Fünf Menschen starben Angeklagte weisen Vorwürfe nach tödlichem Garmischer Zugunglück zurück
28.10.2025, 16:50 Uhr Artikel anhören
Einer der Angeklagten mit seinen Anwälten zum Prozesauftakt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Marode Betonschwellen werden als Ursache für das Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen diagnostiziert. Doch die Mängel sind offenbar bereits vor dem Vorfall mit fünf Toten im Juni 2022 bekannt. Zwei Verantwortliche bei der Bahn stehen jetzt vor Gericht - und reagieren teils emotional auf die Anklage.
Im Prozess um das Zugunglück in Burgrain nahe Garmisch-Partenkirchen mit fünf Toten im Juni 2022 haben die beiden Angeklagten eine strafrechtliche Verantwortung für das Unglück bestritten. Der angeklagte Fahrdienstleiter Andreas M. sagte zu Prozessbeginn vor dem Landgericht München II, die Meldung eines Lokführers über Probleme an der Strecke am Vorabend des Unglücks habe er nicht so verstanden, dass eine sofortige Reaktion nötig sei. "Ich habe auch keine Schlagworte gehört, die sofortige Maßnahmen erforderlich machen."
Bei dem Zugunglück am 3. Juni 2022 starben vier Frauen und ein dreizehn Jahre alter Junge. Nach Anklage der Staatsanwaltschaft erlitten 72 Menschen teils schwere Verletzungen, nach einem Gutachten der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung wurden 78 Menschen verletzt. Unter den Verletzten waren an dem Freitag vor Beginn der bayerischen Pfingstferien viele Kinder und Jugendliche.
Der sichtlich bewegte M. räumte ein, dass ein Lokführer ihn am Vorabend auf einen "Schlenkerer" im Gleis hingewiesen habe. Diesen Hinweis habe er am anderen Tag weitergeben wollen. "Die Weitergabe habe ich versäumt, ich kann Ihnen leider Gottes nicht sagen, warum", sagte er unter Tränen.
Fahrdienstleiter vergisst Meldung
Seine einzige Erklärung sei, dass er als Folge seines starken Harndrangs nach einer Erkrankung an Prostatakrebs nach der Meldung zur Toilette gegangen und die Information dann "wie weggeblasen" gewesen sei - seine Notiz darüber sei unter anderen Unterlagen verschwunden gewesen. Erst als er am anderen Tag von der Katastrophe gehört habe, habe er sich wieder erinnert.
Der Verteidiger von M. sagte, die Nichtweitergabe der Meldung des Lokführers habe in strafrechtlichen Kategorien aber keine Relevanz. So seien auch nach der Meldung des Lokführers noch weitere 28 Züge an der Unglücksstelle vorbeigefahren, ohne dass etwas passiert sei.
Die Verteidiger zitierten zudem aus dem Gutachten der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung, laut dem die nicht erfolgte Meldung nicht unmittelbar relevant sei. In dem Gutachten heißt es, dass die Qualifikation eines Fahrdienstleiters nicht die Kompetenz zur Bewertung von Fahrwegmängeln beinhalte.
Betonschwellen führten zum Unglück
Der mitangeklagte Bezirksleiter Fahrbahn, Manfred S., sagte, "es tut mir sehr, sehr leid, dass ich das Unglück nicht verhindern konnte". Seit dem Unfall denke er jeden Tag, jeden Morgen nach dem Aufstehen darüber nach, was er hätte anders machen können. Den Angehörigen der Toten und den Verletzten sprach S. seine Anteilnahme aus.
Der Bezirksleiter der Bahn bestritt aber den Vorwurf der Anklage, dass die Probleme der für das Unglück verantwortlichen Betonschwellen von außen erkennbar gewesen seien und diese schon längst hätten ausgetauscht werden müssen.
Er habe die Entscheidung, dass für einen Austausch noch Zeit ist, auf die Befunde seiner Kollegen stützen müssen, sagte S.. Er habe sich damit zufriedengegeben, dass die betroffenen Schwellen in absehbarer Zeit getauscht werden. "Ich habe nicht gewusst, was im Gleis los war."
Auch der 58 Jahre alte S. bezog sich auf das Gutachten der Bundesstelle. Demnach lagen die Probleme der Betonschwellen in einer chemischen Reaktion im Inneren der Schwellen. Diese chemische Reaktion sei durch das bei der Bahn übliche Prozedere der Inaugenscheinnahme aber nicht zu erkennen gewesen. Nach dem Unglück hatte die Bahn Hunderttausende Schwellen austauschen lassen. Für den Prozess sind bisher 19 Verhandlungstage bis Mitte Januar angesetzt.
Quelle: ntv.de, lme/AFP