Essen und Trinken

Oetker geht essen In Deutschland ganz oben - Nordsee-Steinbutt auf Sylt

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Fisch in seiner puren Form, auch bei der Seezunge ein Gedicht.

Fisch in seiner puren Form, auch bei der Seezunge ein Gedicht.

(Foto: Rumours Media)

S-Y-L-T - vier Buchstaben - und die große Sehnsuchtsinsel der Deutschen: Sylt ist zugleich wild und chic, Outdoor und Glamour, Fischbrötchen und Kaviar. Doch was bietet die Insel kulinarisch? Überall Ofenkartoffel- und Trockenfisch-Tristesse, aber es gibt auch einige wenige Leuchttürme, für die allein die Reise lohnt.

Beginnen wir diese Reise in den Norden mit dem Protagonisten dieser Geschichte: dem Steinbutt. Beim Steinbutt ist es so, dass größer immer besser ist. Je größer das Exemplar, das dem Fischer auf der Nordsee ins Netz gegangen ist, desto teurer ist es auch. Desto kraftvoller, saftiger und würziger schmeckt er auch, dieser Steinbutt. Und weil ich mich seit Jahren an diesen Steinbutt in diesem einmaligen Restaurant am Meer erinnere, ist er in Gedanken schon im Zug in meinem Kopf, als wir mit 80 Sachen über den Hindenburgdamm rollen.

Vielleicht ist Sylt auch deshalb so exklusiv, weil man nicht einfach auf einer Straße auf die Insel rollen kann. Es braucht die Bahn oder den Autozug oder auch den Flieger, aber gottlob sind ja weite Teile Deutschlands von einem Flug nach Sylt abgeschottet, die normalverdienenden Teile jedenfalls. Sonst würde die Insel wohl noch mehr aus allen Nähten platzen.

Einen Tisch im oben erwähnten Restaurant, na klar, der "Sansibar" zu bekommen, ist gerade noch schwerer. Weil der Promiwirt, der keiner sein will, seine Küche umbaut und es nur die Hälfte der normalen Plätze gibt.

Kulinarische Einöde

Also bleibt am Mittag, kaum raus aus dem Zug, nur der Gang über die Haupteinkaufsstraße in Westerland - und die kulinarische Feststellung: Bonjour, Tristesse. So in den 70ern verhaftet wie die Architektur ist hier auch die Speisekartenkultur. Es ist ein Meer aus Ofenkartoffeln mit Putenbrust und Sourcreme, alles schmeckt so banal und nicht einmal mittelmäßig, dass man sich auf Usedom wähnt, aber vor der Wende.

Dazu gibt es in einem Lokal verkochte Pasta, im nächsten Kartoffelpuffer aus der Tiefkühltruhe mit Räucherlachs, der deutlich nach Fisch riecht, im wiederum nächsten übergarten Rotbarsch mit Salatbeilage (sic!), aber warum sollte die Speisekartensprache besser sein als das Essen.

Es ist so traurig wie überteuert - und wieder einmal stellt sich die Frage, warum es nicht ein paar junge Gastronomen gibt, die den Sprung wagen, gute Küche anzubieten, die dann auch etwas kosten darf? In Frankreich, gerade in angesagten Urlaubsorten, schießen neue Gourmet-Restaurants wie Pilze aus dem Boden - aber hier? Fertiggerichte-Ödnis, die einem den Urlaub vermiesen kann. In allen erwähnten Lokalen gibt es auch genau einen Flaschenwein, "Grauburgunder haben wir, aber in der Literflasche." Mehr muss der Gast dazu auch nicht wissen.

Es geht auch anders

Aber wenden wir uns doch dem Wenigen zu, was der Insel kulinarische Leuchttürme baut - und gottlob gibt es die. Söl'ring Hof natürlich mit Jan-Philipp Berner am Herd. Und Holger Bodendorf, der so freundlich wie souverän aufkocht, im Landhaus Stricker in Tinnum. Seine gebeizte Königsmakrele mit Sanddorn ist grandios - und lässt alle Ofenkartoffeln vergessen machen.

Einen Stern hat Holger Bodendorf, mehr wird es leider nicht werden, weil der Guide Michelin nur selten solche Häuser hochbewertet, bei denen aus einer Küche das Gourmet- und das bodenständigere Restaurant bedient werden. In diesem Fall ist das reichlich unverdient, weil das Gourmet-Restaurant kreativ auf der Höhe der Zeit liegt, zeitgemäß und großzügig, ohne aber zu übertreiben - es bleibt schließlich Fine-Dining auf einer Urlaubsinsel, da muss Bodendorf viele Geschmäcker treffen.

Die sanfte Opulenz zieht sich durchs ganze Menü, die dünn geschnittene Jakobsmuschel liegt auf einem kraftstrotzenden Tortelloni, der mit Kalbsschwanz gefüllt ist. Der Bretonische Kabeljau ist zart und saftig, Pancetta und Verjus passen hervorragend. Auch die Patisserie glänzt, etwa bei der Delice von Mandarine und Erdnuss, asiatisch mit Ingwer und Shiso mariniert. Dazu hat Bodendorf sein Haus eben erst luxuriös neugestaltet, das Landhaus Stricker besitzt nun wirklich luxuriöse Zimmer, das moderne Spa hat mit Ledercouches und Lounges echtes Wohnzimmerflair - Gastfreundschaft auf Topniveau.

Perfektion in einer Strandhütte

Und dann ist da noch der Lokalmatador. Ich hatte schon etwas Sorge, zu lange war ich nicht mehr in der Sansibar gewesen. Wird das Erlebnis noch so sein? So einzigartig, in dieser Dünen-Holzhütte? Jetzt, wo Herbert Seckler nicht mehr richtig mitmischt, nur noch davorsitzt und beobachtet, Cola im Glas und Kippe im Mundwinkel?

Kurzum: Es ist noch genau so - und der Kontrast zu den üblen Läden an der Promenade ist umso gewaltiger. Weil völlig unklar ist, wie der schwäbische Promiwirt es schafft, reihenweise souverän-großartiges Personal an sich zu binden. So wie Patrick aus Österreich, der einerseits nonchalant ist, andererseits selbst in einem Grandhôtel ein perfekter Maître wäre, weil er nichts übersieht, nachschenkt, Fische perfekt filetiert, herzlich ist und im Gespräch stets auf Augenhöhe.

Diese Perfektion in einer Strandhütte zu finden, ist in diesen Zeiten tatsächlich einmalig - und das Essen: formidable! Als hätte Corona den Seckler-Schülern gezeigt: Wir dürfen nicht nachlassen, im Gegenteil. Die Abendsalate, die es für jeden Tisch gibt, sind schon allein köstlich wie sättigend. Die Vorspeisen sind ein wenig antiquiert, Rote-Beete-Carpaccio, Sushirolle mit Knuspergambas, Büffelmozzarella, aber alles ist so süffig und auf den Punkt, wie man es sich anderswo wünschen würde.

Die Preise sind saftig, aber wer denkt bei diesem Zwei-Personen-Nordsee-Steinbutt für 160 Euro noch über Geld nach? Das Signature-Gericht ist ein Traum, das war vor 20 Jahren so und ist bis heute so geblieben. Im Rohr auf Wurzelgemüse zur Perfektion gegart, fest und zart gleichermaßen, dazu das Champagnerkraut und die unnachahmlichen Sahnekartoffeln. Es ist ein Gericht, das man einmal im Jahr essen möchte, mindestens - und deshalb immer wiederkommt, in der guten Gewissheit, dass im hohen Norden neben vielen hässlichen Entlein auch ein paar kulinarische Schwäne warten.

Quelle: ntv.de

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