Panorama

Gutachterin traf gesetzten Herrn Josef Fritzl wirkte im Alltag völlig normal

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Bis heute sitzt Fritzl in der Justizvollzugsanstalt Stein in der Wachau.

Bis heute sitzt Fritzl in der Justizvollzugsanstalt Stein in der Wachau.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Josef Fritzl baut für seine heranwachsende Tochter ein Verließ und hält sie und die aus den ständigen Vergewaltigungen entstandenen Kinder dort mehr als 20 Jahre gefangen. Der Fall hat bis heute nichts von seinem Schrecken verloren. Nach außen habe man davon nicht ahnen können, meint Fritzls psychiatrische Gutachterin.

Der vor 15 Jahren als "Monster von Amstetten" bekanntgewordene Josef Fritzl war aus Sicht der psychiatrischen Gutachterin Adelheid Kastner ein völlig normal wirkender Mensch, der die Außenwelt gut täuschen konnte. "Er war ein älterer, gesetzter, geordneter Herr mit durchschnittlicher Intelligenz und Bildung", erinnert sich Kastner an die vielen Gespräche mit dem heute 88-Jährigen. Dass die Nachbarschaft in der österreichischen Kleinstadt von seinen Verbrechen 24 Jahre lang nichts mitbekommen hat, hält sie für absolut nachvollziehbar.

Vor Bekanntwerden der Tat hätte ohnehin niemand gedacht, dass so etwas möglich ist. "Das Delikt hat durch die Dauer eine gewisse Singularität in der Kriminalgeschichte", sagte Kastner. Fritzl hatte im August 1984 seine damals 18-jährige Tochter in den schalldicht ausgekleideten Keller seines Hauses gesperrt, sie in den Folgejahren tausendfach vergewaltigt und sieben Kinder mit ihr gezeugt. Eines davon starb nach wenigen Tagen.

Die Ehefrau, die im ersten Stock des Hauses mit dem Rest der Familie lebte, hatte nach Feststellung der Behörden nichts von alldem mitbekommen. Auch das hält Kastner angesichts der Aufgabenverteilung im Haus und der Art der Beziehung für nicht überraschend. Es gebe viele Beziehungen, in denen speziell Männer ein Doppelleben inklusive außerehelicher Kinder führten, von denen die Ehefrau über Jahre nichts erfahre. Das Verbrechen flog am 26. April 2008 auf, als eine 19-jährige Tochter aus dem Keller lebensgefährlich erkrankte und von Fritzl in eine Klinik gebracht wurde. Ein Arzt wurde misstrauisch und gab der Polizei den entscheidenden Tipp. Bis heute sitzt Fritzl in der Justizvollzugsanstalt Stein in der Wachau.

Verließ entworfen und gebaut

Zunächst habe Fritzl auf dem Heimweg von seinem Job voyeuristisch in Schlafzimmer gespäht, berichtete Kastner. Später sei er Frauen in Parks gefolgt und habe sich dabei heimlich befriedigt. Schließlich sei er bei einer allein schlafenden Frau über das offene Schlafzimmerfenster eingestiegen und habe sie vergewaltigt. Dafür wurde er verurteilt. Nach Absitzen der Haft hatte sich Fritzl nach Einschätzung Kastners dafür entschieden, seinen Trieb durch eine strategisch geschicktere Vorgehensweise zu befriedigen: Der handwerklich begabte Elektrotechniker baute den Keller zu einem 60 Quadratmeter großen Gefängnis um.

Insgesamt acht zum Teil 500 Kilogramm schwere Türen mit Fernbedienung sicherten den Bereich. "Er wollte Macht über eine Frau und ihre allzeitige Verfügbarkeit", sagte Kastner. Insofern sei sein Fall vergleichbar mit den Fällen des Belgiers Marc Dutroux oder des Österreichers Wolfgang Priklopil, der Natascha Kampusch acht Jahre lang gefangengehalten hatte.

Im Prozess im Jahr 2009, der von 200 Reportern aus aller Welt verfolgt wurde, lautete die Anklage auf Mord durch Unterlassen, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, schwere Nötigung, Sklaverei und Blutschande. Das Urteil war wenig überraschend: lebenslange Haft. Eine große Unbekannte im Leben des Sexualstraftäters seien seine häufigen beruflichen Auslandsaufenthalte, sagte Kastner weiter. Fritzl sei unter anderem in Afrika gewesen. "Es liegt durchaus nahe, anzunehmen, dass er zumindest versuchte, seine speziellen Bedürfnisse zu befriedigen, und nicht der treue Ehemann war", so die Gutachterin. Auch als Expertin, die sich intensiv mit Straftätern auseinandersetzen müsse, sei es ihr bei Bekanntwerden des Falles im April 2008 nicht anders gegangen als den meisten Menschen. "Das kann doch nicht sein. So etwas ist denkunmöglich."

Quelle: ntv.de, Matthias Röder, dpa

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