Panorama

Der Fall Whitman Amoktat in Austin änderte vieles

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Whitman feuerte vom Uhrenturm der Universität.

(Foto: AP)

Vor genau 50 Jahren gab es in den USA einen verheerenden Amoklauf. 96 Minuten lang feuert ein 25-Jähriger auf dem Uni-Campus von Austin gezielt auf Menschen, 14 ermordet er. Die Tat ist bis heute einer schlimmsten Amokläufe der US-Geschichte.

Am 1. August 1966 fährt Charles Whitman kurz vor Mittag auf die Aussichtsplattform im 28. Stock des Uhrenturms der Universität von Texas in Austin. Er trägt ein halbes Dutzend Waffen bei sich. Um 11.48 Uhr feuert er den ersten Schuss ab. Er wird 96 Minuten lang auf die Menschen unter ihm zielen. 14 von ihnen werden sterben, 31 weitere wird er verletzen.

Seine Opfer sind bis zu fünfhundert Meter entfernt. Fast alle trifft der frühere Marine und geübte Schütze ins Herz. Einer schwangeren Überlebenden tötete er das ungeborene Kind im Bauch. Am Morgen hatte Whitman bereits seine Mutter und seine Ehefrau umgebracht. Dennoch bekommt er ein paar Tage später ein Militärbegräbnis und ein Grab mit Namen, obwohl Amokläufer üblicherweise anonym begraben werden. Als ehemaligem Soldaten stand Whitman diese Zeremonie zu. Für die USA ist es bis dahin einer der schlimmsten Amokläufe der Geschichte. "

Der 25-Jährige hat uns eine Ahnung davon vermittelt, dass ein Fremder jeden anderen überall zufällig töten könnte - sogar denjenigen, der an einem Sommertag auf dem Campus einer Universität herumläuft", beschreibt Journalistin Pamela Colloff von der "Texas Monthly" später das Gefühl nach der Tat. Bis heute verändert die Tat, die sich vor genau 50 Jahren ereignete, das Land.

Ähnlichkeit mit späteren Tätern

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14 Tote, 31 Verletzte, Whitman wird am Ende von der Polizei erschossen.

(Foto: AP)

Beispielsweise wurden Swat-Teams ins Leben gerufen. Die Abkürzung steht für "Special Weapons and Tactics", also "Spezielle Waffen und Taktiken" nutzende Einheiten. In Deutschland sind sie vergleichbar mit den Spezialeinsatzkommandos der Polizei. Der Rechtsprofessor Peter Kraska schätzt, dass Swat-Teams heutzutage in den USA zwischen 50.000 und 80.000 Mal im Jahr im Einsatz sind. Ihre Arbeit ist absolut notwendig, denn allein auf Schulgeländen und Campussen von Universitäten kommt es durchschnittlich ein Mal pro Woche zu einer Schießerei. Die Initiative "Everytown For Gun Safety" zählte seit 2013 190 Fälle, in denen an einer Schule ein Schuss aus einer Waffe abgefeuert wurde.

Orte wie Columbine, Sandy Hook und Virginia Tech sind mit ihren 13, 27 und 32 Toten zu Chiffren für das Gewaltproblem des Landes geworden. Doch Charles Whitmans Tat sollte noch ein weiteres Problem in das Licht der Öffentlichkeit rücken, dass die USA bis heute verfolgt: der Umgang mit psychisch Kranken. Seit dem Tod seiner Mutter im März 1966 hatte Whitman laut Zeugen psychische Probleme. Er sei sich sicher, dass mit seinem Gehirn etwas nicht stimme und wünsche sich eine Autopsie, sagte Whitman. Tatsächlich wurde nach seinen Morden ein Tumor in seinem Kopf gefunden. Einem Arzt hatte er sogar angekündigt, den Uhrenturm besteigen und von dort Menschen töten zu wollen. Der Psychiater verfolgte das nicht weiter.

Von heute aus betrachtet weist Whitmans Biografie viele Ähnlichkeiten mit späteren Tätern auf. "Obwohl sie oft intelligente und leistungsstarke Jungs sind, sehen ihre Altersgenossen sie als Verlierer, schwach und unmännlich", schreibt US-Autorin Katherine Newman in einem Buch über Massenschießereien an Schulen. "Sie werden in einer Schulkultur zurückgewiesen, die sportliche Fähigkeiten über akademische Leistungen stellt. Die Schützen sind selten Einzelgänger aus sich selbst heraus, sondern eher in Gruppen Gescheiterte."

Es ging einfach weiter

Aktuell befasst sich auch der preisgekrönte Dokumentarfilm "Tower" mit dem Amoklauf von Austin. Regisseur Keith Maitland erzählt die Geschichte mit Hilfe animierter Figuren. Hinzu kommt Originalmaterial aus Nachrichtensendungen sowie aktuelle Interviews mit den Überlebenden. Dabei wird deutlich, dass der Umgang damals ein anderer war. So seien viele Betroffene erst bei dem Filmprojekt dazu gekommen, über das Drama zu sprechen und dieses aufzuarbeiten. "Heute kommen nach solchen Ereignissen massenhaft Psychologen", sagt ein Überlebender. "Damals wurde die Uni einen Tag geschlossen. Das Blut wurde weggewischt und dann ging es weiter."

Bis heute streitet das Land darüber, ob in Bildungseinrichtungen Waffen verboten sein sollen. Schon am Tag der Tat wunderte sich der spätere Literaturnobelpreisträger J. M. Coetzee darüber, wie viele Menschen auf dem Campus in Austin Waffen trugen. "Sie besaßen sie nicht nur, sondern sie hatten sie auch bei sich und fühlten sich berechtigt, sie einzusetzen", erzählte der Südafrikaner vor einigen Jahren. Er war seinerzeit in Austin, um an seiner Doktorarbeit zu schreiben.

Da wirkt es wie Hohn, dass ausgerechnet zum Jahrestag nun in Texas ein neues Gesetz in Kraft tritt. Vor dem Hintergrund der vielen Schießereien in der jüngsten Zeit erlaubt es nun das Tragen von Waffen in Bildungseinrichtungen. Am 1. August 1966 hatten Zivilisten versucht, Whitman zu erschießen. Es gelang schließlich einem Polizisten.

Quelle: ntv.de, Christian Fahrenbach, dpa

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