Der doppelte Albtraum im Kongo Im Kriegsgebiet bricht Ebola aus
17.08.2018, 16:14 Uhr
Ein Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereitet Impfungen für Helfer vor.
(Foto: dpa)
Im Kongo sind 73 Menschen mit dem tödlichen Ebola-Virus infiziert. Der neue Ausbruch ereignet sich mitten im Kriegsgebiet - Ärzte und Helfer können nur mit Militärs als Begleitschutz in die betroffenen Orte reisen.
Richard Kitenge sitzt übernächtigt in seinem Büro. Das Telefon des Ebola-Notfallkoordinators des kongolesischen Gesundheitsministeriums klingelt immer wieder. Kitenge antwortet genervt und reibt sich dabei die müden Augen. Es ist der zweite Ebola-Ausbruch im Kongo in diesem Jahr, den Kitenge managen muss. Und dieses Mal ist alles noch schlimmer als beim letzten.

"Die Zahlen steigen nach wie vor", sagt Ebola-Notfallkoordinator Kitenge.
(Foto: Simone Schlindwein)
Der erste Ausbruch war erst vor zwei Wochen als "eingedämmt" erklärt worden. Das tödliche Virus hatte im Norden des riesigen Landes, in der Provinz Equateur, 33 Menschenleben gekostet. Die massenweise Ausbreitung in größeren Städten konnte gerade noch rechtzeitig verhindert werden. Nun häufen sich die Fälle im Osten der Demokratischen Republik Kongo, mitten im Kriegsgebiet. Das UN-Koordinierungsbüro (OCHA) spricht von einem "doppelten Albtraum".
Seit Beginn des Monats wurden in der Krisenregion rund um die Millionenstadt Beni 73 Ebola-Fälle gemeldet. Davon sind 46 bestätigt, 27 Patienten sind unter Beobachtung. 43 Menschen sind bereits gestorben. Die Patienten zeigen Symptome wie hohes Fieber, Kopfschmerzen und blutige Ausläufe aus Nasen und Ohren.
"Die Zahlen steigen nach wie vor", sagt Kitenge. Aber immerhin: Tests ergaben, dass der Erreger im Ostkongo nicht derselbe ist wie im Norden. Sprich: Das Virus wurde nicht quer durch das Land übertragen. Zumindest eine gute Nachricht.
14 Zivilisten abgemetzelt
Das in Afrika vorkommende Ebola-Virus gehört zu den gefährlichsten Krankheitserregern der Welt. Es führt in 50 bis 90 Prozent der Fälle zum Tod. Trotz intensiver Forschung gibt es weder eine vorbeugende Impfung noch ein Heilmittel.
Das Virus wird nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts hauptsächlich durch direkten, engen Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen, wahrscheinlich über bluthaltige Körpersekrete. Nach einer Inkubationszeit von zwei Tagen bis drei Wochen führt die Krankheit meist zu Fieber und inneren Blutungen (hämorrhagisches Fieber), die Mehrheit der Patienten stirbt an Lungenversagen und Kreislaufschock.
Das Virus, das zuerst am Ebola-Fluss im Kongo auftauchte, lässt sich im Blut, Urin und Rachensekret nachweisen. Schon der Verdacht auf eine Erkrankung ist in Deutschland meldepflichtig.
Zu den größten Problemen beim neuerlichen Ausbruch gehört der Zugang zu den Krisenregionen. Dort tummeln sich weit mehr als 100 verschiedene Rebellengruppen. Besonders die Region rund um die Millionenstadt Beni, wo nun die meisten Fälle bestätigt werden, ist seit rund vier Jahren umkämpftes Gebiet. Dort kommt es regelmäßig zu Massakern und Entführungen durch Milizen. Erst vergangene Woche wurden 14 Zivilisten verschleppt und abgemetzelt.
Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, bezeichnet die Krisenregion als eine "förderliche Umgebung für die Verbreitung von Ebola". Und auch Kongos Ebola-Koordinator Kitenge sagt: "Viele Ebola-Fälle liegen in sogenannten Roten Zonen."
Einer dieser Orte ist die Kleinstadt Oicha, 45 Kilometer nordwestlich von Beni. Sie ist seit vier Jahren Frontstadt im Krieg zwischen Armee und Rebellen. Ein Großteil der Bevölkerung ist geflohen. Unter denen, die noch da sind, gibt es nun aber einen Ebola-Verdachtsfall. Ein weiterer Mensch ist bereits an Ebola-typischen Symptomen gestorben. Für Experten und Ärzte ist der Zugang schwierig. Um dort hinzugelangen, so erklärt es Kitenge, brauchten sie militärischen Begleitschutz. Doch der ist rar.
Durch die UN-Mission im Kongo (Monusco) sind eigentlich große Kräfte vor Ort. Monusco ist mit knapp 20.000 Blauhelmsoldaten die teuerste und aufwendigste UN-Mission weltweit. Doch die Blauhelme sind schon komplett damit ausgelastet, in diesem Zirkus von Rebellen und Milizen die Bevölkerung zu schützen. Jetzt muss die UN alles in die Wege leiten, neben Milizen auch das weltweit tödlichste Virus zu bekämpfen.
Die Kongolesen kennen sich mit Ebola aus
Vergangenen Freitag hat die UN zwei große Flugzeuge bereitgestellt, um Ärzte und Ausrüstung quer durch das gewaltige Land zu fliegen. Ein großer Vorteil war: Internationale Ärzte, Pfleger, Logistiker sowie Ebola-Experten der WHO waren bis Ende Juli bereits im Nordkongo im Einsatz. Ein Großteil der Ausrüstung - also Isolierzelte, Schutzanzüge, Waschbehälter und anderes - war noch nicht einmal außer Landes geflogen worden. Die UNO musste die Ausrüstung nun einfach nur quer durch das Land fliegen. Die Ebola-Teams konnten also relativ schnell reagieren.
Auch die Kühlkisten mit dem neuen Impfstoff waren noch auf Vorrat gelagert. Dieser war im Nordkongo im Juni zum ersten Mal weltweit zum Einsatz gekommen. Damit konnten Ärzte, Pfleger und direkte Verwandte der Infizierten vorbeugend geimpft werden. Seit Mittwoch werden jetzt auch die Ebola-Teams im Osten damit geimpft. Kitenge gibt sich deswegen zuversichtlich: "Nach der systematischen Impfung müssten wir die Lage bis nächste Woche in den Griff bekommen", sagt er. Die Kongolesen kennen sich mit Ebola aus. Das Virus stammt aus dem Dschungel im Herzen Afrikas und ist benannt nach einem Fluss, der durch den Kongo fließt.
Und noch ein weiteres Präparat kommt jetzt weltweit zum ersten Mal zum Einsatz: ein Molekül, das infizierten Patienten als Behandlung verabreicht wird. Das Medikament war bislang nur an Affen getestet worden, zeigte aber 100-prozentige Heilung. "Die Anwendung an Menschen ist also ein Test. Aber mit der systematischen Behandlung können wir auch die Ergebnisse dann studieren", so Ebola-Experte Kitenge. Das Molekül stammt vom Blut eines Ebola-Überlebenden vom Ausbruch in Westkongos Stadt Kikwit im Jahr 1995.
Bleiben alle Blauhelme?
Karin Huster, Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF), ist im Ort Mangina im Einsatz, dem Epizentrum des Ausbruchs. Sie hat dort ein Behandlungszentrum für Ebola-Patienten eingerichtet, quasi eine Isolierstation. Derzeit befinden sich darin 37 Patienten, bei 31 von ihnen wurde das Ebola-Virus im Labor bestätigt. Das Problem: Die Station hat nur vier Betten, so Huster per Telefon: "Und die sind alle voll".
Es sei extrem wichtig, die Fehler der Ebola-Epidemie in Westafrika nicht zu wiederholen, erklärt die Ärztin. In Westafrika starben von 2014 bis 2016 rund 11.000 Menschen. "In Westafrika waren die Gesundheitszentren nicht gut geschützt", erinnert sie sich. Die Menschen seien wegen anderer Krankheiten gekommen und hatten sich letztlich "in der Gesundheitsstation dann bei den Ebola-Patienten angesteckt". MSF will nun in den Gesundheitszentren sogenannte Auffangstationen einrichten, in welchen Patienten mit Ebola-Symptomen direkt isoliert werden, damit sie nicht mit anderen Patienten in Kontakt kommen.
Die UN sorgt sich wiederum um den Schutz ihrer Angestellten und Blauhelme. Sie hat vier Sarkophage importiert, mit denen sich Ebola-Patienten sicher und isoliert ausfliegen lassen, auch in Krankenhäuser jenseits des Kongo. Bestimmt seien diese jedoch nur für internationale UN-Angestellte und Blauhelme, also nicht für Kongolesen. Die UNO ist weltweit verpflichtet, ihre Angestellten zu versorgen. In der Monusco fürchtet man, dass aus den truppenstellenden Ländern, deren Blauhelme in der Ebola-Region stationiert sind, bald der Befehl kommt, deren Soldaten abzuziehen, um sie nicht dem Risiko auszusetzen. Dann müssten kongolesische Soldaten für Sicherheit sorgen. Ein kongolesischer General, dessen Spezialeinheiten in Beni kämpfen, sagt: "Das kann ich meinen Jungs dann schlecht erklären, warum sie dableiben müssen, wenn andere abgezogen werden."
Quelle: ntv.de