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Astrazeneca-Manager im Interview"Impfstoffe sind komplett gleich wirksam"

02.03.2021, 18:25 Uhr
AstrazenecaITV
Astrazeneca-Vize Deutschland Hinterding: "Dieser Impfstoff wird sehr wichtig für die Bewältigung der Pandemie sein."

Den Astrazeneca-Impfstoff bekommen hierzulande derzeit vor allem jüngere Menschen verabreicht . Weil diese Menschen stärkere Immunantworten zeigen, werde die Gefahr von Nebenwirkungen überschätzt, sagt Astrazeneca-Direktor Klaus Hinterding gegenüber ntv. Das könnte sich aber schon bald ändern.

Den Astrazeneca-Impfstoff bekommen hierzulande vor allem jüngere Menschen verabreicht. Weil diese Menschen stärkere Immunantworten zeigen, werde die Gefahr von Nebenwirkungen überschätzt, sagt Astrazeneca-Direktor Klaus Hinterding ntv. Schon bei der zweiten Dosis verändere sich das Bild.

ntv: Rund um den Impfstoff der Firma Astrazeneca gibt es viele Vorurteile und auch Bedenken. Verglichen mit den anderen Impfstoffen, die auf dem Markt sind: Ist Ihr Impfstoff zweite Wahl?

Klaus Hinterding: Wir haben in unseren klinischen Studien beim Astrazeneca-Impfstoff eine Wirksamkeit von ungefähr 70 Prozent gesehen, bei Biontech hieß es 95 Prozent. Wenn man sich jetzt die realen Daten in England und Schottland ansieht, dort, wo die Impfkampagne wirklich durchgeführt wurde, da verwischen sich diese Unterschiede, und beide Impfstoffe sind in dieser jetzt publizierten Analyse komplett gleich wirksam.

Es wird über starke und häufige Nebenwirkungen berichtet. Ist das bedenkenswert?

Der Impfstoff ist sicher. In unseren klinischen Studien haben wir keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet, die mit unserem Impfstoff in Verbindung gebracht werden konnten. Jetzt wird er millionenfach verimpft, und auch dort sehen wir bislang keine Reaktionen, die wir nicht erwartet hätten. Und drittens ist er von Behörden wie der europäischen Arzneimittelbörde zugelassen worden, und auch von der Ständigen Impfkommission (Stiko) und von der WHO empfohlen.

Die Wahrnehmung der Nebenwirkungen ist tatsächlich etwas verzerrt, und das liegt daran, dass in Deutschland der Astrazeneca-Impfstoff vor allem bei jungen Menschen verimpft wird. Junge Menschen reagieren naturgemäß stärker auf den Impfstoff und melden dann auch häufiger diese Nebenwirkungen, also Schmerzen an der Einstichstelle und unter Umständen erkältungs- und grippeähnliche Symptome. Außerdem zeigt der Astrazeneca-Impfstoff seine Impfreaktion vor allem nach der ersten Dosis, nach der zweiten weniger. Und das könnte bei den mRNA-Impfstoffen anders sein.

Bisher wird der Impfstoff in Deutschland nur bei unter 65-Jährigen verimpft. Was sagen Ihre Daten, wie wirksam und sicher er ist für diejenigen, die älter als 65 Jahre sind?

Er ist von der Europäischen Arzneimittelbehörde auch für Menschen über 65 Jahre zugelassen. Aber die Stiko empfiehlt unseren Impfstoff bis zu einem Alter von 64 Jahren. Sie hat ihre Entscheidung aufgrund der damals vorliegenden Daten getroffen. Aber ich bin mir sicher, dass die Daten, die wir jetzt aus England und Schottland bekommen, wo der Impfstoff gerade ältere Menschen vor schweren Erkrankungen geschützt hat, auch zur Berücksichtigung bei der Stiko führen werden.

Die Vorurteile stehen dennoch im Raum. Was ist da schief gelaufen? Was hätte bei der Kommunikation besser laufen können oder sogar müssen?

Wir haben durchaus einige Sachen gelernt, sagen wir es mal so. Wir haben uns sehr lange auf unseren eigentlichen Job konzentriert, nämlich die Entwicklung des Impfstoffes. Vielleicht haben wir ein bisschen unterschätzt, dass die mediale Begleitung gerade im Impfstoffgeschäft extrem groß ist und wir dort auch mehr Aufklärungsarbeit hätten leisten müssten. Das versuchen wir jetzt auch zu verbessern.

Der Astrazeneca-Impfstoff bringt aber auch einige Vorteile mit sich. Welche Rolle wird er vor diesem Hintergrund global gesehen spielen?

Der Impfstoff kommt auch ohne aufwendige Kühlkette aus, er kann relativ leicht transportiert und dann verimpft werden. Er kann in Hausarztpraxen verimpft werden, auch das hat wieder mit der Kühlkette zu tun. Das ist ein ganz wesentlicher Vorteil für Deutschland, aber auch für weitere Länder. Er wird von Astrazeneca während der Pandemie zum Selbstkostenpreis abgegeben. Das ist vielleicht für Deutschland gar nicht so relevant, wir sind ein relativ reiches Land und da spielt der Preis einer Impfung vielleicht keine Rolle, aber für andere Länder in Südamerika, Asien, Afrika ganz sicher. Dieser Impfstoff wird sehr wichtig für die Bewältigung der Pandemie sein.

In Südafrika hat eine Mutation eine wesentliche Rolle gespielt. Wie wirksam ist Ihr Impfstoff da?

Gegen die britische Mutation wirkt der Astrazeneca-Impfstoff sehr deutlich, das haben wir jetzt erst wieder in den Daten aus Schottland und England gesehen. In Südafrika haben wir eine kleine Studie durchgeführt, in der tatsächlich eine Wirksamkeit gegen die leichten Verläufe der Erkrankung nicht belegt werden konnte. Die Population aber, die wir in Südafrika getestet haben, bestand aus sehr gesunden, jungen Menschen. Damit traten gar keine schweren Verläufe auf, sodass wir nicht sagen können, ob der Impfstoff vor den schweren Verläufen schützt. Dazu müssen wir definitiv weitere Daten erheben.

mRNA-Impfstoffe sind in der Herstellung und der Entwicklung vergleichsweise flexibel, zumindest verglichen mit Ihrem Impfstoff. Können Sie auf mögliche weitere Mutationen überhaupt schnell genug reagieren?

Ja, das können wir auf jeden Fall. Die Anpassung eines Vektor-Impfstoffes im Labor läuft innerhalb von wenigen Wochen. Das ist ähnlich wie bei der mRNA. Aufwendig und zeitintensiv sind dann eher die klinische Untersuchung und auch natürlich die regulatorischen Zulassungsdiskussionen. Aber der Impfstoff kann im Labor relativ schnell an neue Varianten angepasst werden, und das machen wir auch.

Was hat dort dafür gesorgt, dass die zugesagten Mengen im ersten Quartal nicht in der EU eingetroffen sind?

Das kann ich im Detail gar nicht kommentieren, aber in so einem relativ komplexen Verfahren kommt so etwas durchaus vor. Zum Beispiel, dass Anpassungsschwierigkeiten stattfinden, wenn man von einem kleinen Kessel, in dem die Zellkulturen kultiviert werden, in einen größeren Kessel geht. Dann kann die Ausbeute an Impfstoff aus dieser Zellkultur durchaus etwas kleiner ausfallen, als in dem kleineren Kessel vorher. Solche Sachen passieren und sind in diesem Fall auch passiert.

Sie wollen die Einhaltung der bestellten Liefermengen möglichst schnell bewerkstelligen und sagen, es war nicht unerwartet. Aber hätte man vor diesem Hintergrund nicht vorausschauender reagieren und planen können?

Ich glaube, dass wir tatsächlich alles gemacht haben. Wie gesagt, ich hätte nicht erwartet, dass wir innerhalb von zehn Monaten die Produktion und die Verteilung dieses Impfstoffes überhaupt so auf die Reihe kriegen. Fehler passieren, gerade bei so komplexen Prozessen. Normalerweise hat man einfach deutlich mehr Zeit, sich vorzubereiten und diese Fehler auszumerzen, bevor das Produkt auf den Markt kommt. Das wurde hier alles parallel gemacht. Ich glaube nicht, dass man vorausschauender hätte agieren können, nein, tatsächlich nicht.

Mit Klaus Hinterding sprach Bastian Vollmer.

Quelle: ntv.de

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