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12 Patienten ermordet? Angeklagter Arzt: "Ich habe niemals Infusionsbeutel vergiftet"

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"Ich weise alle Vorwürfe zurück", sagt Frédéric Péchier.

"Ich weise alle Vorwürfe zurück", sagt Frédéric Péchier.

(Foto: picture alliance / MAXPPP)

In Frankreich soll ein Anästhesist 30 Patienten vergiftet haben, zwölf von ihnen überleben nicht. Vor Gericht weist der Mediziner alle Vorwürfe zurück. Er sei Opfer eines Ärzte-Komplotts, gibt der Angeklagte zu Protokoll.

Als eine 36-jährige Mutter 2017 bei einer Routineoperation in Ostfrankreich einen Herzstillstand erleidet, nur mit Mühe wiederbelebt wird und tagelang im künstlichen Koma liegt, ergibt sich nach der Untersuchung des OP-Materials ein schwerwiegender Verdacht. Einer der verwendeten Infusionsbeutel ist durchstochen worden und darin befindet sich eine hundertfach erhöhte und lebensbedrohliche Dosis an Kalium.

Als die Ermittlungen ausgeweitet werden, kommen zahlreiche ähnliche Fälle potenzieller Vergiftungen ans Tageslicht. Und ein an der Klinik tätiger Anästhesie-Arzt wird unter Tatverdacht festgenommen. Gegen den 53 Jahre alten Arzt hat vor dem Schwurgericht im ostfranzösischen Besançon nun der Prozess begonnen. Nach achtjährigen Ermittlungen ist der Mediziner angeklagt, 30 Patienten vergiftet und 12 davon getötet zu haben.

Der Angeklagte soll als Anästhesist zwischen 2008 und 2017 an zwei Privatkliniken Patienten im Alter zwischen 4 und 89 Jahren vorsätzlich hochdosierte Giftstoffe verabreicht und damit jeweils einen Herzstillstand ausgelöst haben. Zwölf der Patienten starben. In 23 der Fälle soll der Angeklagte versucht haben, die Patienten wiederzubeleben.

"Ich bin unschuldig"

Vor Gericht bekommt der Angeklagte am Ende des ersten Verhandlungstages die Möglichkeit, sich erstmals kurz zu den zuvor während mehrerer Stunden detailliert vorgetragenen Vorwürfen zu äußern. "Ich weise alle Vorwürfe zurück. Ich habe niemals jemanden vergiftet, ich habe niemals die Infusionsbeutel vergiftet, ich bin unschuldig", sagt der Mediziner Frédéric Péchier, wie die Zeitung "L'Est Républicain" aus dem Gerichtssaal berichtet.

Als die Ermittlungen 2017 ins Rollen kamen, untersuchten die Ermittler zahlreiche Fälle in der Vergangenheit von Herzstillständen bei alltäglichen Operationen von eigentlich kerngesunden Menschen - und stießen immer wieder auf Spuren hoch dosierter Medikamente und Stoffe, die in den Infusionen der Patienten nichts zu suchen hatten. So starb ein 53-Jähriger bei einer Nieren-OP und eine 50-Jährige bei einem Eingriff an der Schulter. Vier tote Patienten wurden sogar exhumiert und Giftstoffe nachgewiesen.

"Nichts Vergleichbares in der französischen Justizgeschichte"

Als Motiv vermuten die Ermittler, dass der Anästhesist gezielt Patienten von Ärzten in Lebensgefahr brachte oder tötete, mit denen er in einen persönlichen Streit oder in eine Rivalität verwickelt war. Auf diese Weise habe er ihrem Ruf schaden und sie diskreditieren wollen.

Der Angeklagte selbst hat sich als Opfer eines Komplotts anderer Mediziner dargestellt, hinter dem ein mit ihm verfeindeter Arzt stecken soll. Wie er zu Prozessbeginn dem Sender RTL sagte, habe es während seiner Zeit an der Klinik 70 Fälle von Herzstillständen bei Operationen gegeben - die Justiz habe sich aber nur mit den Fällen beschäftigt, die einen Bezug zu ihm hätten.

"Es gibt nichts Vergleichbares in der französischen Justizgeschichte. Die Anklagepunkte gegen den Beschuldigten sind außergewöhnlich", sagte Etienne Manteaux, bis vor kurzem Staatsanwalt in Besançon, wie "L'Est Républicain" berichtete. "Um es klar zu sagen: Das hat nichts mit Sterbehilfe zu tun. Frédéric P. wird vorgeworfen, meist gesunde Patienten vergiftet zu haben, um Kollegen zu schaden, mit denen er Streitigkeiten hatte."

Mehr als 150 Nebenkläger

Dem Angeklagten, der seit Beginn der Ermittlungen nicht mehr als Arzt arbeiten darf, aber bis zum Start des Prozesses unter Justizaufsicht in Freiheit blieb, droht im Falle eines Schuldspruchs lebenslange Haft. Ein endgültiger Beweis in diesem Fall existiere nicht, analysierte die Zeitung. Die Anklage stütze sich vielmehr auf eine Reihe "schwerwiegender und übereinstimmender" Elemente, die für ein Schwurgerichtsverfahren ausreichten.

Bei dem für Frankreich bislang beispiellosen Prozess gibt es 156 Nebenkläger, die von 54 Anwälten vertreten werden. 155 Zeugen und 15 Experten sind geladen. Das Verfahren läuft bis zum 19. Dezember 2025.

Quelle: ntv.de, jpe/dpa

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