Panorama

Suche nach Zweijährigem In Totalán hoffen alle auf ein Wunder

An der Unglücksstelle ist inzwischen schweres Gerät eingetroffen.

An der Unglücksstelle ist inzwischen schweres Gerät eingetroffen.

(Foto: imago/CordonPress)

Beim Sonntagsspaziergang fällt der zweijährige Julen in einen Schacht von nur 25 Zentimetern. Seitdem hofft ein ganzes Land mit der Familie, dass es gelingt, den Jungen zu retten. Doch das erweist sich als äußerst schwierig.

Eine schleppende Ewigkeit lang hat sich der Lastwagen mit seiner tonnenschweren Ladung die Berge von der Autobahn 7 hinauf gequält bis an den Ortsrand von Totalán in der spanischen Provinz Málaga. Beamte der Guardia Civil bahnen dem Fahrzeug wild gestikulierend den Weg, so nah wie möglich heran an die Unglücksstelle. Es sind bereits quälende drei Tage vergangen, seitdem dort ein zweijähriger Junge durch einen 100 Meter tiefen Schacht in die Tiefe gerutscht ist, so als habe ihn der Berg förmlich verschluckt.

Die meterlangen Eisenrohre auf der Ladefläche des LKW sind die letzte Hoffnung Julen lebend zu bergen. Sie müssen die beiden Tunnel stabilisieren, die in aller Eile gegraben werden, um an das Kind heranzukommen. Keine Sekunde darf mehr verschenkt werden. Wenn der Junge noch lebt, dann läuft die Zeit gegen ihn.

José Rosello (r), der Vater des zweijährigen Julen, hat bereits ein Kind verloren.

José Rosello (r), der Vater des zweijährigen Julen, hat bereits ein Kind verloren.

(Foto: dpa)

Wunder gibt es immer wieder. Warum nicht hier, warum nicht jetzt? "Wir haben einen Engel, der unseren Sohn beschützt", sagt der Vater des Kindes. José Rosello steht am Mittag vor mehr als einem Dutzend Mikrofonen von Reportern und Kamerateams aus ganz Spanien. "Viele Leute sagen, sie können nachempfinden, wie es uns geht. Aber das kann niemand, der das nicht selbst erlebt", sagt er.

Neben Rosello steht jemand, der die Intensität dieser Angst um das Leben des eigenen Kindes aus eigener Erfahrung kennt. Juan José Cortes verlor vor zehn Jahren seine fünfjährige Tochter, die wochenlang gesucht und schließlich ermordet aufgefunden wurde. Cortes gründete eine Vereinigung für Eltern, deren Kinder ebenfalls ums Leben kamen oder als vermisst gelten. In Totalán steht er wie einige Psychologen den Eltern eng zur Seite. Cortes bittet um Sensibilität der Medienvertreter beim Interview mit dem Vater.

Pure Verzweiflung

"Jetzt nachdem die Rettung voll in Gang gekommen ist, sehe ich ein Licht", sagt Rosello. Er bedankt sich bei den Helfern, die rund um die Uhr arbeiten. Er bleibt sachlich, aber die Anspannung der letzten 72 Stunden hat ihn gezeichnet. Bis gestern Nachmittag spürten die Eltern fast nichts außer purer Verzweiflung, weil die Rettungsaktion schleppend anlief. Freunde und Verwandte klagten darüber, wie es sein könnte, dass in einem EU-Land wie Spanien zwei Tage nach dem Unglück noch immer nicht die nötigen Maschinen und Technik an Ort und Stelle seien. Das lag auch daran, dass spezielles Gerät aus der Bergbauregion Asturien im Norden des Landes erst herangeschafft werden musste. Auch Fachleute aus Asturien sind jetzt vor Ort. Sie sollen die letzten Meter der Rettungstunnel mit der Hand graben, um zu verhindern, dass das Erdreich einstürzt oder der Junge verletzt wird.

Die Retter graben zwei Tunnel zu der Stelle, an der Julen vermutet wird. Einen, der weitgehend parallel zum Unglücksschacht verläuft und dann in dessen Richtung abknickt, und einen anderen, der horizontaler auf den Schacht zuläuft. Auf diesen zweiten Tunnel setzen die Experten die meiste Hoffnung. In der Nacht zum Donnerstag, heißt es, spätestens aber in der Nacht zum Freitag soll der Junge gefunden werden.

Die Vermutung, dass die Helfer möglicherweise völlig vergebens nach dem Kind suchen, ist seit Mittwochmorgen indes ausgeschlossen. Es gebe einen wissenschaftlichen Beweis, teilten die Behörden mit, dass Julen tatsächlich in den Schacht gerutscht ist. Offenbar wurden Haare des Jungen im Berg gefunden, die durch eine DNA-Probe unzweifelhaft zugeordnet werden konnten. Zuvor waren öffentlich Stimmen laut geworden, die die Schilderung des Ablaufs des Unfalls durch die Eltern als wenig glaubwürdig bezeichnet hatten. Beispielsweise hatte ein Geo-Radiologe in einem Interview gesagt, dass es technisch unmöglich sei, dass ein Kind durch den Schlund mit einem kolportierten Durchmesser von nur 25 Zentimetern gleiten könnte. "Der Beweis ist für uns nicht wichtig. Wir haben gesehen, wie der Junge vor unseren Augen verschwunden ist", sagte der Vater dazu. Offen ist bislang die Frage, weshalb der Schacht nach dessen Bohrung nicht besser gesichert wurde. Lediglich ein paar lose Steine sollen den Zugang verdeckt haben.

Die Anteilnahme im Land an der Tragödie ist riesengroß. Das Schicksal der Familie erschüttert viele Spanier. Auch Premierminister Pedro Sanchez hatte über Twitter seine Hoffnung und Angst um das Kind mitgeteilt. "Ich will mich bedanken für die großartige Unterstützung der Menschen", sagte Rosello. Vor zwei Jahren erst hatten die Eltern Julens damals kaum älteren Bruder verloren, dessen Herz mit drei Jahren völlig unerwartet aufhörte zu schlagen.

Quelle: ntv.de

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