
Auch der US-Vizepräsident bekommt sein Schnitzel.
(Foto: picture alliance / CHROMORANGE)
Philipp Pfisterer ist ein Schwabe in München - seit 20 Jahren kocht er im noblen Bayerischen Hof. Nebenbei ist der Mann aber auch ein Instagram-Star, erklärt deutsche Traditionsgerichte und sorgt mal für einen Shitstorm, wenn er einen Spätzle-Streit vom Zaun bricht.
Nein, Philipp Pfisterer wirkt nun wirklich nicht wie ein Influencer und erst recht nicht so, als sei er ein eitler Mann, der die Aufmerksamkeit sucht. Stattdessen ist dieser Herr Pfisterer ein ruhiger, großer Mann, mit rotem Haar und klugen Augen, in denen viel Humor steht.
Außerdem ist er ein Koch, der alle seine Gäste gleich behandelt, egal, ob sie Staatschefs oder Superpromis oder einfach nur ganz normale Restaurantgäste sind. Da kann die Hoteldirektion dreimal betonen, dass der Salat für Lenny Kravitz ist (der am Tage meines Tests locker lässig in der Hotellobby stand und plauderte) oder für Russenminister Lawrow, Pfisterer sagt immer: "Bei mir essen alle Gäste gleich gut." Sogar für J.D. Vance, den überaus selbstbewussten und ein wenig überdrehten US-Vizepräsidenten hat er das Schnitzel nicht versalzen, was ja durchaus eine Möglichkeit gewesen wäre - aber nein, der Küchenchef des Restaurants "Garden" behandelt wirklich alle gleich, egal, ob er sie leiden kann oder nicht.
Während der weltbekannten Sicherheitskonferenz, die neulich mal wieder wie jedes Jahr im Bayerischen Hof in München tagte, hat er ohnehin nicht viel Zeit, das Schnitzel zu versalzen. Viel zu viele Teller müssen er und sein Team dann in kürzester Zeit an den Pass stellen, weil in den kurzen Sitzungspausen Hunderte Menschen gleichzeitig essen wollen. Arbeit im Akkord ist das dann, auf Pfisterers Instagram-Account ist zu sehen, wie zweihundert Schnitzel in einer Reihe aussehen, nämlich überaus beeindruckend.
Ein Spätzle-Banause?
Auf seinen wöchentlichen Fotoreisen durch seine Küche beeindruckt Pfister mit allerhand spannenden Einblicken in die Welt der Luxusgastronomie, er erklärt aber auch in sehr heiteren Videos einiges zur Zubereitung deutscher Klassiker, zeigt, in welchem Fett er sein berühmtes Schnitzel brät und warum er auf die Zitrone die klassische Sardelle packt. Neulich löste er einen Shitstorm aus, weil er zugab, zum Wiener Schnitzel in Bayern auch mal Bratkartoffeln zu servieren, was besonders bei Österreichern nicht gut ankam. Noch schlimmer war es, als er Knöpfle und Spätzle gleichsetzte und damit Tausende wütende Reaktionen aus Schwaben und Württemberg bekam. Die Leute beschimpften ihn als Bayern und Spätzle-Banausen, dabei ist Pfisterer selber Schwabe durch und durch. "Bei ihren traditionellen Gerichten kennen die Leute kein Erbarmen", sagt Pfisterer. "Das kannte ich bisher nur von den Italienern, wenn man die Carbonara mit Sahne anbot." Da sage nochmal einer, die Deutschen hätten keine Leidenschaft für ihre Regionalküche.
Pfisterer hat eigentlich alles, was auch einen guten Sternekoch ausmacht, im Bayerischen Hof entschied er sich aber, die Gourmetküche des Restaurants "Atelier" erst Jan Hartwig zu überlassen und nach dessen Weggang dem jungen Wilden Anton Gschwendtner. Stattdessen kümmert sich Pfisterer um ebenjenes Restaurant "Garden", einem wunderschönen Wintergarten mit großer Terrasse, der luftige verglaste Raum ist im Industriechic gehalten und ein echter Hingucker.
Hier serviert er große, deutsche Klassiker, Bistroküche mit leicht mediterranem Einschlag, jeder Menge Kräuter und frischem Gemüse. Seit fünf Jahren, also seit Anbeginn der Pandemie, spürte Pfisterer, dass selbst Gourmets genau danach suchten: Nach Seelengerichten, die regionale Besonderheiten widerspiegelten, mehr als nach dem anstrengenden und kleinteiligen Zehngangmenü. So ist der "Garden" eben auch kein klassisches Hotelrestaurant mit Club-Sandwich und Co., sondern ein Ort, an dem auch viele Einheimische nach kreativen Zubereitungen und spannenden Produkten suchen.
Natürlich Schnitzel
Das beginnt schon bei den Vorspeisen: Ich wähle hausgemachte Orechiette, diese niedlichen italienischen Öhrchennudeln, die hier wunderbar al dente, also wirklich sehr bissfest, serviert werden, die Nähe zu Italien ist bei jedem Biss spürbar. Dazu hat Pfisterer das leider immer noch seltene Gemüse namens Puntarelle leicht blanchiert, es ist ein grüner Kohl, der Löwenzahn ähnelt und leicht bitter schmeckt, deshalb wird er in Deutschland auch Spargelchicorée genannt. Walnuss sorgt für Knusper, Rosinen für einen Hauch Süße, ein tolles Gericht.

Beef Tatar vom Simmentaler Rind mit N25 Oscietra Reserve Kaviar könnte man auch essen.
(Foto: Philipp Pfisterer)
Das Carpaccio vom Hereford-Rind ist von guter Qualität, es ist auch gottlob zimmerwarm und wird nicht so kalt serviert wie das oft anderswo der Fall ist, dann schmeckt das rohe Filet nämlich nach gar nichts, weil die Aromen ihre Kraft durch die Kälte nicht ausspielen können. Die Cipriani-Sauce ist mir einen Hauch zu süß angemacht, was den guten Grundgeschmack des Fleisches ein wenig übertrumpft.
Der Klassiker des Hauses ist natürlich das Wiener Schnitzel, Pfisterer serviert es an diesem Tag mit Petersilienkartoffeln und gedünsteten Karotten. Mir scheint, es war eine anstrengende Schicht in der Küche, denn die Panade des Schnitzels hält nicht gut am Fleisch, vielleicht musste es schnell gehen an der Panierstraße, jedenfalls fehlte die Bindung. Das tat dem grandiosen Geschmack des Kalbsfleisches keinen Abbruch, auch die Beilagen waren angenehm zurückhaltend.
Ein Aromenfeuerwerk hingegen ist das Boeuf Stroganoff mit Buchenpilzen und Kräuterknöpfle. Die Stücke vom US-Flanksteak haben eine gute Größe, sie sind zart und haben perfekte Röstaromen. Die Sauce des Tellergerichts hat genau die richtige Mischung aus Säuerlichkeit und Umami, eine wunderbare Hommage an dieses französisch-russische Gericht. Die Kräuterknöpfle sind tiefgrün und sehr aromatisch, sie vervollständigen die Süffigkeit und Eleganz dieser Kreation.
Wie heute in dieser Preisklasse üblich, gibt es auch im Garden eine Rôtisserie, also ein breites Angebot an Steaks und Filets mit frei wählbaren Beilagen. Hier sticht das australische Roastbeef vom Black Angus heraus, weil die Qualität des Fleisches wirklich aus der Masse herausragt. Es ist perfekt gegrillt und hauchzart, sogar im Medium-Rare-Zustand ist es nicht zu roh, sondern saftig, das Kartoffelgratin dazu zeigt, dass Pfisterer wirklich aus der Spitzengastronomie kommt. Bei den Desserts überzeugt die dunkle Mousse von der Maracaibo-Schokolade, die mit Stückchen von Mango und Haselnusseis das Dinner vorzüglich abschließt.
Auch das Personal ist hervorragend: Es ist nicht so unpersönlich wie oft in klassischen Hotelrestaurants, sondern sehr zuvorkommend und sogar in Gespräche mit den Gästen verstrickt, die hier oft Stammgäste sind, besonders am Mittag zum Lunchmenü. Das "Garden" ist eine echte Empfehlung im Herzen Münchens, immer dann, wenn gerade nicht die Sicherheitskonferenz tagt und der Bayerische Hof totale Sperrzone ist - und wer weiß: Vielleicht sitzt ja gerade Lenny Kravitz am Nebentisch.
Quelle: ntv.de