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Piloten und Lotsin überfordert? Funksprüche legen Kommunikationspannen bei DHL-Absturz offen

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Der Moment des Aufpralls: Vorausgegangen sind offenbar eine Reihe von Missverständnissen zwischen Crew und Tower.

Der Moment des Aufpralls: Vorausgegangen sind offenbar eine Reihe von Missverständnissen zwischen Crew und Tower.

(Foto: AP)

Schon kurz nach dem Absturz der DHL-Frachtmaschine in Vilnius kommt der Verdacht auf, dass ein Sabotageakt das Unglück herbeigeführt haben könnte. Die Auswertung von Videos und Funksprüchen soll zeigen: Vielmehr könnte eine Mischung aus Kommunikationspannen und menschlichem Versagen ursächlich sein.

Bei der Ursachensuche für den Absturz der DHL-Frachtmaschine in Vilnius gibt es neue Erkenntnisse. Wie der "Spiegel" berichtet, deutet die Auswertung von Aufnahmen und Funksprüchen darauf hin, dass das Flugzeug als Folge von menschlichem Versagen und mangelhaftem Kommunikationsverhalten verunglückte.

Das Magazin rekonstruierte, dass der Pilot im Landeanflug keine Rückmeldung vom Tower erhielt, als er - wie üblich - das Rufzeichen seines Flugzeugs durchgab. Erst nach dem zweiten Versuch kam demnach eine Antwort. Anschließend soll die diensthabende Fluglotsin Anweisungen gegeben haben, die die Crew nicht verstehen konnte. Auch hier bedurfte es eines zweiten Versuchs, um schließlich die Landeerlaubnis zu übermitteln.

Während des Landeanflugs forderte die Lotsin laut "Spiegel" das Cockpit wegen der Kommunikationsprobleme dazu auf, die Funkfrequenz zu wechseln. Dabei soll die Crew die Zahlenfolge falsch verstanden haben, es konnte danach keine weitere Kommunikation zwischen Pilot und Kontrollturm stattfinden - die Besatzung des Flugzeugs musste die schwierige Situation alleine lösen.

Laut der Recherche sei dabei so viel Zeit verstrichen, dass die Maschine dann schon zu nahe am Flughafen war, um den Anflugweg noch zu treffen. Dieser hätte eigentlich korrigiert werden müssen, da die Fluglage instabil war. Normalerweise gelten für den sogenannten Endanflug feste Parameter, sind diese nicht erfüllt, muss ein Flugzeug durchstarten und einen neuen Landeversuch unternehmen. Aufnahmen des Anflugs zeigen laut "Spiegel" dass das DHL-Flugzeug jedoch "sehr schnell, vielleicht zu schnell" unterwegs war.

Theorie von Sabotageakt kam früh auf

Eilig, aber dann schon zu spät, drosselte die Cockpit-Besatzung die Geschwindigkeit des Flugzeugs, da der Flieger für eine Landung noch zu schnell war. Dem "Spiegel" zufolge soll der Pilot kurz vor dem Aufprall noch versucht haben, die Maschine nach oben zu ziehen, vermutlich um den Absturz in letzter Sekunde noch zu verhindern. Dies habe zu einem Strömungsabfall geführt, das Flugzeug stürzte in ein Wohnhaus.

Dem "Spiegel" zufolge liefern diese Details nur Hinweise auf die Absturzursache. Landungen unter Stress gehören demnach eigentlich zum Berufsalltag von Lotsen und Piloten. Im vorliegenden Fall könnte es jedoch sein, dass die Beteiligten diesem Stress nicht standgehalten haben. Nach dem Absturz der DHL-Maschine war auch darüber spekuliert worden, ob ein Sabotageakt für das Unglück verantwortlich gewesen sein könnte. Unter anderem sprach Bundesaußenministerin Annalena Baerbock von dieser Möglichkeit, auch die litauischen Behörden schlossen einen terroristischen Hintergrund nicht aus.

Nahrung erhielt diese Theorie durch Warnungen der deutschen Sicherheitsbehörden von Ende August vor "unkonventionellen Brandsätzen", die von Unbekannten über Frachtdienstleister verschickt werden. Die Warnung wurde damals in Sicherheitskreisen mit einem Vorfall im DHL-Logistikzentrum Leipzig in Verbindung gebracht, das als weltweites Drehkreuz des Unternehmens fungiert. Dort soll im Juli ein aus dem Baltikum verschicktes Paket Feuer gefangen haben, das einen Brandsatz enthielt. Basierend auf den Ermittlungen kam es auch in Litauen zu Festnahmen, die Anfang des Monats von der Generalstaatsanwaltschaft in Vilnius bestätigt wurden.

Auch BND-Chef geht von Unglück aus

Diese Theorien scheinen nun weniger wahrscheinlich. Auch der Präsident des Bundesnachrichtendiensts (BND), Bruno Kahl, sagte der ARD, es gebe keine belastbaren Erkenntnisse, dass russische Sabotage zum Absturz des DHL-Frachtflugzeugs geführt haben könnte. "Bisher haben wir keine konkreten Hinweise, dass sich etwas in diese Richtung ereignet haben könnte." Ein Verdacht in Richtung Russland sei aber naheliegend, sagte Kahl: "Den Verdacht musste man sofort haben nach den Hinweisen, die wir vorher erhalten hatten." Deutsche Sicherheitsbehörden hätten bereits im Sommer vor selbstentzündenden Paketen in DHL-Frachtflugzeugen gewarnt, betonte der BND-Präsident. Sicherheitskreise hielten für möglich, dass es sich dabei um Sabotage durch russische Geheimdienste handelt.

"Das ist genau das, was Putin im Sinne hat", sagte Kahl mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Er möchte unsere Gesellschaft durcheinanderbringen. Er möchte Zweifel und Angst säen und möchte natürlich auch die Politik dazu bringen, dass sie die Unterstützung für die Ukraine zurückfährt." Die deutschen Behörden hätten dabei ganz generell "Hinweise, dass die kritischen Infrastrukturen ausgespäht werden", sagte Kahl. Es solle zudem "Vorbereitungshandlungen geben, die im Fall des Falles dann auch zu Schadensaktionen führen könnten".

Laut DHL war die aus Leipzig kommende Maschine am frühen Montagmorgen bei einer Notlandung rund einen Kilometer vor dem Flughafen der Hauptstadt Vilnius verunglückt. Ein Besatzungsmitglied aus Spanien starb, die anderen drei aus Deutschland, Spanien und Litauen stammenden Besatzungsmitglieder wurden verletzt.

Quelle: ntv.de, jog/AFP/dpa

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