Panorama

Italien brennt Brandstiftungen bleiben lukratives Geschäft

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Wie hier in Cuglieri bleiben nach den Bränden nur Asche und Zerstörung zurück.

(Foto: CRONACHE NUORESI via REUTERS)

Seit Mitte Juni sind in Italien mehr als 20.000 Hektar Wald und Land in Flammen aufgegangen. 98 Prozent der Brände sind von Menschen verursacht, zeigt der Bericht einer Umweltorganisation. Die Gründe sind eindeutig.

Seit Wochen sind in Italien die Feuerwehrleute in ständigem Einsatz. Besonders im Süden. Von den Abruzzen und Apulien hinunter bis Kalabrien und Sizilien brennt es lichterloh. Laut eigenen Angaben war die Feuerwehr seit dem 15. Juni 37.400 Mal im Einsatz. Das sind schon jetzt 16.000 mehr Einsätze als 2020, zeigt der Eco-Mafia-Bericht der größten italienischen Umweltschutzorganisation Legambiente.

Allein auf Sardinien hat das Feuer über 20.000 Hektar Wald- und Flurflächen zerstört. Auf Sizilien kamen die Flammen der im Osten der Insel liegenden Hafenstadt Catania bedrohlich nahe, während im nördlich gelegenen Nationalpark Nebrodi viele Nutztiere umgekommen sind. In den Abruzzen wiederum ging vergangenen Sonntag das südlich von der Hauptstadt Pescara gelegene Naturschutzgebiet Pineta dannunziana in Flammen auf.

Nachrichten von Wald- und Flurbränden sind in Italien zu dieser Jahreszeit nichts Neues. Die gibt es seit jeher. Und das nicht nur im Süden. Auch die terrassierten Hänge Liguriens werden immer wieder von Bränden zerstört. Wer ein Ferienhaus in dieser Gegend hat, kennt auch den trostlosen Anblick der verkohlten Baumstümpfe und erinnert sich an den beißenden Geruch, der nach den Bränden mehrere Tage anhält.

Die Feuer entstehen selten durch natürliche Ursachen, werden also zum Beispiel von einem Blitz entfacht. Der Bericht von Legambiente stellt stattdessen fest, dass es hinter 98 Prozent der Fälle menschliches Verschulden steht. Und damit nicht genug. In fast 60 Prozent der Fälle handelte es sich um vorsätzliche Brandstiftung. Die Feuer werden aus spekulativen Gründen gelegt, um aus den verkohlten Flächen in Zukunft mehr Gewinn herauszuholen. Deshalb nennt die Organisation ihre Faktensammlung auch "Eco-Mafia-Bericht".

Menschliche Abgründe

"Zwar steckt nicht immer die organisierte Kriminalität hinter dem Feuer, doch der Grund für die Brandsetzung ist fast immer ökonomischer Natur", sagt Enrico Fontana ntv.de. Er leitet die Umweltbeobachtungsabteilung von Legambiente, die auch den Bericht erstellt hat. Die Brandstifter sind vornehmlich an einer Umwidmung der Flächen interessiert, zum Beispiel von Weide oder Wald zu Acker- oder Bauland. Und wenn nicht das Geld der Antrieb ist, handelt es sich um Racheakte, um Druck auf eine Gemeindeverwaltung oder einfach um Drangsalierung.

Von Letzterem erzählte vor ein paar Jahren Andrea, ein sizilianischer Jungbauer, der sich ein Grundstück am Fuße des Ätna gekauft hatte, auf dem Oliven-, Nuss- und Apfelbäume wachsen. Bevor er es erwarb, bedienten sich die Nachbarn freizügig darauf. "Da dies nach dem Kauf nicht mehr möglich war, haben sie einen Brand angelegt und einen Teil des Grundstücks zerstört", erzählte er damals.

Lange sah die Politik dem tatenlos zu. Erst im Jahr 2000 wurde ein Gesetz gegen mutwillige Brandstiftung verabschiedet. Dieses verbietet eine Umwidmung der zerstörten Flächen in den darauffolgenden 15 Jahren. Außerdem darf in den folgenden 10 Jahren nicht darauf gebaut werden. Es darf auch keine Wiederaufforstung erfolgen. "Letzteres mag verblüffen", sagt Fontana. "Der Grund dafür ist, dass auch die Aufforstung ein lukratives Geschäft darstellt". Wer gefasst wird, muss mit einer Haftstrafe von vier bis zehn Jahren rechnen. Schwierig bleibt es, die Brandstifter ausfindig zu machen. 2020 wurden zum Beispiel 4233 Fälle von mutmaßlicher Brandstiftung gemeldet, es gab aber nur 550 Anzeigen und gerade einmal 18 Verhaftungen.

Alle fünf Jahre

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Die Abschreckungswirkung des Gesetzes ist umstritten, da es dieses Jahr sogar weitaus mehr Brände sind als im vergangenen. Das stimme nicht ganz, erwidert Fontana. Über einen größeren Zeitraum betrachtet, seien es schon weniger geworden. "Worauf wir aber noch keine Antwort haben, ist, warum die Zahl der Brände im Fünfjahreszyklus zunimmt, dann abebbt, um nach fünf Jahren wieder den Gipfel zu erreichen. Dass es so ist, sagen uns die Jahre 2007, 2012, 2017 und ... 2021", hebt Fontana hervor.

Bleibt nur noch eine Frage: Warum legt man Brände, wenn die verkohlten Flächen für zehn oder mehr Jahre brachliegen müssen? "Das hat mit einem Schlupfloch in der Verwaltung zu tun", antwortet Fontana. Das Gesetz sieht vor, dass die Gemeinden die verbrannten Flächen im Grundbuch eintragen. "Doch diese Einträge erfolgen nur sehr, sehr selten", unterstreicht er. Die Brandstifter, die auf ein lukratives Geschäft aus sind, brauchen sich demzufolge nur ein paar Jahre zu gedulden, bis die Brandspuren verwischt sind. Dann sind sie am Zug.

Quelle: ntv.de

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