Debatte um neue Virus-Variante Drosten: "Verfügbare Impfstoffe sollten weiterhin schützen"
26.11.2021, 17:48 Uhr
"Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise", sagt Drosten.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ansteckungsgefahr, Krankheitsverlauf, Impf-Resistenz - all diese Effekte der neuen Corona-Variante sind noch unerforscht. Darum will Virologe Drosten keine voreiligen Schlüsse ziehen. Er geht aber weiterhin von einem guten Impf-Schutz gegen schwere Verläufe aus.
Bei der Einschätzung der in Südafrika neu entdeckten Virusvariante gibt es dem Berliner Virologen Christian Drosten zufolge noch viele offene Fragen. So sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender ist oder ob ein anderer Faktor Grund für die momentan beobachtete Ausbreitung ist. "Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise", so Drosten. Die Genom-Veränderungen bei dem Erreger wiesen darauf hin, dass die Virusvariante sich der Immunabwehr entziehen könnte.
"Veränderungen im Genom sind aber allein nicht ausreichend, um von einer besorgniserregenden Situation zu sprechen", erklärte der Virologe von der Berliner Charité. Zusätzlich müsse klar sein, dass das Virus sich schneller verbreite oder andere veränderte Eigenschaften habe, beispielsweise einen schwereren Krankheitsverlauf. Die Bewertung der Variante sei noch nicht abgeschlossen.
In Südafrika habe es im dortigen Winter eine große Welle der Delta-Variante gegeben, so Drosten weiter. Es sei wahrscheinlich, dass das Ende der Verbreitungswelle durch Bevölkerungsimmunität verursacht wurde. "Da das Infektionsgeschehen zuletzt stark reduziert war, ist es denkbar, dass neu auftretende Ausbrüche vor einem sehr kleinen Hintergrund an anderen Viren übergroß erscheinen, und dies in anderen Ländern, in denen eine höhere momentane Infektionstätigkeit herrscht, kaum auffallen würde", so Drosten. Diese Unsicherheit werde sich in wenigen Tagen aufklären.
Auch US-Immunologe Fauci übt sich in Geduld
Das Auftauchen der Variante B.1.1529, die zunächst in Südafrika identifiziert wurde, hat international Besorgnis ausgelöst. Am Donnerstag hatte das südafrikanische Institut für Ansteckende Krankheiten NICD mitgeteilt, es seien in Südafrika 22 Fälle der neuen Variante nachgewiesen worden. Mit mehr Fällen sei im Zuge der laufenden Genomanalysen zu rechnen. Mittlerweile wurden auch aus anderen Ländern Infektionen mit der Variante gemeldet, unter anderem aus Belgien.
Die Variante weist besonders viele Mutationen auf, die in dieser Kombination bisher nicht bekannt sind. Die genetischen Veränderungen betreffen zum einen das Spike-Protein, über das die Viren an menschliche Zellen andocken. Darüber hinaus ist eine Region betroffen, die eine Rolle bei der Aufnahme des Virus in menschliche Zellen spielt. Experten fürchten, dass die Variante ansteckender ist als vorherige Varianten oder die Impfstoffe nicht mehr wirken.
"Nach derzeitigem Ermessen sollte man davon ausgehen, dass die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiterhin schützen", meint Drosten. Der Schutz gegen schwere Infektionen sei besonders robust gegen Virusveränderungen. "Der beste Schutz auch gegen die neue Variante ist daher das Schließen aller Impflücken in der Bevölkerung und die schnelle Verabreichung von Auffrischungsimpfungen."
Auch die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) kann noch nicht abschätzen, ob die in Südafrika neu entdeckte Coronavirus-Variante eine Anpassung der Impfstoffe erforderlich macht. "Die EMA hält es zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht, die Notwendigkeit eines angepassten Impfstoffs mit einer anderen Zusammensetzung zur Bekämpfung dieser neuen Variante vorauszusehen", erklärte die Behörde.
Der US-Immunologe Anthony Fauci schließt wegen der besorgniserregenden neuen Variante des Coronavirus eine Einschränkung von Reisen aus dem südlichen Afrika in die USA nicht aus. "Das ist sicherlich etwas, worüber man nachdenkt und worauf man sich vorbereitet", sagte der Berater des Präsidenten dem Sender CNN. Er betonte wie Drosten, dass aktuell noch nicht genug Informationen vorlägen. Auch dazu, ob die neue Variante die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe mindere, könne er noch nichts sagen. "Man ist bereit, alles zu tun, was man tun muss, um die amerikanische Öffentlichkeit zu schützen", sagte Fauci.
Für alle Entscheidungen müsse es aber eine wissenschaftliche Grundlage geben. US-Wissenschaftler wollten sich noch an diesem Freitag detailliert mit Wissenschaftlern aus Südafrika austauschen, um mehr Informationen zu bekommen, sagte Fauci. Im Moment gebe es keine Anzeichen dafür, dass die neu auftretende Coronavirus-Variante B.1.1529 bereits in den USA sei. Ausschließen könne man das aber natürlich nicht.
Quelle: ntv.de, lve/dpa