Panorama

Hilfe in der Ewigen StadtDer Michelin-Führer für Arme

28.12.2017, 13:57 Uhr
imageVon Andrea Affaticati, Mailand
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Viele Obdachlose campieren in Kirchen. (Foto: imago/Pacific Press Agency)

Seit fast 30 Jahren gibt die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio einen Stadtführer für die Bedürftigen heraus. Immer mehr Menschen sind auf die Tipps für Schlafstätten, Speisesäle und Waschmöglichkeiten angewiesen.

Es ist ein Reiseführer der ganz besonderen Art, der in Rom gerade veröffentlicht wurde. Natürlich kommen da der Petersplatz, das Künstlerviertel Trastevere und so manch anderer bekannter Platz vor. Nur geht es hier nicht um Restaurants und Kneipen oder um mehr oder weniger noble Unterkünfte und auch nicht um Sehenswürdigkeiten. Gedacht und verteilt wurde der Stadtführer "Roma Dove - Mangiare - Dormire - Lavarsi - 2018" (Rom wo - Essen - Schlafen - Sich Waschen - 2018) an die Armen, Obdachlosen, an all diejenigen, die ihr ganzes Hab und Gut mittlerweile in zwei großen Taschen mit sich schleppen.

Deshalb ist das Buch auch als "Michelin-Führer der Armen" bekannt. Und Arme soll es in Rom sogar mehr als in Neapel geben. Die offiziellen Statistiken sprechen von 7000 bis 8000 Obdachlosen, doch laut einem Bericht der Caritas sollen es sogar doppelt so viele sein. Unter ihnen sind immer mehr, die auch Zeichen geistiger Verwirrung aufweisen.

Veröffentlicht wird der Stadtführer seit 28 Jahren von der katholische Gemeinschaft Sant'Egidio. Sie wurde 1968 gegründet und kümmert sich vornehmlich um Drogensüchtige sowie Mittel- und Obdachlose. Mittlerweile hat Sant'Egidio auch Ableger in anderen Ländern, leitet ein Kinderhilfswerk in Afrika und setzt sich für den Dialog unter den Völkern ein.

Über 500 Adressen

Armut bedeutet für die meisten Ausgrenzung und Hilflosigkeit und gerade das will der Führer "Roma Dove", den es mittlerweile auch für Neapel, Genua, Mailand gibt, bekämpfen. Auf den insgesamt 253 Seiten findet man thematisch aufgelistet Speisesäle, Obdachlosenheime, kostenlose Wasch- und Duschanlagen, Entzugseinrichtungen für Drogensüchtige und Alkoholiker, Hilfseinrichtungen für Frauen und Opfer von Misshandlungen, Beratungsstellen für Inländer sowie für Ausländer, die ohne Hab und Gut in Rom gestrandet sind, Kindergärten für ausländische Kinder, Sprachkurse und etliches mehr.

Insgesamt sind es 564 Adressen und man könnte fast den Eindruck gewinnen, in Rom sei auch für die Armen einigermaßen gesorgt. Doch der Schein trügt. Wie Carlo Santoro, ein Beauftragter von Sant'Egidio, unlängst in einem Interview mit Radio Vatikan feststellte, wäre mehr Initiative seitens der Stadtverwaltung dringend notwendig. "Stattdessen kümmert sie sich zum Beispiel im Winter immer zu spät um zusätzliche Unterkünfte. Und so gibt es momentan in Rom gerade einmal für 4000 Obdachlose einen Schlafplatz ". Also hat Sant'Egidio weitere 40 Schlafplätze in der San-Callisto-Kirche im Viertel Trastevere zur Verfügung gestellt. Man könnte außerdem in der Mensa mit den zwei großen Speisesälen die ganze Woche durch eine warme Mahlzeit anbieten, doch im Moment reichen die finanziellen Mittel nur für drei Tage aus.

Trend zur Nächstenliebe nimmt zu

Immerhin scheint die Zivilgesellschaft sich wieder zunehmend der Bedürftigen anzunehmen. Ein Trend zur wachsenden Nächstenliebe, "dem der Papst mit gutem Beispiel vorangegangen ist", unterstrich Santoro im Interview. So seien Franziskus die kostenlosen Dusch- und Waschanlagen in der Nähe des Petersplatzes zu verdanken, genauso wie die Wäscherei Sant*Egidio, deren Einrichtung er auch unterstützt habe.

Zumindest hat sich dieses Jahr auch Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi beim Festessen am Heiligen Abend, zu dem Sant'Egidio alljährlich die Armen einlädt, samt Sohn und Ehemann blicken lassen. 1982 startete die Initiative "Zu Weihnachten lege noch ein Gedeck auf". Damals waren es gerade einmal 20 Hilfsbedürftige, die beim Festessen in der Basilika Santa Maria in Trastevere dabei waren. Heute sind es an die 200.000, die nicht mehr nur in der Basilika, sondern in ganz Italien und darüber hinaus daran teilnehmen und auch am 31. Dezember gemeinsam auf das neue Jahr anstoßen werden.

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