Von Ex-Partner ermordet Frauen kennen Rebecca Cheptegeis Schicksal nur zu gut


Rebecca Cheptegei hatte Land gekauft, wollte für sich und ihre Kinder ein Haus bauen.
(Foto: REUTERS)
Mehrfach wird die ugandische Athletin Rebecca Cheptegei von ihrem Ex-Freund bedroht. Doch die Polizei reagiert auf ihre Anzeigen nicht. Nun ist Cheptegei tot. Der Mord wirft ein Schlaglicht auf die grassierende geschlechtsspezifische Gewalt, der auch immer wieder Sportlerinnen zum Opfer fallen.
Noch vor wenigen Wochen läuft Rebecca Cheptegei bei den Olympischen Spielen in Paris den Marathon und belegt den 44. Platz - jetzt ist sie tot. Die ugandische Marathonläuferin stirbt am Donnerstag nach tagelanger Behandlung in einem Krankenhaus im Westen Kenias an Nierenversagen, noch bevor sie in eine Klinik in der Hauptstadt Nairobi verlegt werden kann. Sie war am vergangenen Sonntag von ihrem Ex-Freund mit Benzin übergossen und angezündet worden. Dabei erlitt sie schwere Verbrennungen an mehr als 75 Prozent ihres Körpers.
"Wir haben die verloren, die der ganzen Familie ein Einkommen ermöglicht", erklärte ihr Vater Joseph Cheptegei gegenüber lokalen Medien. Er frage sich, wie ihre beiden Kinder im Alter von 12 und 13 Jahren "ihre Ausbildung fortsetzen" können.
Die gebürtige Uganderin war nach ihrem Erfolg in Paris im August zurück nach Eldoret im Westen Kenias gereist, unweit der Grenze zu Uganda, wo ihre Familie herstammt. Nahe der Stadt Eldoret liegt das berühmte afrikanische Trainingszentrum (HATC). Athleten aus aller Welt fliegen hierher, um auf 2400 Höhenmetern ihren Körper fit zu kriegen.
Angriff nach dem Kirchenbesuch
Cheptegei wohnte mit ihren beiden Töchtern unweit der Trainingsakademie. Laut Angaben ihres Vaters hatte die 33-Jährige dort jüngst ein Grundstück erworben. Sie wollte dort ein Haus bauen, um in der Nähe der Sportstätte zu leben. Angeblich kam es wegen dieses Grundstückes zu Streitigkeiten mit ihrem ehemaligen Partner, von dem sie sich getrennt hatte.
Als sie mit ihren beiden Töchtern am Sonntag in der Kirche war, hatte sich ihr Ex-Partner mit Brennstoff in ihr Haus geschlichen. Als sie nach Hause kam, übergoss er sie mit Benzin und zündete sie an. Nachbarn riefen die Ambulanz. Sie wurde rasch ins Krankenhaus eingeliefert, doch letztlich versagten ihre Nieren, so Owen Menach, Sprecher des Moi-Krankenhauses in Eldoret.
Ihr kenianischer Ex-Freund, Dickson Ndiema Marangach, wurde ebenso mit Brandwunden ins Krankenhaus eingeliefert. Rund ein Viertel seines Körpers sei versehrt, er liege nun auf der Intensivstation, so Klinik-Sprecher Menach. Sein Zustand sei jedoch "stabil und bessert sich zunehmend."
Cheptegeis Trainingspartnerinnen und Freundinnen in Uganda berichten nun gegenüber lokalen Medien, dass sie seit einigen Monaten Stress mit ihrem Partner und ihn letztlich verlassen hatte. Dies habe auch ihr Vorbereitungstraining für Olympia beeinträchtigt: "Nachdem sie sich getrennt hatte, kam sie nach Uganda, um hier mit uns zu trainieren und weit weg von ihm zu sein", so Solomon Mutai. Der ugandische Marathonläufer war ein guter Freund. Sie sei jedes Wochenende nach Kenia gereist, um nach ihren Kindern zu sehen, berichtet Cheptegeis Zimmergenossin im ugandischen Trainingslager, Sarah Chelangat. "Sie erzählte mir, dass ihr Ex-Freund Probleme mache." Bei den Streits ging es vor allem um Geld, so die Freundin.
Keine Frau ist sicher
Die Polizei hat nun Ermittlungen aufgenommen, wegen Mordes. Cheptegeis Vater hingegen macht die Polizei mitverantwortlich für ihren Tod. Bereits vor wenigen Monaten hätte seine Tochter Rebecca ihren Ex-Partner angezeigt: "Dieser Mann ist ihr überallhin gefolgt, selbst als sie neulich nach Uganda gereist ist", so der Vater. "Die Polizisten in der hiesigen Polizeistation haben sich auf die Seite ihres Partners gestellt", so Vater Cheptegei. Selbst vergangenen Freitag habe sie erneut die Polizei alarmiert, weil sie sich bedroht fühlte - nichts sei geschehen. "Ich mache diese Polizisten für den Tod meiner Tochter verantwortlich", erklärt der Vater.
Kenias Sportminister Kipchumba Murkomen zeigte sich von dem Vorfall betroffen: "Diese Tragödie ist eine eindringliche Erinnerung an die dringende Notwendigkeit, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen, die zunehmend sogar den Spitzensport betrifft", sagte er in einer Beileids-Erklärung an die Familie.
Häusliche Gewalt gegen Frauen ist sowohl in Uganda als auch in Kenia weit verbreitet. In einer landesweiten Umfrage im Jahr 2022 in Kenia gaben 34 Prozent der befragten Frauen an, körperliche Gewalt erlebt zu haben. Eine Studie der Organisation Africa Data Hub meldet in ihrer Femizid-Datenbank mehr als 500 Morde an Frauen seit 2016 in Kenia - die meisten begangen von Partnern oder Familienmitgliedern. Im Januar protestierten in Kenia landesweit Frauen, nachdem 16 Frauen in einem Monat getötet worden waren. Afrika hat laut Angaben der UN-Agentur für Frauen weltweit die höchste Zahl an Femiziden - fast zehnmal so viele wie in Europa.
Auch im Sport sind Femizide keine Seltenheit - vor allem, wenn die Frauen erfolgreich sind und mehr Geld nach Hause bringen als die Männer, so wie im Fall Cheptegeis. Es ist in Kenia nun seit 2021 bereits der dritte Fall in wenigen Jahren, dass eine erfolgreiche Athletin von ihrem Partner oder Ex-Partner tödlich angegriffen wurde. Vor zwei Jahren wurde die Leiche der kenianischen Sportlerin Damaris Mutua tot aufgefunden. Die Autopsie ergab später, dass sie erwürgt worden war. Der Hauptverdächtige war damals ihr äthiopischer Freund, der bis heute auf der Flucht ist. 2021 wurde die 25-jährige, kenianische Läuferin Agnes Tirop in ihrem Haus tot aufgefunden, offenbar erstochen. Ihr Ehemann wurde festgenommen. Vor Gericht stritt er jedoch ab, sie umgebracht zu haben.
"Das ist wirklich sehr alarmierend", sagt Zaha Indimuli, Vorsitzende von #EndFemicideKe, eine Initiative in Kenia, die sich für Opfer von häuslicher Gewalt einsetzt und im Januar die Proteste organisiert hatte: "Ich kann den Schrecken dessen, was sie durchgemacht haben muss, nicht einmal beschreiben", so Indimuli und fügt hinzu, dass die Ermordung einer hochrangigen Sportlerin ihr das Gefühl gegeben habe, dass keine Frau sicher sei. "Frauen sind ständig wandelnde Ziele für Täter, wir haben alle Angst."
Quelle: ntv.de