Panorama

Johnsons "mörderische" Strategie Experten: "Freedom Day" ist Gefahr für ganze Welt

Mit Highspeed ins Debakel - Johnsons Öffnungspläne werden von vielen Wissenschaftlern kritisiert.

Mit Highspeed ins Debakel - Johnsons Öffnungspläne werden von vielen Wissenschaftlern kritisiert.

(Foto: AP)

Die Briten steuern auf ihren "Freedom Day" zu - den Tag an dem fast alle Corona-Regeln wegfallen. Die Lockerungsmaßnahmen werden von Wissenschaftlern äußerst kritisch gesehen, denn die Infektionszahlen auf der Insel steigen rasant.

Am kommenden Montag fallen in Großbritannien fast alle Corona-Regeln. Angesichts der steigenden Infektionszahlen und der Ausbreitung der Delta-Variante sehen führende Wissenschaftler und Regierungsberater die Briten in ein neues Pandemie-Desaster laufen, das Auswirkungen auf die ganze Welt haben könnte. "Jede Mutation, die geimpfte Menschen infizieren kann, hat einen großen Selektionsvorteil und kann sich ausbreiten", sagte Professorin Christina Pagel vom Forscherteam an der UCL London auf einem virtuellen Gipfeltreffen. "Und aufgrund unserer Position als globaler Reiseknotenpunkt wird sich jede Variante, die in Großbritannien vorherrschend wird, wahrscheinlich auf den Rest der Welt ausbreiten - wir haben es bei Alpha gesehen, und ich bin absolut sicher, dass wir zum Anstieg von Delta beigetragen haben."

Die warnenden Worte kommen nicht erst kurz vor Toresschluss. 1200 Wissenschaftler hatten bereits einen gemeinsamen Brief an den britischen Premier Boris Johnson entsandt und dessen Pläne als "gefährlich und verfrüht" bezeichnet.

Als "Freedom Day" - Tag der Freiheit - hatte die konservative Presse in England die Lockerungen am 19. Juli getauft. Premierminister Johnson hatte angekündigt, dass Maskenpflicht und Abstandsregeln in Großbritannien dann nicht mehr gelten würden. Diesen Schritt bezeichnete er als "unumkehrbar".

Die Zahlen in Großbritannien sprechen eigentlich gegen jede Lockerung. Allein am Freitag wurden mehr als 50.000 Neuinfektionen registriert. Zurückgeführt wird das unter anderem auf die starke Ausbreitung der Delta-Variante. Die 7-Tage-Inzidenz wurde am 11. Juli mit rund 345 angegeben. Der bevorstehende Öffnungsschritt wird stets mit dem erfolgreichen Impfprogramm verteidigt - mehr als 68 Prozent haben inzwischen mindestens eine Impfdosis erhalten.

Dass das Virus aber nicht vor geimpften Menschen haltmacht, zeigt ein prominentes Beispiel: Ausgerechnet der britische Gesundheitsminister Sajid Javid wurde trotz zweifacher Impfung positiv auf das Coronavirus getestet. Er habe "sehr milde" Symptome, teilte Javid mit.

Johnson-Politik als schlechtes Vorbild?

Der neuseeländische Professor für Gesundheitswesen, Michael Baker, zeigte sich auf dem Gipfel erstaunt über die angekündigten Lockerungen der britischen Regierung, die wohl zu einem "Herdenimmunitätsansatz" zurückgekehrt sei. Diese Strategie sei jedoch überall auf der Welt bereits "hoffnungslos gescheitert".

Auf dem Gipfeltreffen befürchteten viele Wissenschaftler Nachahmer der britischen Politik. Der US-Virologe William Haseltine betonte, die Welt habe für eine großartige und sensible Politik stets nach Großbritannien geschaut. In der Pandemie habe sich das jedoch geändert. Er sei besorgt, dass sich nun einige US-Bundesstaaten von diesen schlechten Impulsen leiten lassen und dem britischen Beispiel folgen könnten.

Haseltine bezeichnete zudem diese Strategie zur Herdenimmunität - bei der es Bevölkerungen erlaubt wird, eine natürliche Immunität gegen eine Krankheit aufzubauen, indem sie ihr ausgesetzt sind - als "mörderisch". Die britische Regierung würde einen Schritt wagen, von dem sie wisse, dass er Zehntausende Menschen das Leben kosten werde, so der Virologe.

Quelle: ntv.de, mba

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