Panorama

Hendrik Streeck bei ntv"Die Pandemie ist leider noch nicht vorbei"

30.06.2021, 13:52 Uhr
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45.000 Zuschauer beim EM-Spiel England gegen Deutschland, mitten im Virusvariantengebiet - Virologe Hendrik Streeck konnte das spannende Spiel zwar genießen, sieht aber die Probleme: "Man muss sich vor Augen führen, dass man sich trotzdem noch immer infizieren kann", sagt er im ntv-Interview.

45.000 Zuschauer beim EM-Spiel England gegen Deutschland, mitten im Virusvariantengebiet - Virologe Hendrik Streeck konnte das spannende Spiel zwar genießen, sieht aber die Probleme: "Man muss sich vor Augen führen, dass man sich trotzdem noch immer infizieren kann", sagt er im ntv-Interview.

ntv: Mit welchem Gefühl haben Sie gestern Abend dieses EM-Spiel der deutschen Mannschaft gesehen - und ich meine damit gar nicht das sportliche Gefühl?

Hendrik Streeck: Aber genauso schaue ich ein Fußballspiel auch. Ich kann da schon mal den Laborkittel an den Haken hängen. Aber ich weiß schon, worauf Sie anspielen. Das Virus ist nicht weg, die Pandemie leider noch nicht vorbei. Daher, auch wenn wir niedrige Infektionszahlen haben, muss man sich vor Augen führen, dass man sich trotzdem immer noch infizieren kann. Vor allem, wenn man nicht geimpft ist.

Bei uns gehen die Fallzahlen, wir sehen das auch heute Morgen, immer noch zurück. Wann ändert sich das?

Ich rechne damit, dass wir über die Sommermonate immer so ein Wabern kriegen, so ein bisschen auf und ab - so ähnlich wie wir das im letzten Jahr gesehen haben. Einen deutlichen Anstieg kriegen wir dann aufgrund der Saisonalität wieder im Herbst und Winter. Im vergangenen Jahr war das im Oktober ein rasanter, deutlicher Anstieg und man kann sich zumindest jetzt darauf vorbereiten, dass wir im Herbst wahrscheinlich auch wieder einen deutlichen Anstieg sehen werden.

Wie schlimm wird es?

Das kann im Moment keiner vorhersagen, weil wir nicht wissen, wie gut der Impfstoff am Ende auch vor der Infektion schützt oder nur den schweren Verlauf verhindert. Daher ist es besser, sich darauf vorzubereiten, dass wir einen Anstieg haben könnten. Gerade in so einer Unsicherheit, wo wir nicht wissen, wie viele geimpft sein werden, welche Variante dominant sein wird und wie sich das Virus unter den Impfstoffen überträgt.

Bei uns ist jetzt auch Delta die vorherrschende Variante. Wie gefährlich ist sie und für wen?

Erstmal muss man sagen, dass alle Maßnahmen, die wir getroffen haben, inklusive der Impfung, genauso gut gegen die Delta-Variante funktionieren wie auch gegen alle anderen Varianten. Daher ist es erstmal wichtig, dass wir diese Variante im Auge behalten. Im Moment muss man damit rechnen, dass das auch im Herbst die vorherrschende Variante ist und dass wir dadurch ein schnelleres Infektionsgeschehen sehen, weil es, die ersten Daten suggerieren das, eher und schneller übertragen wird. Aber eine höhere Gefährlichkeit der Variante wurde bisher zwar angedeutet, durch die Registrierung von mehr Krankenhausaufenthalten, aber die Daten dafür sind im Moment noch nicht gesichert.

Muss die Ständige Impfkommission wegen der Delta-Variante die Impfempfehlung für Kinder nochmal überdenken?

Ich stehe da voll hinter den Experten der Ständigen Impfkommission. Die haben sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht und haben lange diskutiert, ob Kinder eine Impfempfehlung brauchen oder nicht. Sie haben ja auch differenziert. Nämlich, dass die, die eine Vorerkrankung und die Gefahr für einen schweren Verlauf haben, eine Empfehlung haben sollten. Eine Coronavirus-Infektion ist für Kinder ungleich seltener und es gibt auch seltener einen schweren Verlauf. Die Fälle, in denen wir wirklich schwere Verläufe gesehen haben, waren alle bei Kindern mit Vorerkrankungen - auch die wenigen Todesfälle die wir hatten.

Mit Hendrik Streeck sprach Marcel Wagner

Quelle: ntv.de

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