Mutter und Tochter weiter vermisst Fall Schulze in Drage bleibt mysteriös
22.07.2016, 07:47 Uhr
Das Haus der Familie steht versiegelt und verlassen da.
(Foto: picture alliance / dpa)
Vor einem Jahr verschwindet eine dreiköpfige Familie aus Drage bei Hamburg. Lediglich der Vater wird später tot gefunden. Die Polizei glaubt dennoch an einen Doppelmord mit anschließendem Suizid.
In dem kleinen Ort Drage an der Elbe wird der Beginn der Sommerferien noch lange mit dem Verschwinden von Familie Schulze verbunden bleiben. Ein Jahr ist das jetzt her. Am Zeugnistag kommt die 12-jährige Miriam nicht mehr zur Schule. Ihre Mutter meldet sie krank, wie auch schon in den Tagen zuvor. Sylvia Schulze geht ihrer Arbeit bei einem Discounter in Geesthacht nach, muss aber eher weg, nach einem Anruf von ihrem Mann. Marco Schulze wird ein letztes Mal bei seinem Aushilfsjob auf einem Reiterhof gesehen.
"Der Ermittlungsstand heute weicht nicht wesentlich von dem ab, was wir vor einem dreiviertel Jahr auch schon wussten", sagt Polizeisprecher Jan Krüger n-tv.de. Eine Woche nach dem Verschwinden wird an der Elbe eine Leiche angespült. Es ist Marco Schulze, ertrunken, Spanngurte halten einen Betonklotz an seinem Körper. Die Polizei geht von einem Suizid des 41-Jährigen aus, für den Schulze die Spanngurte von zu Hause mitgebracht hatte und dann mit dem Fahrrad zur Elbbrücke geradelt war.
Die Sonderkommission "Schulze" hat seitdem jede erdenkliche Spur und jeden noch so abwegigen Hinweis abgearbeitet, bis nichts mehr zu tun blieb. Die Spur von Sylvia und Miriam Schulze verliert sich demnach am Seppenser Mühlenteich. Eine Zeugin hat hier am 22. Juli 2015 ein Ehepaar mit Tochter bei einem Spaziergang gesehen und auch ein paar Gesprächsfetzen mitbekommen. Die Polizei ist sicher, das waren Schulzes. Personenspürhunde haben Spuren von Vater, Mutter und Tochter gefunden. Die des Vaters führten um den ganzen Teich herum und dann wieder zur Straße.
Vermisstensachen verjähren nicht
Die Spuren von Miriam und Sylvia Schulze verlieren sich hier. "Das kann heißen, dass das Leben von Mutter und Tochter dort endete. Es kann aber auch dem Umstand geschuldet sein, dass diese Suche erst drei oder vier Wochen nach dieser Sichtung stattgefunden hat. Vielleicht war die Geruchsspur nicht mehr intensiv genug, dass die Hunde sie verfolgen konnten", sagt Polizeihauptkommissar Krüger. Der Teich wurde mit einem Sonarboot gescannt, jede Auffälligkeit haben Taucher noch einmal untersucht. Auch das Waldstück rund um das Gewässer wurde akribisch abgesucht. Doch die Leichen von Mutter und Tochter fanden die Beamten nicht. Hier nicht und bisher auch nicht anderswo.
Offiziell gelten Sylvia und Miriam Schulze als vermisst. Die strafrechtlichen Ermittlungen sind nach dem Tod von Marco Schulze eingestellt, weil gegen Tote nicht ermittelt werden kann. Aber die Vermisstensache läuft einfach weiter, sie verjährt auch nicht. Sollte sich ein neuer Hinweis ergeben, können die Ermittlungen jederzeit wieder aufgenommen werden.
Nach einer Sondersendung "Aktenzeichen xy, ungelöst …" zu ungeklärten Vermisstenfällen gingen Ende Juni immerhin 50 Hinweise ein. Es blieben vage Vermutungen. Zuschauer wollten Mutter und Tochter irgendwo gesehen haben. Manche hatten einfach nur eine Idee, wo die Leichen gut zu verstecken wären. Alle Papiere der beiden waren im Haus, Geld wurde weder abgehoben noch transferiert, ein wirkliches Lebenszeichen gibt es seit dem 22. Juli 2015 nicht.
Was war das Motiv?
Die Polizei geht davon aus, dass Marco Schulze Frau und Tochter tötete und anschließend sich selbst umbrachte. Es ist die einzig plausible Erklärung für alles. Aber warum er das tat, darüber rätseln die Ermittler nach wie vor. Selbst Fallanalysten fanden kein wirkliches Motiv. "Häufig sind Trennungsgeschichten Auslöser für diese Taten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es da sehr kurzfristig hochgekocht ist zwischen den beiden. Klare Belege dafür haben wir nicht", erläutert Krüger. "Auch die finanzielle Situation war nicht so auffällig, dass man sagen muss, sie standen plötzlich vor dem Nichts und wussten nicht, wie es weitergehen soll."
Und noch etwas ist eigenartig: Üblicherweise hätte man nach einem sogenannten "erweiterten Suizid" die gesamte Familie tot im Einfamilienhaus in Drage gefunden. Möglicherweise auch noch einen erklärenden Abschiedsbrief. "Wenn man unterstellt, dass es relativ schnell zu dem Tatentschluss gekommen ist, bleibt ungewöhnlich, dass man sich so viel Mühe gibt, das Tatgeschehen und auch die Leichen verborgen zu halten", meint Jan Krüger.
Dessen persönliche Einschätzung ist: Marco Schulze hat sich große Mühe gegeben, alle Familienmitglieder verschwinden zu lassen, damit für immer ungeklärt bleibt, was aus ihnen geworden ist. Auch sein eigener Suizid sollte möglichst nicht offenkundig werden. "Das hat bei ihm eben nicht geklappt." Das Mysterium einer spurlos verschwundenen Familie als perfekten Verbrechensplan, dazu gibt es bisher keinen vergleichbaren Fall in Deutschland.
Quelle: ntv.de