"Massengrab" im Saarland?Bürgermeister wehrt sich gegen "Fake News"

Die Vorwürfe wiegen schwer: Unter den Platten eines Gehwegs einer kleinen Gemeinde im Saarland soll sich seit Jahrzehnten ein "Massengrab" befinden. Das jedenfalls behauptet ein Zeitzeuge in einem Video, das nicht nur den Behörden vor Ort reichlich Ärger bereitet.
Wilde Spekulationen über ein angebliches "Massengrab" im Saarland haben über die Grenzen der kleinen Gemeinde Mettlach hinaus großen Wirbel ausgelöst. In einem im Internet veröffentlichten Video ist die Stimme eines Zeitzeugen zu hören, der bei Arbeiten im Ortszentrum von Mettlach auf einen Hohlraum mit Knochen, Kleiderfetzen und Schädeln stieß.
Auf den Aufnahmen ist nichts Außergewöhnliches zu erkennen: Aus dem Off schildert ein früherer Bauarbeiter, wie er Ende der 1980er Jahre auf dem Bürgersteig nahe der Bahnhaltestelle Mettlach in den Erdboden einbrach und anschließend die Überreste menschlicher Gebeine entdeckte. Das von einem privaten Internetportal veröffentlichte Video fand im Internet unter dem Titel "Mettlach: Die Stimme der Toten" rasche Verbreitung - zusammen mit der offenbar vollkommen ungeprüften Behauptung, dass unter den Platten des Gehwegs ein verschollenes "Massengrab" verborgen liege. Allein bei Youtube erreichten die Aufnahmen binnen weniger Tage mehr als 100.000 Zuschauer.
Der Fall schlug hohe Wellen: Den grausigen Fund soll der Bauarbeiter den zuständigen Behörden gemeldet haben. Dort habe er aber lediglich die Weisung bekommen, den Hohlraum mit Sand zu verfüllen und wieder abzudecken. Sollten hier etwa Spuren eines Verbrechens vertuscht werden? Rasch wurde auch spekuliert, die Knochen könnten von Kriegsopfern oder eilig verscharrten Zwangsarbeitern stammen.
Aus allen Richtungen gingen besorgte Anfragen bei den Behörden der idyllisch gelegenen Gemeinde an der Saarschleife ein. Selbst die Staatsanwaltschaft soll sich zeitweise eingeschaltet haben. In den Gerüchten um eine angebliche Vertuschung wurde im Netz auch ein namhaftes Unternehmen genannt - das sich plötzlich gravierenden Anschuldigungen ausgesetzt sah.
SPD-Politiker lüftet das Geheimnis
Der Bürgermeister von Mettlach, Daniel Kiefer, bemühte sich umgehend um eine Klarstellung. Von den wilden Spekulationen entspricht demnach nichts den Tatsachen - außer, dass es sich bei dem grausigen Fund von damals tatsächlich um sterbliche Überreste handelte. Die Namen der Toten und ihre Lebensgeschichten lassen demnach nicht mehr ermitteln. Die Behörden gehen jedoch davon aus, dass sie auf natürliche Weise ums Leben kamen.
Die Bauarbeiter waren damals bei ihren Arbeiten laut Bürgermeister Kiefer auf einen Friedhof aus dem 19. Jahrhundert gestoßen. Aufgrund von Platzmangel seien Gräber mehrfach belegt worden, erklärte der SPD-Lokalpolitiker dem "Saarländischen Rundfunk".
Beim Aushub seien aufgefundene Knochen den geltenden Vorschriften gemäß in sogenannten Massengrabkammern zusammengeführt worden. Der Friedhof sei später "ordnungsgemäß entwidmet und für Bauland umgenutzt" worden", sagte Kiefer und fügte hinzu, dass er sich eine fundierte Recherche und Berichterstattung gewünscht hätte. "Jetzt ist es an uns, hier für Aufklärung zu sorgen."
Wie konnte es soweit kommen? Einem Bericht der "Saarbrücker Zeitung" zufolge hatte sich der Augenzeuge, der in dem Video zu Wort kommt, über Jahre hinweg mit Zweifeln getragen: Die Sache mit den Knochen von Mettlach ließ den mittlerweile 58-jährigen Bauarbeiter offenbar nie los.
"Fake News" aus Saarbrücken
Auf einem Campingplatz in Kroatien berichtete er schließlich einer Urlaubsbekanntschaft von den verscharrten Toten. Sein Gesprächspartner, der ebenfalls aus dem Saarland stammt, entpuppte sich als Macher der Internetseite "Breaking News Saarland", die zum Angebot einer lokalen Online-Marketingfirma gehört. Von dort aus fand die "Mettlacher Gruselstory" dann ihren Weg ins Netz.
Der Betreiber der Plattform zog das Video mittlerweile zurück. Im Internet sind allerdings weiterhin Kopien zu sehen - unter anderem auf Ablegern der fraglichen Firma mit Sitz in Saarbrücken. Auf Anfrage der "Saarbrücker Zeitung" gab der Urheber des Videos zu, selbst kaum recherchiert zu haben. Er habe "einfach nur seine Geschichte erzählen" wollen. Die Ermittlung von Tatsachen sei "Sache der redaktionellen Profis".