"Juristische Mittel" denkbar EU macht Impfstoff-Herstellern Druck
24.01.2021, 13:59 Uhr
Das Ziel der EU, mindestens 70 Prozent der Erwachsenen bis Ende des Sommers zu impfen, rückt in weite Ferne.
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Nach Biontech/Pfizer kündigt auch Astrazeneca Verzögerungen bei den Impfstoff-Lieferungen an. EU-Ratspräsident Michel pocht nun darauf, dass die Vereinbarungen eingehalten werden, und droht sogar mit juristischen Schritten. Auch in Italien ist man mächtig sauer auf die Unternehmen.
EU-Ratspräsident Charles Michel hat die Hersteller von Corona-Impfstoffen angesichts von Lieferverzögerungen vor möglichen Konsequenzen gewarnt. "Wir erwarten, dass die von den Pharmaunternehmen bestätigten Verträge eingehalten werden", sagte Michel dem französischen Sender Europe 1. Um die Einhaltung der Verträge zu gewährleisten, könne die EU auch "juristische Mittel" nutzen.
Man verstehe, dass es Probleme geben könne, erklärte Michel. Es brauche aber Klarheit über die Gründe. So habe Pfizer anfangs Verzögerungen von Impfstofflieferungen von mehreren Wochen angekündigt. Nachdem man mit der Faust auf den Tisch gehauen habe, sei es dann aber nur noch um eine Woche gegangen. Nach der Pharmaunternehmen-Kooperation aus Biontech und Pfizer hatte am Freitag auch der Hersteller Astrazeneca angekündigt, zeitweise weniger Impfstoff liefern zu können als ursprünglich geplant. Grund sei eine geringere Produktion an einem Standort in der europäischen Lieferkette, hieß es.
Nach Angaben aus der EU-Kommission soll es nun an diesem Montag ein weiteres Treffen des Lenkungsausschusses zur EU-Impfstrategie zu den Verzögern geben. Die Brüsseler Behörde geht eigentlich davon aus, dass die Mitgliedstaaten mit den von ihr eingekauften Impfstoffen bis Ende des Sommers mindestens 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung impfen können. Michel räumte ein, dass dieses Ziel nur schwierig zu realisieren sein werde.
"Direkte Auswirkungen auf Gesundheit der Bürger"
Auch Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte hat die Hersteller öffentlich scharf angegriffen. Er nannte Reduzierungen bei Pfizer-Biontech und Astrazeneca besorgniserregend. Auf Facebook schrieb Conte: "Diese Verlangsamungen der Lieferungen stellen schwere Vertragsverletzungen dar, die in Italien und anderen europäischen Ländern enorme Schäden verursachen (...)". Es gebe "direkte Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit der Bürger" sowie auf Italiens von der Pandemie stark angegriffene Wirtschaft.
"Wenn sich die Reduzierung der im ersten Quartal zu verteilenden Dosen um 60 Prozent bestätigt, würde das bedeuten, dass in Italien 3,4 Millionen Dosen statt 8 Millionen geliefert würden", schrieb der Jurist Conte. Gesundheitsminister Roberto Speranza habe mit Astrazeneca gesprochen. Conte kündigte den Einsatz rechtlicher Instrumente an, wie man es bei Pfizer-Biontech schon tue. Rom wolle Druck machen zur Einhaltung der Verträge. Italiens Gesundheitsbehörden hatten schon Mitte Januar die Ankündigung des US-Pharmakonzerns Pfizer, der mit dem deutschen Partner Biontech kooperiert, zur zeitweisen Senkung der Corona-Impfdosen kritisiert.
Das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca hat seinen Impfstoff zusammen mit der britischen Universität Oxford entwickelt. Er wird in Großbritannien bereits genutzt. Für diese Woche wird auch eine Zulassung in der Europäischen Union erwartet.
Quelle: ntv.de, chf/dpa