"Alles halb so wild" Viktoria Fuchs kocht nicht auf Sparflamme


Vivi D'Angelo fängt mit ihren Fotografien das Mystische des Schwarzwalds beeindruckend ein.
(Foto: Vivi D’Angelo/Südwest Verlag)
Spitzenköchin Viktoria Fuchs lässt es nach "Fuchsteufelswild" ruhiger angehen, was nicht heißt, dass sie auf Sparflamme kocht. In ihrem neuen Kochbuch ist für jeden Geschmack und jede Gelegenheit etwas dabei. Und mit unterhaltsamen Storys wird die Geschichte vom "Spielweg" weitergeschrieben.
Familienalbum mit Rezepten? Oder Kochbuch mit Familiengeschichten? "Halb so wild" hat von allem etwas - dieses Buch von Spitzenköchin Viktoria Fuchs ist einfach umwerfend vielseitig! Kaum zu glauben, was an Storys, Fotos, Tipps und Rezepten zwischen die zwei schön gestalteten Buchdeckel passt, dabei hat das Buch nur ein paar Seiten mehr als 200. Fuchs, bekannt aus TV-Formaten wie "Kitchen impossible", "Die Küchenschlacht" oder "The Taste", kocht als Küchenchefin im Romantik-Hotel "Spielweg" im Münstertal südlich von Freiburg im Schwarzwald. 1705 wurde der Gasthof erstmals in einer Urkunde des Klosters St. Trudpert erwähnt. Das Haus "solle das Gemeindewirtshaus und Stube sein", heißt es da, für Hochzeiten, Kirchweih, Fasnacht und Neujahrsfeiern. Seit 1861 führt die Familie Fuchs dieses einladende Haus.
Viktoria Fuchs kocht modern, kreativ, weltoffen und bleibt dennoch ihren Wurzeln treu - der Schwarzwald dient als reiche Quelle ihrer regionalen und nachhaltigen Küche, bei der es zugleich keinerlei geografische Grenzen gibt. Klingt verwirrend, aber Sie werden es bei den Rezepten merken, wie toll diese Kombinationen sind. Fuchs' Leidenschaft sind Wildrezepte, und auch die überraschen mal mit einem mediterranen, mal asiatischen Touch. Ihre gedämpften Wildschwein-Dim-Sum sollen legendär sein! Regional und kosmopolitisch, das geht wunderbar zusammen, und so finden Sie eine große Anzahl solcher Rezepte in "Halb so wild. Richtig gute Rezepte mit und ohne Wild", erschienen im Südwest Verlag.
Bevor ich mich in Geschichten und Rezepten verliere, ein paar Worte zu den Fotos: Vivi D'Angelo hat mal wieder alles gegeben. Die Food-Fotos sind glasklar in ihrer Aussagekraft, beschränkt auf das Wesentliche, fast minimalistisch. Die Landschaftsbilder fangen die Mystik des Schwarzwalds so wunderschön ein, dass ich mich frage, warum ich bisher eine Reise durchs Münstertal versäumt habe. Und all die Porträts von Fuchs, ihrer Familie und ihrem Team lassen erahnen, dass neben all der Arbeit der Humor nie zu kurz kommt. Das bringen auch die Texte von Antonia Wien zum Ausdruck, humorvoll und warmherzig geschrieben. Alles in allem ein sehr unterhaltsames und inspirierendes Werk.
Halb so wild, aber anspruchsvoll

Der gegrillte Salat schmeckt lauwarm und kalt und als Beilage zu allem Gegrillten.
(Foto: Vivi D’Angelo/Südwest Verlag)
Wie der Name des Buchs schon verrät, geht's hier nicht ganz so wild zu wie in Fuchs' Erstling "Fuchsteufelswild", voll mit völlig neu interpretierter Wildküche und ausgezeichnet mit dem Deutschen Kochbuchpreis in Gold. Mit "Halb so wild" gehen die Geschichten um den "Spielweg" weiter, aber mit "halb so vielen Zutaten, halb so viel Aufwand und - genau - halb so viel Wild", so das Versprechen. Hier haben viele Rezepte Huhn, Schwein, Rind oder Fisch als Hauptbestandteil oder verzichten ganz auf tierische Produkte, sodass auch Vegetarier auf ihre Kosten kommen. Etliche Rezepte sind wirklich leicht nachzukochen - aber holla - bei anderen geht's doch etwas wild zu, sogar wenn Wild überhaupt keine Rolle spielt: Für Neulinge am Kochlöffel dürfte auch "Halb so wild" eine echte Herausforderung sein. Ein bisschen Übung sollte man schon haben, bevor man sich an "Confierte Entenkeule mit Rosenkohl und Serviettenknödel", "Ceviche vom Kabeljau mit Kokosnuss, Limette und Passionsfrucht" oder "Gebratener Hirschkalbsrücken mit Rotkohl, Quitte und Mohn-Schupfnudeln" herantraut.
Bei solch anspruchsvollen Rezepten ist die Menge an Zutaten ebenfalls weniger zahm und eher wild zu nennen. Für versierte Hobbyköchinnen und -köche ist das absolut keine Hürde und auch für Wildliebhaber ist dieses Buch eine Offenbarung. Ich jedenfalls liebe es schon jetzt, bin allerdings in der komfortablen Lage, (fast) jederzeit an frisches Wildfleisch zu gelangen. Doch selbst bei Fuchs' berühmten Dim Sum, die im Kochbuch als Wan Tan daherkommen, muss es nicht wild zugehen. Hier lässt sich das Wildfleisch durch gemischtes Hack von Schwein und Rind austauschen. Dim Sum? Wan Tan? Der Unterschied? Ganz einfach: Dim Sum ist der Oberbegriff, Wan Tan ist eine Dim-Sum-Art. Mir hatte ein Schlaumeier das mal mit dem Unterschied zwischen Pasta und Spaghetti erklärt. Aha.

Einfach, aber anders sind diese Rehschnitzel, nämlich mit gerösteten Haselnüssen und karamellisierten Zwetschgen.
(Foto: Vivi D’Angelo/Südwest Verlag)
Das Buch umfasst acht Kapitel: Vorspeisen & Suppen, Spielweg asiatisch, Spielweg-Klassiker, Halb so wild kreativ, Italienisch mediterran, Desserts, Fuchs am Tisch sowie Grundrezepte. Im letzten Kapitel finden Sie die Basics von Gnocchi bis Wildjus. Bei den asiatisch angehauchten Rezepten werden mitunter Dim-Sum-Teigblätter angegeben, zum Beispiel bei den Wildschwein-Wan-Tan. Die Beschaffung könnte schwierig werden, doch auch dafür gibt es Lösungen: Fertigprodukte finden Sie in Asia-Läden und im Online-Handel unter verschiedenen Bezeichnungen wie Gyoza, Jiaozi, Won Ton. DIY geht auch: 250 g Mehl mit 1 TL Salz mischen, 200 g heißes (gut warm, nicht kochend) langsam zugießen, verrühren, bis ein Teig entsteht. Den mit den Händen kneten (klebt), bis der Teig glatt und geschmeidig ist. Das dauert! Die Kugel feucht abdecken und eine Dreiviertelstunde kalt stellen. Auf bemehlter Fläche 3 mm dünn ausrollen und Kreise im Durchmesser von ca. 8 cm ausstechen, zum Beispiel mit einem Glas. Je 1 TL Füllung draufgeben, den Rand anfeuchten oder mit Eiweiß bepinseln, zu Halbmonden zusammenklappen, den Rand festdrücken, zum Schluss noch mit einer Gabel, so entsteht ein hübsches Muster. Als ich mal viel Zeit (sehr viel Zeit) hatte, habe ich es so gemacht. Längst greife ich zu Fertigprodukten.
Liebenswerte Menschen, inspirierendes Buch

Viktoria Fuchs (in der dunklen Kochjacke) schreibt die Geschichte vom "Spielweg" weiter.
(Foto: Vivi D’Angelo/Südwest Verlag)
Zurück zum "Spielweg" und seinen Menschen. Fuchs gelingt es mit viel Fingerspitzengefühl, dem traditionsreichen Hotel-Restaurant kulinarisch treu zu bleiben und zugleich ihren eigenen Weg zu gehen. Das ist ungemein spannend. Und falls das mal nicht so wird wie geplant - alles halb so wild! Kochen soll Spaß machen und funktioniert mit Humor besonders gut. Das zeigen die Geschichten zwischen den Rezepten, wie es war, wie es ist und wie es vielleicht mal wird im "Spielweg". In nunmehr sechster Generation leiten die Schwestern Viktoria und Kristin das Haus, tatkräftig unterstützt von den Ehemännern Johannes (Viktorias) und Daniel (Kristins). Laut Viktoria Fuchs ist Johannes "der weltbeste Patissier" und ohne Daniel, "der stille Berater im Hintergrund", werde kein Vertrag und keine Finanzierung unterschrieben. Mama Fuchs hält weiter viele Fäden zusammen, denn sie hat den großen Überblick. Oder übernimmt die Kinderschar ihrer beiden Töchter. Papa, der 2023 den gesamten Betrieb übergeben hatte, macht weiter seine Kochkurse. Da heißt's dann sich zu entscheiden: lieber wursten oder grillen?

Goldgelbe Marillen sind hier der Kuchenbelag und als Schnaps kommen sie in die Sahne.
(Foto: Vivi D’Angelo/Südwest Verlag)
"Verspielwegt" ist aber nicht nur die Familie Fuchs & Co., sondern das sind auch all die Mitarbeitenden, die schon sehr lange da sind oder erst einige Jahre. "Ein moderner Betrieb kann nur so funktionieren, denn als Führungsteam brauchen wir Menschen, auf die wir uns verlassen können. Und das können wir. Dieser Mix aus Mitarbeitenden, die den Spielweg stützen, macht diesen Ort so besonders", heißt es im Buch.
Wir lernen alle kennen, von der Rezeptionistin bis zum Hausmeister, schmunzeln über den Koch Raffi, der denkt, er sei der schönste Koch Deutschlands mit dem schönsten Hintern, oder verabschieden Lisa und Christoph, die linke und rechte Hand von Viktoria Fuchs, die nun neue Wege gehen: "Am Ende geht es um das Zusammensein mit Menschen, die man lieb hat. Um die Gemeinschaft, die Zusammengehörigkeit, die Zeit, die man miteinander verbringt, und um den Moment, den man bei gutem Essen, guten Gesprächen und mit ganz viel Lebensfreude genießt." Und falls Ihnen auf den Fotos das "JRE" auf einigen Kochjacken aufgefallen ist: Unter "Jeunes Restaurateurs" haben sich europaweit engagierte Köche unter 50 Jahren zusammengeschlossen, um sich gegenseitig zu inspirieren und zu motivieren. Viktoria Fuchs gehört dazu.
Gegrillter Kürbis-Karotten-Feigen-Salat mit karamellisierten Sonnenblumenkernen
1 Hokkaidokürbis
1 Bund bunte Karotten
6 Feigen
1 Zweig Rosmarin
1 Bio-Zitrone
Salz
frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
etwas Zucker
150 g Sonnenblumenkerne
etwas Puderzucker
etwas Olivenöl
Außerdem etwas Öl für die Grillplatte
Zubereitung (Zubereitungszeit: 25 Minuten):
Den Kürbis waschen, halbieren, das Kerngehäuse entfernen und in Spalten schneiden. Die Karotten schälen und längs halbieren.
Die Feigen waschen und halbieren. Den Rosmarin waschen, vom Stiel zupfen und hacken. Die Zitrone halbieren. Kürbis und Karotten auf die geölte Grillplatte oder den Rost geben, von allen Seiten her anbraten, mehrmals wenden, bis sie gar sind. Mit Salz, Pfeffer und 1 Prise Zucker würzen. Den gehackten Rosmarin hinzugeben und mit Zitronensaft marinieren. Die Feigen hinzugeben und auf der Schnittfläche anbraten.
Die Sonnenblumenkerne auf die geölte Grillplatte oder in eine gusseiserne Pfanne geben und unter ständiger Bewegung rösten. Mit etwas Wasser beträufeln, mit Puderzucker bestäuben und karamellisieren lassen.
Karotten, Kürbis und Feigen vermengen, nachwürzen, mit Olivenöl und Sonnenblumenkernen servieren.
Tipp: Dieser Salat schmeckt sowohl lauwarm als auch kalt hervorragend. Er passt zu jeglichem Grillgut. Ich persönlich esse ihn gern zu Fisch.
Rehschnitzel mit Feldsalat, Haselnüssen und Zwetschgen
500 g Feldsalat
Für die Schnitzel
400 g Rehkeule (am besten Oberschale)
8 Stängel Petersilie
3 Stängel Rosmarin
Für das Dressing
150 ml Sonnenblumen-, Raps- oder Traubenkernöl
50 ml Rotwein- oder Apfelessig
1 TL Senf 1 Prise Zucker
Für die Beilagen
8 Scheiben Bauchspeck
60 g Haselnüsse (ganz, geschält)
4 Zwetschgen
2 EL Zucker
200 ml Rotwein
etwas Mélange-Noir-Pfeffer
Zum Fertigstellen der Schnitzel
Salz, Pfeffer
150 g Mehl
2 Eier
200 g Paniermehl
gehackte Petersilie und Rosmarin (siehe Teilrezept)
etwas Butterschmalz
Zubereitung (Zubereitungszeit: 45 Minuten):
Den Salat waschen, putzen und trocken schleudern.
Schnitzel: Das Fleisch in 4 Stücke schneiden (à 100 g) und zwischen einem Backpapier in dünne Schnitzel Klopfen.
Petersilie und Rosmarin waschen, trocken tupfen und sehr fein hacken.
Dressing: Für das Dressing alle Zutaten miteinander vermengen und mit Salz, Pfeffer und 1 Prise Zucker abschmecken.
Beilagen: Den Speck in einer Pfanne knusprig braten. Die Haselnüsse im Backofen bei 160 °C in circa 10 Minuten goldbraun rösten.
Die Zwetschgen halbieren, vom Stein befreien und in Spalten schneiden. In einem Topf 2 EL Zucker karamellisieren lassen und mit Rotwein ablöschen. Zwetschgen hinzugeben und eindicken lassen. Mit Mélange-Noir-Pfeffer abschmecken.
Fertigstellen der Schnitzel: Die Schnitzel mit Salz und Pfeffer würzen und nacheinander erst in Mehl, dann in Ei (bitte nicht mixen, sondern nur mit einer Gabel verquirlen, so soufflieren die Schnitzel beim Braten schöner) und zum Schluss mit Paniermehl-Kräuter-Gemisch panieren. Die Schnitzel in einer Pfanne mit etwas Butterschmalz goldbraun anbraten.
Marillentarte mit Marillensahne
Für den Teig
150 g zimmerwarme Butter
250 g Weizenmehl
1 Eigelb
3 g Salz
Für den Belag
40 Marillen
etwas Zucker zum Bestreuen
Für die Marillensahne
1 Blatt Gelatine
25 ml Marillenschnaps
20 g Zucker
200 g Schlagsahne
Zum Garnieren
essbare Blüten nach Wahl (optional)
Minzeblättchen (optional)
Zubereitung (Zubereitungszeit: 1 Stunde plus 1 Stunde Kühlzeit):
Teig: Für den Teig alle Zutaten kurz zusammen verkneten, bis ein glatter Teig entsteht. Diesen für ½ Stunde kalt stellen.
Belag: Die Marillen halbieren und den Stein entfernen.
Marillensahne: Die Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Alkohol und Zucker miteinander vermischen und leicht erwärmen, sodass sich der Zucker auflöst. Vom Herd nehmen und die ausgedrückte Gelatine hinzugeben. Die kalte Sahne in einer Küchenmaschine steif schlagen. Etwas Sahne in die Flüssigkeit geben, damit sich die Temperatur angleichen kann. Dann zügig die restliche Sahne unterheben und bis zum Servieren kalt stellen.
Fertigstellen: Den gekühlten Teig dünn ausrollen und mit einem Ring Kreise (circa 9 cm Durchmesser) ausstechen. Mit den Marillenhälften belegen und mit etwas Zucker bestreuen. Im vorgeheizten Backofen bei 190 °C circa 12 Minuten backen.
Nach Belieben mit essbaren Blüten und Minzeblättchen garnieren, die Marillensahne dazu reichen.
Viel Spaß beim Nachkochen oder/und bei einer Reise durchs Münstertal zum "Spielweg" wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de