Panorama

Nach Problemen mit AstrazenecaImpfstoff-Wahlfreiheit in Berlin auf der Kippe

17.02.2021, 20:52 Uhr
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Gesundheitssenatorin Kalayci bei der Eröffnung des Berliner Impfzentrums im Velodrom. (Foto: picture alliance/dpa/POOL AP)

Trotz der Klagen über knappe Impfstoffe läuft es bei der Vergabe bereits gelieferter Dosen alles andere als rund: Weil die Verabreichung des Astrazeneca-Vakzins stockt, plant der Berliner Senat, die Wahlfreiheit wieder abzuschaffen. Im Nordosten liegt der Rückstau an Fehlern in der Kühlkette.

Die Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin verlaufen in mehreren Bundesländern stockend. Berlin zieht daraus nun offenbar Konsequenzen und plant die Abschaffung der Impfstoff-Wahlfreiheit. Das berichtete der "Tagesspiegel" mit Verweis auf Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci.

Allerdings äußerte sich die SPD-Politikerin zu der Frage in mehreren Tweets maximal widersprüchlich. Zur Eröffnung des fünften Berliner Impfzentrums im Velodrom im Prenzlauer Berg teilte die Gesundheitssenatorin mit, die freie Impfstoffwahl für Berliner bleibe bestehen, weil den Impfzentren der Stadt feste Impfstoffe zugeordnet seien. In einem zweiten Tweet hieß es dann, alle die jünger als 65 Jahre seien, vor allem Ärzte und Pflegekräfte, würden mit Astrazeneca geimpft. Im dritten Tweet verlautete es dann, sobald niedergelassene Ärzte das Impfen übernehmen, "kann es keine Wahlfreiheit mehr geben".

Ob die Rücknahme der Wahlfreiheit eine vertrauensbildende Maßnahme ist, erscheint zweifelhaft. Zuvor hatte es aus mehreren Bundesländern - Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Berlin - Hinweise gegeben, dass insbesondere das medizinische Personal die Impfung mit Astrazeneca verweigere und Impftermine ohne Absage habe platzen lassen.

Inzidenz in Berlin leicht gesunken

Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen mit dem Coronavirus liegt in Berlin bei 445. Das geht aus dem Corona-Lagebericht der Gesundheitsverwaltung hervor. Am Tag davor waren es 296. Am Mittwoch vor einer Woche hatten die Gesundheitsämter noch 546 Neuinfektionen gemeldet. Eine leichte Verbesserung gibt es bei der sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz. Nach den Daten aus dem Lagebericht haben sich innerhalb von sieben Tagen im Schnitt 53,7 von 100.000 Menschen mit dem Virus infiziert, am Dienstag lag der Wert noch bei 56,3.

An dieser Stelle steht die Berliner Corona-Warn-Ampel seit Langem auf Rot. Auf Gelb umspringen würde sie erst ab einem Wert von 30, ab 20 auf Grün. Innerhalb Berlins gibt es dabei deutliche Unterschiede: Den niedrigsten Wert hat der Bezirk Steglitz-Zehlendorf mit 39,7, den höchsten Lichtenberg mit 72,7.

Gelb zeigt die Ampel beim Anteil der mit Covid-19-Patienten belegten Intensivbetten: Er beträgt 21,2 Prozent. Das ist etwas weniger als am Vortag (21,9) und wieder auf dem gleichen Niveau wie vor zwei Tagen. Die Schwelle für ein rotes Ampelsignal sind 25 Prozent. Bei der Reproduktionszahl, die angibt, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt, zeigt die Warnampel auf Grün. Sie liegt derzeit bei 0,68 im Vergleich zu 0,81 am Tag davor. Nur wenn der Wert sich dauerhaft deutlich unter 1 bewegt, kann die Pandemie eingedämmt werden.

Kühlpanne: Schwerin setzt Impfungen aus

In Mecklenburg-Vorpommern verzögert sich die weitere Impfung mit Tausenden Dosen des Vakzins von Astrazeneca derweil aus einem anderen Grund: einer Kühlpanne. Es gebe Hinweise darauf, dass Probleme des Großhändlers beim Transport aufgetreten sind, teilte das Gesundheitsministerium in Schwerin mit. Neben der Auslieferung von 8400 Dosen vom 15. Februar werde nun auch die Auslieferung von 6000 Dosen vom 11. Februar untersucht.

Mitarbeiter eines Impfzentrums hatten bemerkt, dass der gelieferte Impfstoff zu kalt war. Er hatte eine Temperatur von unter null Grad, zugelassen ist laut Ministerium eine Spanne zwischen plus zwei und plus acht Grad. Daraufhin setzte das Gesundheitsministerium in Schwerin die Verwendung vorsorglich aus. Bis zur Wiederaufnahme der Impfungen müssten die Lieferkette nachvollzogen und mögliche Fehlerquellen ausgeschlossen werden, betonte Minister Harry Glawe.Der vorsorglich nicht verwendete Impfstoff soll bis zur Klärung aller Hintergründe und möglicher Folgen weiter gelagert werden. Dann werde entschieden, wie mit den Dosen weiter verfahren wird. Bislang hätten in MV rund 2200 Menschen den Impfstoff erhalten. Glawe appellierte: "Wer sich unwohl fühlt, sollte vorsorglich den nächsten Arzt aufsuchen."

Hintergrund ist eine zunehmende Verunsicherung und teils Misstrauen gegenüber dem britisch-schwedischen Hersteller Astrazeneca und seines Präparats. Der Impfstoff wird in Deutschland bisher nur für Menschen zwischen 18 und 64 empfohlen, weil bei den Studien zu wenige ältere Patienten teilgenommen hatten. Auch die Wirksamkeit wird mit nur 80 Prozent niedriger angegeben als bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna. Das hat ihm den Ruf eingetragen, ein Impfstoff zweiter Klasse zu sein. Experten weisen das allerdings vehement zurück.

Quelle: ntv.de, mau/dpa

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