Bischoff sprach Maryna Bratchyk

Quelle: ntv.de

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