Ermittlungen nach 4U9525-Absturz Düsseldorfer Polizei setzt Soko "Alpen" ein
30.03.2015, 07:37 Uhr
Die Arbeit in den französischen Alpen ist extrem beschwerlich. Sie könnte noch wochenlang dauern.
(Foto: REUTERS)
Die Gründe des Germanwings-Absturzes beschäftigen nicht nur in Frankreich die Ermittler. Die über 100-köpfige Soko "Alpen" der Düsseldorfer Polizei soll bei der Arbeit helfen. Derweil gibt es Zweifel, ob der Datenschreiber von 4U9525 noch gefunden werden kann.
Die Düsseldorfer Polizei hat eine Sonderkommission für die Ermittlungen nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in Südfrankreich gegründet. Mehr als 100 Beamte sollen in der Soko "Alpen" die französischen Kollegen bei der Identifizierung der Opfer unterstützen. Die Polizisten sind im Bundesgebiet unterwegs, um nach persönlichen Erkennungszeichen wie zum Beispiel Tattoos oder Zahnprothesen zu fragen. Des Weiteren erbitten sie bei den Angehörigen Haarproben etwa aus Haarbürsten, um später anhand des genetischen Codes gefundene Leichenteile in Frankreich zuzuordnen. Bei ihrer Arbeit werden sie von Seelsorgern und Psychologen begleitet.
Ein Polizeisprecher sagte der "Rheinischen Post", es handle sich um einen der größten Ermittlungseinsätze seit Jahrzehnten. "Die Kollegen sind extrem gefordert." In Frankreich setzen derweil die Bergungskräfte ihre schwere Arbeit am Massif des Trois-Évêchés fort. Dabei konnten sie bislang die DNA von 78 der 150 Toten identifizieren - darunter auch die von Lubitz.
Die Soko "Alpen" soll auch daran mitarbeiten, die persönlichen Hintergründe des - nach derzeitigem Ermittlungsstand - von Copilot Andreas Lubitz absichtlich herbeigeführten Unglücks zu beleuchten. Auf Fragen nach dem genauen Hintergrund der Tat haben die Ermittler noch keine Antwort geben können. Der Leiter einer französischen Gendarmerie-Delegation bei der Polizei in Düsseldorf, Jean-Pierre Michel, sagte, die Persönlichkeit von Lubitz sei eine "ernsthafte Spur" in den Ermittlungen. Es sei aber noch kein "spezielles Element" im Leben von Lubitz - wie Liebeskummer oder berufliche Probleme - identifiziert worden, das dessen mögliches Verhalten erklären könne. Das Umfeld des Copiloten stehe im Moment aber besonders im Fokus.
Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft will womöglich noch heute weitere Ermittlungsergebnisse bekanntgeben. Die Behörde hatte am Freitag lediglich erklärt, es seien in der Wohnung des Copiloten "zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen" gefunden worden. Der 27-Jährige aus Montabaur verheimlichte seinem Arbeitgeber nach Erkenntnissen der Ermittler eine Erkrankung. Die Fahnder suchten nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden. Sie fanden weder einen Abschiedsbrief noch ein Bekennerschreiben. Für Berichte, wonach der Copilot an starken psychischen Problemen und auch Sehstörungen gelitten haben soll, war bisher keine Bestätigung der Behörden zu erhalten.
Keine Signale mehr von zweiter Blackbox?
Derweil wird ein befestigter Weg ins Absturzgebiet in der Nähe des Örtchens Seyne-les-Alpes geschaffen. Der Zugang könnte Montagabend fertig sein und soll vor allem ermöglichen, schwereres Bergungsgerät in die Region zu bringen. Bisher werden Ermittler und Bergungskräfte tagsüber mit Hubschraubern in das unwegige Gebiet gebracht. Die Bergung der Toten habe absoluten Vorrang, sagte Staatsanwalt Brice Robin.
Noch keine Spur haben die Ermittler indes vom zweiten Flugschreiber. Laut Lufthansa-Manager Kay Kratky könnte das Gerät beim Absturz beschädigt worden sein. Das Flugzeug sei mit Tempo 800 und damit mit unvorstellbarer Wucht an dem Bergmassiv zerschellt, sagte Kratky in der ARD-Talkshow "Günther Jauch". "Es könnte sein, dass die Belastung hier zu groß war und er keine Signale sendet."
Copilot Lubitz soll den Airbus A320 auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich in einen Sinkflug versetzt haben, als der Kapitän das Cockpit kurz verließ. Die französische Staatsanwaltschaft schloss aus den Aufzeichnungen des rasch gefundenen Sprachrekorders, dass der 27-Jährige den Piloten aus dem Cockpit aussperrte. Französische Ermittler untersuchen allerdings weiterhin auch die Möglichkeit eines technischen Defekts der Maschine. Am 17. April soll im Kölner Dom mit einem Gottesdienst und einem staatlichen Trauerakt der Opfer gedacht werden. Im westfälischen Haltern, wo um 16 Schüler und zwei Lehrerinnen getrauert wird, soll es am Mittwoch einen öffentlichen Gottesdienst geben.
Derweil wird in Deutschland über eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht debattiert. CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer fordert, dass bei bestimmten Berufen weniger strikte Regelungen herrschen sollen. Piloten müssten "zu Ärzten gehen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden", zitierte die "Rheinische Post" den Politiker. Diese Ärzte müssten "gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein", fügte Fischer seiner Forderung hinzu.
Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP