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Königin und Kulturerbe So geht echte Pizza napoletana

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"Da Michele" ist definitiv die gehypteste Pizzeria in ganz Neapel: Julia Roberts aß dort in "Eat Pray Love" Pizza.

"Da Michele" ist definitiv die gehypteste Pizzeria in ganz Neapel: Julia Roberts aß dort in "Eat Pray Love" Pizza.

(Foto: ©Vivi D’Angelo)

Die echte Pizza napoletana ist weltweit die begehrteste Pizza. Die Regeln für die Königin aller Pizzen sind genau definiert, strenge Wächter achten auf die Einhaltung. Sie ist ein solches Meisterwerk, dass sie zum Kulturerbe der Menschheit wurde.

Bildband, Reiseführer, Kochbuch: Wer wissen will, wie Pizza wirklich sein muss, wo sie am allerbesten schmeckt und wer darüber hinaus mit seiner Home-made-Pizza nicht so recht zufrieden ist, der sollte Vivi D'Angelo und Domenico Gentile danken für dieses großartige Buch: "Pizza napoletana". Ich jedenfalls weiß nach der nicht ganz einfachen Lektüre, woran ich bin: Ganz offensichtlich hatte ich noch nie in meinem Leben eine Pizza gegessen, die diesen Namen auch verdient. Die schlechteste aller schlechten Pizzen hatte ich übrigens in Venedig auf dem Teller; offenbar war ich in einer dieser typischen Touri-Fallen gelandet.

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Pizza Napoletana: So gelingt das Original zuhause – Tradition, Geheimnisse, Rezepte
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Mit dem Buch "Pizza napoletana", erschienen im Becker Joest Volk Verlag, haben die beiden Autoren der wohl urtümlichsten italienischen Speise ein Denkmal gesetzt. Das Buch trägt zwar den Untertitel "So gelingt das Original zu Hause" und Domenico Gentile versetzt uns mit seinen ausgefeilten Rezepten in die Lage, die original neapolitanische Pizza auf höchstem Niveau selbst zu backen – aber ich wünsche mir, dass weltweit jeder Berufs-Pizzabäcker es zu seiner Pflichtlektüre macht. Ein frommer Wunsch, ich weiß, dabei wäre es so einfach! Gentile, Kochbuchautor und unermüdlicher Kämpfer für eine authentische italienische Küche, ist nicht umsonst Jurymitglied bei Wettbewerben in Neapel. Gemeinsam mit der Journalistin und Fotografin Vivi D'Angelo hat er sich auf den Weg zur Geburtsstätte der Pizza napoletana gemacht. Entstanden ist eine spannende und lehrreiche, faszinierende Reise. Die Reportagefotos bringen die jeweilige Stimmung perfekt rüber, ob bei den Gesprächen in einer Pizzeria oder auf der Büffelfarm, in den Straßen Neapels oder von der Pizza auf dem Teller.

Die originale Pizza napoletana hat in den vergangenen Jahren weltweit einen Boom ausgelöst, nachdem sie 2017 von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurde. Eigentlich ist es die "Kunst des neapolitanischen Pizzabäckers", die immaterielles Kulturerbe der Menschheit wurde. Wer sich zum Ziel setzt, eine perfekte Pizza zu machen, kommt nicht umhin, sich an einer Pizza napoletana zu versuchen.

Den Pizzaioli auf die Finger geschaut

Das Festival "Napoli Pizza Village" ist weltweit das größte Event dieser Art. Nächster Termin: 14. bis 23. Juni 2024.

Das Festival "Napoli Pizza Village" ist weltweit das größte Event dieser Art. Nächster Termin: 14. bis 23. Juni 2024.

(Foto: ©Vivi D’Angelo)

In Neapel, der Geburtsstätte der Pizza napoletana, haben die beiden Autoren nicht nur Pizzawettbewerbe besucht, sondern haben mit den berühmtesten Pizzaioli (Pizzabäcker), die auf Neapolitanisch "pizzaiouli" heißen, über deren Geheimnisse gesprochen und so manchen Trick in diesem Buch verewigt. Sie sind an die Basis jeder guten Pizza gegangen - zu den Herstellern von Mehl, Tomatensugo und Käse. Niemals zuvor durfte jemand so nah an die geheimen Rezepturen der Besten der Besten heran, die von Neapel bis New York in der Szene wie Rockstars gefeiert werden. Sieben dieser Pizzaioli haben Gentile und D'Angelo an deren Wirkungsstätten in und um Neapel besucht sowie beschrieben und fotografiert, wie die jeweilige Lieblingspizza entsteht, was drauf kommt und wie sie dann aussieht.

Die Macher – und natürlich die Macherinnen, denn das Pizza-Gewerbe ist längst nicht mehr eine Männerdomäne - erzählen von Höhen und Tiefen, privaten wie geschäftlichen Krisen oder wie manch hervorragende Pizza lediglich durch einen Fehler entstanden ist. Auf einer Karte sind die Standorte der Läden markiert, so können Sie sich durch die Pizza napoletana futtern - eine Reise ins Herz der Pizza-Welt vorausgesetzt.

Isabella de Cham (vorn links) ist berühmt für ihre "Fritta". Ihr Team besteht zu 80 Prozent aus Frauen.

Isabella de Cham (vorn links) ist berühmt für ihre "Fritta". Ihr Team besteht zu 80 Prozent aus Frauen.

(Foto: ©Vivi D’Angelo)

Die Vorgaben für eine Pizza napoletana sind echt der Hammer! Das war das Überraschendste für mich - die strikte und enge Reglementierung, die kaum Spielraum lässt. 1984 wurde die "Associazione Verace Pizza Napoletana" (AVPN) gegründet als Antwort auf die Verwässerung der Pizzaherstellung in den USA. Die Auswanderungswelle junger Italiener hatte die Pizza über den großen Teich gespült und alsbald konnte jeder in den USA eine Pizzeria eröffnen, egal ob er die Kunst beherrschte oder nicht. Als Belag kam drauf, was bis dato unvorstellbar war; Tiefkühlpizzen wurden erfunden. Die AVPN gibt bis heute detailliert vor, wie die echte Pizza napoletana entsteht, aussehen und schmecken muss, angefangen vom Mehl, der Tomatensoße und dem Käse, über die Reihenfolge und Dosierung der Zutaten, wie geknetet werden soll, wie die Teigkonsistenz zu sein hat und wie groß der Durchmesser der Pizza bis hin zum Ofen, Hitze und Backzeit. Mir schwirrt der Kopf! Kein Wunder, dass die Beherrschung all dieser Vorgaben eine Kunst ist. "Neapolitanische Pizza sollte vorzugsweise innerhalb von 10 Minuten (mit einer Toleranzgrenze von 20 Minuten bei Lieferpizza) konsumiert werden." Auch das noch ist Pflicht! Bis heute werden weltweit weniger als 1000 Pizzerien mit dem AVPN-Logo ausgezeichnet. "50 Top Pizza" ist der umfassendste Pizza-Guide, den es gibt.

Auch bei der Pizza napoletana gibt's Alternativen

Doch die Zeit steht nicht still, Lebensweise und Geschmack ändern sich. Die interviewten Pizzaiouli erzählen davon, welche "Schlachten" aufstrebende junge Italiener mit den Traditionalisten schlagen, um die Pizza weiterzuentwickeln. Wobei stets zwei Pizzen unantastbar sind wie ein Heiligtum: die historischen Margherita und Marinara. Obwohl auch andere Pizzen historisch sind wie die "Cosacca" oder berühmt wie die "Pizza fritta" finden sie keine Gnade vor der gestrengen AVPN. Nicht mal die wirklich älteste Pizza Italiens, die "Mastunicola" von 1490, wird als originale Pizza napoletana gelistet. Denn irgendwas stimmt da immer nicht, am Mehl, am Belag, am Ofen. Die "Fritta" hat es immerhin bis in den Anhang der AVPN-Verordnung geschafft und wird als "schützenswert" beschrieben. Der Ruhm der frittierten Pizzen von Isabella de Chams reicht inzwischen bis nach Ibiza. Dennoch gibt es auch für die modernen pizzaiouli Grenzen: "Wenn ich Pommes frites auf Pizza legen soll, begehe ich lieber Harakiri", sagt Cicco Vitiello, einer der Interviewten.

Ciro Salvo (Mitte) und seine Pizzabäcker im "50 Kaló" pflegen - und erneuern - die Pizza napoletana.

Ciro Salvo (Mitte) und seine Pizzabäcker im "50 Kaló" pflegen - und erneuern - die Pizza napoletana.

(Foto: ©Vivi D’Angelo)

Nun wissen wir eine Menge über die "verace" (echte) Pizza napoletana - und das soll zu Hause klappen??? Mit dem Buch von Domenico Gentile und Vivi D'Angelo dürfte das hinhauen. Darüber gibt ein Pizzaglossar Auskunft, denn es gibt einiges zu beachten, was geht und was nicht geht.

Ich muss mir keinen Holzofen in meine Berliner Küche in der 8. Etage schleppen, das ist schon mal sehr beruhigend. Für einen handelsüblichen Backofen ist allerdings ein Pizzastein oder ein Pizzastahl unerlässlich. Ich habe mir vor einigen Jahren einen Pizzastein zugelegt, bin zufrieden damit und lege auf den Teigboden, was mir gefällt, auch wenn sämtliche AVPN-Vertreter angesichts meiner "Künste" vermutlich in Ohnmacht fallen würden. Was Ihnen und mir egal sein kann, denn wie heißt es im Buch: "Offiziell und nach der heutigen Reglementierung gibt es nur zwei Arten der Pizza napoletana: Margherita und Marinara. Während unserer Recherchen wurde uns allerdings klar, dass die ursprünglichsten Versionen dieser Pizza mit den verschiedensten Zutaten belegt wurden. Deshalb sind wir wie viele Exponenten der zeitgenössischen Napoletana der Meinung, dass ein Belag nach Lust und Laune vollkommen okay ist, solange man sich für gute und ordentlich gemachte Zutaten entscheidet." Offenbar ist es mit der Pizza wie im Rest des Lebens: Man hat immer eine Alternative! Allerdings mit einer Einschränkung: Ein Teig à la Domenico Gentile sollte es schon sein.

Rezepte für den Hausgebrauch

Letztendlich werden im Buch Bezugsquellen für italienische Produkte angegeben, von Mehl bis Pizza-Öfen. Italienische Mehlsorten finden Sie auch bei anderen Internet-Händlern, zur Not funktioniert es auch mit unserer Type 550 aus dem Supermarkt, besser noch aus einer Bio-Mehlmühle Ihrer Wahl.

Domenico Gentile "schlägt" den Teig: Energisch hochheben und auf die Arbeitsplatte fallenlassen.

Domenico Gentile "schlägt" den Teig: Energisch hochheben und auf die Arbeitsplatte fallenlassen.

(Foto: ©Vivi D’Angelo)

Im Buch finden Sie 18 Rezepte für Pizza napoletana - natürlich mit unterschiedlichen Belägen. Bei allen Rezepten ist die Teigsorte wählbar: einfacher Teig, moderner Teig, Teig mit weichem Vorteig (Poolish) und Teig mit festem Vorteig (Biga). Dazu kommen sieben Rezepte, was sonst noch so aus Pizzateig entstehen kann, unter anderem Pizza fritta oder die vom Backblech, bis hin zum Pizzabrot und -brötchen sowie Dessert. Alles wird detailliert in Wort und Bild dargestellt, auch die unterschiedlichen Teigführungen und die Handgriffe. Domenico Gentiles Rezepte sind bis ins kleinste Detail ausgefeilt, damit das Nachmachen zu Hause gelingen kann. Dazu die Schritt-für-Schritt-Fotos Vivi D'Angelos - da kann einfach nichts schiefgehen!

Einfacher Pizzateig

Am unkompliziertesten dürfte es sein, mit dem einfachen Pizzateig von Domenico Gentile anzufangen: "Ich habe einen einfachen Hefeteig mit einer geringen Hefemenge entwickelt, der keinen Vorteig erfordert und den man auch sehr gut mit der Hand kneten kann, falls keine geeignete Küchenmaschine zur Verfügung steht. Nach insgesamt 7-9 Stunden Ruhezeit hat man bereits fertige Teigkugeln, die man zu Pizzen oder anderen Rezepten, bei denen Pizzateig verwendet, wird weiterverarbeiten kann."

Sie finden die Rezepturen für alle Teigvarianten ausführlich dokumentiert im Buch.

San-Marzano-Tomatensoße

San-Marzano-Tomaten sind eine alte Sorte, die aus Süditalien stammt und nach San Marzano sul Sarno in Kampanien benannt wurde. Wegen ihrer länglichen Form werden sie auch als Flaschentomaten bezeichnet. San-Marzano-Tomaten sind intensiv im Aroma, haben nur wenige Fruchtkerne und eignen sich geschmacklich ideal für eine leckere Pizzasauce. Diese Soße wird für die Pizzarezepte in diesem Buch verwendet.

Tomatensoße

Zutaten für ca. 520 g
500 g geschälte ganze San-Marzano-Tomaten aus der Dose
8 Basilikumblätter
15 g Salz
2 EL Olivenöl extra vergine

Zubereitungszeit 5 Minuten:

San-Marzano-Tomaten samt Saft in eine Schüssel geben und gut mit der Hand zerdrücken. Wer die Soße lieber glatter mag, passiert die Tomaten durch eine Flotte Lotte. Basilikum zerzupfen und zu den Tomaten geben. Zum Schluss Salz und Olivenöl in die Soße einrühren.

Tipp: Keinen Stabmixer einsetzen, denn dadurch werden die Tomatenkerne zerstört und könnten der Soße eine bittere Note hinzufügen.

Pizza Margherita

Die unangefochtene Pizzakönigin zählt zu den beliebtesten Pizzen der Welt. Sie wurde nach der italienischen Königin Margherita benannt und ist nur dann original, wenn sie mit Fior-di-latte-Mozzarella und echten San-Marzano-Tomaten zubereitet wurde. Zum Schluss wird frisches Basilikum darübergestreut - fertig ist die Pizza in den Nationalfarben Italiens.

Zutaten für 1 Pizza

100 g Fior-di-latte-Mozzarella (alternativ gewöhnlicher Mozzarella)
1 Pizzateigkugel, Teigsorte wählbar (250-280 g),
falls gekühlt, 2-3 Stunden vorher aus dem Kühlschrank genommen
80 g San-Marzano-Tomatensoße
2 EL geriebener Parmesan
8-10 Basilikumblätter
ca. 1-2 EL Olivenöl extra vergine plus etwas zum Bestreichen
mind. 200 g Semola di grano duro (Hartweizenmehl; alternativ fein
gemahlener Hartweizengrieß) zum Teigformen
Pizzaschieber aus Holz oder Metall

Zubereitungszeit 10 Minuten (ohne Teig und Sauce):

Für die erste Pizza den Pizzaofen wenigstens 30 Minuten vorheizen, bis er eine Temperatur von mindestens 430 °C erreicht hat.

Den Mozzarella erst in etwa 1 cm dicke Scheiben, diese dann in gleich breite Stifte schneiden.

Semola auf die Arbeitsfläche häufen und die Teigkugel, wie auf Seite 182 ff. beschrieben, zu einem etwa 30 cm großen Pizzaboden mit einem Rand von mindestens 2 cm formen.

Tomatensoße in kreisenden Bewegungen auf dem Teigboden verteilen, den Rand dabei freilassen. Mit Parmesan bestreuen und vier bis fünf Basilikumblätter darauf verteilen. Mit Mozzarella belegen und Olivenöl darüber träufeln.

Ihre Hoheit, die "Pizza Margherita". Mehr Italien geht wohl nicht.

Ihre Hoheit, die "Pizza Margherita". Mehr Italien geht wohl nicht.

(Foto: ©Vivi D’Angelo)

Die Pizza mit beiden Händen auf den Pizzaschieber ziehen, darauf achten, dass sie rund bleibt. In den Pizzaofen geben und etwa 90 Sekunden backen, dabei immer wieder drehen, damit die Pizza gleichmäßig backt, und zwischendurch anheben, um den Boden zu kontrollieren. Die Pizza ist fertig, wenn sie rundherum ein schönes Backmuster aufweist.

Aus dem Ofen nehmen, die Pizza mit restlichem Basilikum belegen und den Rand mit etwas Olivenöl bestreichen.

Tipp: Falls du einen Backofen verwenden solltest, die Pizza wegen der längeren Backzeit als im Pizzaofen zunächst nur mit Tomatensoße 4-5 Minuten backen, danach mit den anderen Zutaten belegen und fertig backen. So verbrennt der Käse nicht.

Viel Erfolg auf Ihrem Weg zu einem "pizzaiolo" wünscht Ihnen Heidi Driesner.

Quelle: ntv.de

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