"Wer will meine Oma beleidigen?" Heimliche Sex-Fotos von Frauen im italienischen Netz


Im Internet findet man alles: Ehefrauen, Töchter, Mütter, Nichten werden hier für pornografische Zwecke angeboten.
(Foto: IMAGO/Zoonar)
Unvorstellbar, was die neapolitanische Investigativ-Reporterin Elisabetta Rosso bei "Fanpage" zu sehen bekam. Und welche Anfragen sie selbst während ihrer Recherchen zu einer Seite erhielt, auf der Männer ihre Großmutter für pornografische Spielchen verkaufen.
Die 29-jährige Journalistin Elisabetta Rosso hatte sich in die geschlossene Facebook-Seite "MiaMoglie", meine Frau, unter einem männlichen Namen eingeschlichen. Eine Seite mit 32.000 Nutzern, also keineswegs eine Sekte. Die Mitglieder waren Männer jeden Alters: Auf der Seite wurde aber nicht, nur unter Männern, über allgemeine Eheprobleme gesprochen, wie der Name der Seite "Meine Frau" suggerieren könnte, sondern es wurden Fotos ausgetauscht. Heimlich aufgenommene, intime Fotos von Frauen der eigenen Familie.
Elisabetta Rosso hatte die Gruppe bei ihren Recherchen im verborgenen Internet-Universum der "Incel" entdeckt. "Incel" ist die Kurzform von involuntary celibate ("unfreiwillig enthaltsam"). Die Szene beschreibt primär junge Männer, die sich von Frauen abgelehnt fühlen und diese Frustration in Onlineforen ausleben. Aus dem Gefühl sexueller und sozialer Ausgrenzung entstehen oft Misogynie, Opfermentalität und teils auch Gewaltfantasien. Nicht alle, die sich als Incel bezeichnen, sind gewaltbereit – aber die Community gilt als Brutstätte frauenfeindlicher Ideologien.
Sie betreiben Internet-Foren, auf denen Männer ihren Hass auf Frauen ausdrücken, weil sie, die "Incels", nach ihrer Ansicht nicht beachtet werden, da sie den Frauen zu dick, zu dünn, oder nicht reich genug wären: Alles Gründe für ihre Hass- und Gewaltfantasien gegen Frauen, die die Welt beherrschen würden. Der Wunsch der Incels: Die Frauen auf ihre Rolle als "Unterleib" für die Männer zurückzuredizieren, immer bereit, dem Manne zu dienen.
Elisabetta Rosso hatte sich zuvor schon in die Welt der "Black Pill" eingeschleust, die zum "Incel"-Universum gehört. Die "Black Pill" ist ein zentraler Begriff dieser Subkultur und spielt auf das "rote" und "blaue" Pillen-Motiv aus dem Film "Matrix" an. Sie steht für eine besonders pessimistische Weltsicht: die Überzeugung, dass Aussehen und genetische Merkmale unveränderlich über romantischen Erfolg entscheiden und jede persönliche Anstrengung sinnlos sei. Wer die Black-Pill-Haltung übernimmt, sieht sich als hoffnungslos verloren – ein Nährboden für Fatalismus und Radikalisierung.
"Der Hass auf Frauen, der 'Incel' und 'Black Pill' -Foren durchzieht, hat Querbeziehungen zur Welt der 'MiaMoglie'-User, habe ich bei meinen Recherchen festgestellt. Durch die Frauenhasser-Gruppen bekam ich Kontakt ins breite Universum der 'MiaMoglie'-User. Das mag wie ein Widerspruch klingen, ist es aber nicht. Die Ehemänner verachten ihre Frauen in Wirklichkeit, sehen in ihnen reine Objekte. Gemeinsam ist ihnen die Sicht auf Frauen: Sexobjekte, die dem Mann zu Willen sein sollten, oder müssen."
"Milf im Angebot!"
Rosso fährt fort: "Was ich dort sah, hätte ich mir - im Jahr 2025 - nie vorstellen können. Da boten Ehemänner heimlich aufgenommene Fotos ihrer nackten Ehefrauen an, und forderten die anderen Besucher auf, mit diesen Fotos zu masturbieren. Ein Schullehrer, dessen Identität wir als echt überprüft haben, fragte nach Nacktfotos von Minderjährigen, ein Enkel bot die Fotos der Oma in Unterhosen feil, weitere stellten Videos der eigenen Mutter mit der anzüglichen pornografischen Bezeichnung 'Milf' ein". Männer wollten wissen, ob sich die anderen Nutzer ordentlich selbst befriedigt hätten beim Blick auf die Sex-Fotos der eigenen Frau, der Tochter oder der Schwester.

Elisabetta Rosso arbeitet seit 2022 undercover, ist auf Netz-Recherchen spezialisiert. In einer anderen Recherche hatte sie beobachtet, wie die Netanjahu-Regierung im Internet kommerzielle Plattformen nutzt, um Kritiker der israelischen Regierung mundtot zu machen.
(Foto: privat)
Übles hatte sie also schon viel gesehen vor dieser Recherche im Universum schmutziger italienischer Männerfantasien und knallharter Diffamierungen. Erstaunlich fand sie nur, dass die Existenz dieser Gruppe um "MiaMoglie" so lange im Schatten geblieben war. So viele Männer jeden Alters haben sie aktiv über sehr viele Jahre genutzt, dennoch ist die Seite erst jetzt ins Rampenlicht gekommen. Ende August hat der Seiten-Eigentümer Meta sie geschlossen, nachdem über 1000 Anzeigen erstattet worden waren: Anzeigen von Frauen, deren intime Fotos ohne Erlaubnis dort veröffentlicht worden sind: "Es wurden ja nicht nur Fotos aus der eigenen Familie ins Netz gestellt, auch heimlich in der Öffentlichkeit aufgenommene Fotos und Videos."
Allzeit bereit
Elisabetta ist immer noch erschüttert über diesen grausigen Einblick in eine männliche Welt, in der Frauen nur wandelnde Unterleibe sind, auf ihre Sexualität reduziert, die zur Verfügung des Mannes stehen müssen. "Was ich da gesehen habe, bei meiner Recherche, ist eine Welt, in der Männer frei über den Körper der Frauen verfügen können."
"MiaMoglie" ist beziehungsweise war nicht das einzige Internet-Forum in Italien für private Sex-Fotos und Videos. Während die Männer bei "MiaMoglie" aus den Fotos keinen Gewinn erwirtschafteten, war das bei dem Universum von "Phica.eu" anders. Die Seite hat einen im Italienischen klaren Namen: "Fica" ist im italienischen Vulgärsprachgebrauch die Möse, Phica ist als die Möse chic mit ph für f geschrieben. Diese Seite und ihre Vorgänger gibt es seit 20 Jahren. Früher hieß sie RIV,"Ragazze In Vendita" - Mädchen zum Verkauf. Der Fall Phica.eu hat ein ganzes Universum sichtbar gemacht: Fast 800.000 Nutzer, über zwanzig Jahre gesammelte Inhalte - ein rein italienisches Phänomen, abseits der großen Pornomarken.
Die Recherchen zeigten: Es ist ein System der Erpressung über anonyme Telegram-Profile und ein Netzwerk anderer Plattformen, auf denen die Umsätze noch größer waren. RIV war früher spezialisiert auf Cam-Girls, die sich gegen Bezahlung vor der Kamera zeigen - eine verbreitete Form der Pornografie, bevor OnlyFans populär wurde. Der Erfinder von RIV, Trovert Majacef, rühmte sich: "Ich gestehe: Ich leite eine der wichtigsten erotischen Chatplattformen mit einem monatlichen Umsatz im fünfstelligen Bereich." Trovert erzählt freimütig, er habe schon als Schüler mit Informatik - genauer gesagt mit Software-Piraterie - Geld verdient. Bereits in der Mittelstufe kopierte er populäre Videospiele auf Disketten und verkaufte sie. Seine erste Bezahlung? Ein gebrauchtes Pornomagazin. Später arbeitete er für Dritte, die erotische Telefonate über teure Dialer-Technik anboten. Neben Sexlines gab es dort sogar Unterhaltungsdienste für einsame Senioren, "Gute-Nacht-Geschichten" für Kinder, die mehrere Euro pro Minute kosteten, und Online-Kartenlegerinnen für alle.
Mit der eigenen Webcam gehackt
Die Ermittlungen in Italien kamen in Schwung, weil ein bekannter Moderator, Stefano De Martino, mit einer gehackten Webcam in der Wohnung seiner Freundin Caroline Tronelli bei intimen Handlungen gefilmt wurde. Da erst begann die italienische Medienwelt Notiz zu nehmen: Weil es einen Promi und seine Freundin betraf.
Auch bei "Phica.eu" wurden intime Fotos von Frauen ohne deren Einverständnis mit obszönen Kommentaren veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft Rom ermittelt seitdem wegen "Revenge Porn", also Rachepornos. Auf die Hintermänner der Seite kam die Polizei durch die Anzeige der Bürgermeisterin von Florenz, Sara Funaro. Ihre und die Fotos anderer prominenter Politiker aus mehreren Parteien wurde mit KI verändert, in Sex-Posen oder sogar in KI-Videos eingebaut. Erst schrieben zahlreiche Nutzer der Seiten extrem sexistische Kommentare, dann aber wurden diese KI-Fotos auch zur Erpressung genutzt. Die Autoren sexistischer Kommentare müssen mit Anzeigen rechnen, sie werden von der Polizei ermittelt. Doch bei Phica.eu ging es um mehr - es ging um viel Geld: Nutzer konnten sich in besonders geschützte Bereiche einloggen, gegen ein monatliches Abo, im dem es die "besten" Intimfotos und Videos zu sehen gab.
"Doch damit nicht genug", erzählt Cyber-Investigativ-Rechercheur Alex Orlowski ntv.de: "Ich bin von einer Politikerin, Alessia Morani, angesprochen worden, von der KI-manipulierte Videos auftauchten. Wir haben dann eine Recherche über die Urheber gemacht. Dabei haben wir begriffen, wie man mit diesen Fake-Fotos Geld verdient: Die Seitenbetreiber taten einfach gänzlich unschuldig und boten den betroffenen Frauen, die sich beschwerten und eine Löschung betreffender Inhalte verlangten, eine 'Dienstleistung' an, ein Abo: Für monatlich einige hundert Euro würde man sich bereit erklären, die Sex-Fotos und Intim-Videos aus dem Netz zu löschen. Wobei 'Netz' in diesem Fall allein die eigenen Internet-Seiten meinte."
Orlowski machte sich im Internet auf die Suche nach den wahren Betreibern, den Nutznießern. Dabei musste er sich durch viele anonyme Anmeldungen auf den Seiten amerikanischer Betreiber arbeiten, um am Ende fündig zu werden. "Uns war aufgefallen, dass eine der untersuchten Seiten einen Betreiber hatte, der sich hinter Katzenfotos versteckte. Das haben wir dann verbunden mit einer Porno-Seite, die dieselben Katzenfotos nutzte. Das klingt jetzt schräg, aber es funktionierte: Die Frauen, die ihre intimen Bilder löschen lassen wollten, mussten an die Porno-Seite mit den Katzenfotos überweisen, so, als ob sie Katzenfotos haben wollten. Dahinter steckte dieselbe Person - die dann die Intim-Bilder löschte." Die Staatsanwaltschaften von Rom und Florenz ermitteln mittlerweile wegen Erpressung, wegen Steuerdelikten und Geldwäsche.
Auch der Fall des Fernsehmoderators De Martino ist längst Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen. In dem Falle wurden die Intim-Videos nicht freiwillig ins Netz gestellt, sondern die Webcam im Hause der Verlobten war gehackt worden. Orlowski: "Das ist bei der laschen Sicherheit vieler Systeme sehr einfach. Da stimmt der Nutzer dann gedankenlos zu, die eigene Webcam aus der Wohnung in der Cloud eines unbekannten Servers zu speichern, auf den Unbekannte leicht Zugriff haben können".
Für Italiens Frauen war es ein Schock, zu entdecken, dass zehntausende Männer ihre Intimität nicht geachtet hatten, dass die größte Gefahr für sie aus der eigenen Familie kam. Die Intimvideos des Paares De Martino-Tronelli zirkulieren immer noch, auf Kanälen, die nicht mit der italienischen Polizei zusammenarbeiten.
Die beiden Internet-Seiten wurden auf Antrag der italienischen Staatsanwaltschaft mittlerweile geschlossen. Aus Italien sind sie nicht mehr erreichbar.
Quelle: ntv.de