Essen und Trinken

Oetker geht essen Acht Gänge Erlebnis-Dinner im Europa-Park

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Die Teller im Ammolite sind eine Augenweide.

Die Teller im Ammolite sind eine Augenweide.

(Foto: Ammolite)

Immer wieder wird der Europa-Park im badischen Rust zum besten Freizeitpark der Welt gewählt. Die Achterbahnen sind grandios, die Hotels oft ausgebucht - und es gibt sogar ein Zwei-Sterne-Restaurant, das äußerst beliebte Ammolite. Ist die Geschmackstour dort eine Achterbahnfahrt oder eher eine Geisterbahn?

Zuerst einmal: Ich kann Freizeitparks nicht leiden. Weil ich so wahnsinnig viel Angst vor all zu schnellen Achterbahnen habe, vor dem Kontrollverlust, vor zu großer Höhe. Deshalb war ich neulich im Europa-Park schon stolz, als mich meine Verlobte dazu überreden konnte, eine Bahn in irgendeiner dunklen Höhle zu nehmen. "Da fahre sonscht au Babys mit", beruhigte mich die Mitarbeiterin im schönsten badischen Singsang. Das klappte also, genau wie die Wildwasserbahn, auch wenn meine Schuhe hinterher gänzlich nass waren.

Das Ammolite hat eine besondere Atmosphäre.

Das Ammolite hat eine besondere Atmosphäre.

(Foto: Ammolite)

Das Besondere am Europa-Park in Rust ist aber, dass die sechs Millionen Besucher jedes Jahr nicht mit Kantinenküche und immer gleichen Currywurstlappen abgespeist werden wie anderswo hierzulande. Die Gastronomie war schon immer ein wichtiger Bestandteil des Parks, erst recht, seitdem Thomas Mack, der Sohn des Geschäftsführers, den Hotel- und Restaurantbereich übernommen hat.

Mittlerweile gibt es sechs Hotels im Viersterne-Bereich, dutzende Themenrestaurants im ganzen Park, die sich an den europäischen Ländern orientieren, in deren Nachbauten sie sich befinden. Es gibt aber auch Highclass-Küche, etwa im Eatrenalin, einem Restaurant, in dem der Gast im Sitzen verschiedene Themenbereiche durchfährt, eine kulinarisch-multimediale Reise, die gerade erst einen neuen Chefkoch bekommen hat, der auch diesen Laden auf Sterneniveau führen soll - wir werden im Frühling darüber berichten.

Edel und ruhig

Vorher aber geht es ins Ammolite, zwei Sterne hält Peter Hagen-Wiest seit 2015 - und er wiederholt dieses hohe Niveau jedes Jahr. Tut er das auch heute? Und ist das überhaupt möglich in so einer Location, in der sich morgens beim Frühstücksbuffet die Leute gegenseitig auf den Hosenbeinen stehen, weil die Themenhotels des Europa-Parks so voll und beliebt sind? Hier aber, im Ammolite, das sich im Leuchtturm neben dem Hotel Bell-Rock befindet, geht es ganz anders zu: Gemächlich, sehr edel, dunkle Farben beherrschen den Raum - und vor allem: Es gibt viel Platz.

Die Tische sind in Séparées angeordet, die mit durchscheinenden Vorhängen abgetrennt sind. So kann der Gast noch ein wenig sehen, was um ihn herum geschieht, aber allzuviele optische und akustische Ablenkungen gibt es nicht. Da kann man sich noch besser aufs Essen konzentrieren - was für manche untalentierte Köche sicher schlecht ist - bei Peter Hagen-Wiest ist das kein Problem.

Peter Hagen-Wiest ist ein angenehmer Gastgeber.

Peter Hagen-Wiest ist ein angenehmer Gastgeber.

(Foto: Ammolite)

Der gebürtige Bregenzer ist ein weiterer aus einer riesigen Riege von Österreichern, die seit Jahrzehnten grandios aufkochen. In der Alpenrepublik ist ein Phänomen zu beobachten, dass hier aus traditioneller und sehr gut gemachter Regionalküche eine ganze Brigade an Köchen herangereift ist, die wahre Exzellenz verkörpern. Dieter Koschina ist so einer, in der grandiosen Vila Joya an der Algarve hat er die Sterneküche Portugals begründet, auch der Ammolite-Chefkoch arbeitete mit dem Altmeister. Hans Neuner aus Tirol kocht auch an der Algarve, Roland Gorgosolich im Kronenschlösschen im Rheingau. So ließe sich die Reihe beliebig fortsetzen. Doch die Küche ist sich in einem ähnlich: Sie ist leicht zugänglich, behandelt die feinen Produkte mit großer Ehrfurcht und überfordert den Gast nicht. Es sind gut gearbeitete und eingängige Geschmacksbilder, die einfach Freude machen.

Von Gericht zu Gericht besser

Bei Peter Hagen-Wiest im Ammolite beginnt das mit guten Amuse-Bouche, etwa einem Rindertatar oder einer winzigen Burrata, das ist alles schön, bleibt aber nicht weiter in Erinnerung. Die Brotbegleitung hingegen ist erinnerungswürdig. Da gibt es kross gebackenes Sauerteigbrot, eine Salzbutter und eine Nocke Kräutercrème, dazu ein kleines Töpfchen mit Kresse, zu der eine Nagelschere gereicht wird. Eine witzige Idee.

Doch dann entsteht von Gericht zu Gericht eine Steigerung: Wie gut dieser Österreicher kochen und anrichten kann, wird beim ersten Gang klar, im Around-the-World-Menü (mit Fisch und Fleisch) ist das ein Tartar aus rotem Gamberoni, Gurke und Jalapeno. Der Gamberoni ist von bester Qualität, das Fleisch ist fest und hat feinste Meeresnoten, die einzelnen Stücke sind groß genug, um ihr Aroma auch im Zusammenspiel mit scharfen und sauren Akkorden behalten zu können. Die Jalapeno-Crème ist so gut wie der Spiegel aus Gurkengelee, die Tapiokaperlen, die anderswo schon durchgeweicht sind, bringen hier einen krossen Spin und damit eine weitere Überraschung. Säure trifft Meereskraft - ein toller Gang.

Süßkartoffel, Zucchini und Ziegenkäse ohne jeden Unfug.

Süßkartoffel, Zucchini und Ziegenkäse ohne jeden Unfug.

(Foto: S. Korge)

Im vegetarischen Menü "Green Forest" ist es noch besser: Da gibt es einen dicken Würfel einer Süßkartoffel, die aber nicht diesen penetrant-dumpfen Geschmack hat, sondern Umami-Wucht auf den Teller bringt. Umrollt ist sie mit Zucchini und obenauf liegt ein wahnsinnig aromatischer Ziegenkäse, umgeben ist das Ganze von Kügelchen aus Karotten- und Zwiebelmus. In dieser Kleinteiligkeit zeigt sich eine weitere Stärke des Chefkochs: Er spielt weder mit Unfug noch will er nur optische Reize setzen, um seine Pinzette einsetzen zu dürfen, nein, hier hat alles einen geschmacklichen Sinn: Die Kugeln sind so portioniert, dass zu jeder Gabel durch die kräftigen Möhren- und Zwiebelgeschmäcker eine weitere Ebene eingezogen wird, die absolut Spaß macht.

Süffig und sämig sind die Saucen des Österreichers, echtes Seelenessen also, immer sind die Geschmäcker und Aromen hier gefällig, nichts mag den Gast irritieren. So ist es beim violetten Blumenkohl mit Beurre noisette und Salzzitrone, der absolut in unsere Zeit passt, Gemüseküche wie sie sein soll und dann noch mit Pfiff. Noch besser gelingt der Treviso, eine Art italienischer Radiccio, der hier auf einem Bett aus Kürbissud liegt. Der Treviso ist bei exakt richtiger Temperatur gebacken worden, weshalb nun seine Bitterstoffe zwar immer noch Wumms haben, aber viel besser eingebunden sind, als wäre die Schärfe roh serviert worden.

Der Saibling ist der Fisch des nahen Elsass, Omble chevalier heißt er, es ist ein Fluss- und Seenfisch, der rot ist wie Lachs, aber viel sanfter und zarter im Geschmack. Zuletzt habe ich ihn oft in schlechter Verfassung essen müssen, er war schlecht begleitet und ungenau gegart. Im heutigen Zeitgeist lassen Köche die Fische oft beinahe roh, das tut vielen Exemplaren gut, aber nicht dem Saibling. Er verliert, wenn er innen noch rot ist, viel von seinem Schmelz. Bei Peter Hagen-Wiest ist er perfekt: Ein bisschen mehr als à point gegart, bringt er Schmelz und Sanftheit mit, begleitet wird er von einem Gerstenrisotto und einer Specksauce - ein wahrhafter Genuss, auch, weil die Begleitung kraftvoll ist ohne zu übertünchen.

Der perfekte Käse

Zum Hauptgang im Fleischmenü gibt es ein wirkliches Spektakel, weil es mühevoll ist, viel Arbeit macht und ein Zeichen dafür ist, wie präzise und detailverliebt hier gearbeitet wird. In einen knusprigen Tramezini-Teig sind zwei Füllungen eingearbeitet: Links ein perfekt gegartes blutrotes Stück von der Taube, rechts ein deutlich helleres und sehr feines Stück vom Stubenküken. In der Mitte wird der kräftige Geschmack von einer Farce aus Broccoli abgemildert, dazu kommt eine extrem breite und elegante Bratenjus aus Tasmanischem Pfeffer. Himmlisch.

Einzig der vegetarische Hauptgang, Krause Glucke auf Fregola Sarda und Zwiebel-Parmesan-Sud ist nicht ganz zu Ende gedacht worden. Wieder ist der Geschmack gefällig und süffig, aber der selten gewordene Pilz schmeckt zu fad und zu weich, eine kurze Zeit auf dem Grill für einige Röstaromen hätten hier Abhilfe schaffen können, auch war es zu viel Pilz für zu wenige sardische Nudeln - aber sogar dieser Gang war kein Ausfall, sondern nur leichter Korrekturen bedürftig.

Jeder Koch, der das Elsass ums Eck hat, kennt den Segen, dass der Käse des wohl bestens Affineurs in Frankreich nicht weit ist. Maître Antony liefert also auch die Käse für das Ammolite, sodass die kleine Auswahl eine sichere, glücksbringende Bank ist. Comté, Pont l'Éveque, der cremige Brillat-Savarin und ein Ziegenkäse sind alle vier zwar noch jung, aber höchst geschmackvoll. Dazu gibt es drei Sorten selbst gemachten Fruchtsenf.

Tolles Team, Spitzenservice

Während die Patîsserie noch werkelt, räumt das Team schon die Küche auf. Dabei ist der Chefkoch zu sehen, wie er eigenhändig den Herd wischt und mit aufräumt. Das ist gottlob nicht mehr ganz so selten, aber gerade am Sonntagabend gehen die Köche zuweilen gerne früh in den Feierabend, nicht so Peter Hagen-Wiest. Er hilft mit bis zum Schluss - so etwas ist ein tolles Zeichen ans ganze Team.

Noch ein Wort zum Service: Seit einigen Monaten ist Sascha Schmidt der Maître im Ammolite. Er war vorher im Purs in Andernach und ist zu einem der besten Sommelièrs des Landes gereift. Das zeigt sich nicht in großspurigem Auftreten oder in gönnerhaften Erklärungen für Uneingeweihte, sondern in souveräner Freundlichkeit vom ersten Augenblick an. Schmidt und sein junges Team geben dem Gast sofort das Gefühl, willkommen zu sein, es ist ein angenehmer Abend auf Augenhöhe.

Die Weinkarte ist sehr detailreich und klug gestaltet, die Preiskalkulation ist hier sogar beispielhaft. Anderswo wird an den Margen geschraubt, bis der Gast ins Stöhnen gerät, hier gibt es sehr gute Flaschen schon für unter 50 Euro. So kann der Gast alleine schauen, Sascha Schmidt aber ist auch immer für sehr passende Beratungen zur Stelle, auf eine ganz kluge und unprätentiöse Art.

Fazit: Die Luxusgastronomie ist wegen gestiegener Produkt- und Energiekosten in der Krise, dazu kommt noch der Fachkräftemangel, der Löhne steigen lässt, wenn man denn überhaupt noch Leute findet, die in der Gastronomie arbeiten möchten. Hier spürt man von alldem nichts: Es wartet auf die Gäste des Ammolite ein wirklich genussvoller Abend ohne Störendes, ohne Überforderndes, es ist Sterneküche für Anfänger und für Fortgeschrittene, die einfach mal wieder ganz beruhigt genießen möchten, ohne Angst zu haben, dass es dreimal Innereien gibt.

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Und am nächsten Morgen erwache ich erstaunlich leicht, das ist auch selten nach einem Acht-Gang-Menü. Ein gutes Zeichen, dass hier ohne allzu viele Fette gearbeitet wurde und natürlich ohne Geschmacksverstärker - und die beste Chance, den nahenden Kampf am Frühstücksbuffet mit Verve aufnehmen zu können.

Das Ammolite in Rust befindet sich im Leuchtturm des Hotel Bell Rock. Der Europapark liegt an der A5 zwischen Karlsruhe und Freiburg. Das Restaurant ist geöffnet von Mittwoch bis Sonntag am Abend, Sonntag zusätzlich auch mittags. Das Acht-Gänge-Menü kostet 235 Euro.

Quelle: ntv.de

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