Fall Rebecca im "ntv Frühstart" "Kein Vermisstenfall ist wie der andere"
18.02.2020, 09:22 UhrVor einem Jahr verschwand die Berliner Schülerin Rebecca. Eine großangelegte Suchaktion der Polizei blieb erfolglos. Hätten die Beamten früher reagieren müssen? Lars Bruhns, Vorsitzender des Vereins "Vermisste Kinder", erklärt im "ntv Frühstart", warum in solchen Fällen jede Minute zähle.
Vor dem Hintergrund des Vermisstenfalls der damals 15-jährigen Rebecca plädiert Lars Bruhns, Vorsitzender der Initiative "Vermisste Kinder", für die bundesweite Einführung eines Alarmierungssystems, das sich ausschließlich mit vermissten Kindern befasst. "In all den kritischen Vermisstenfällen, bei denen womöglich eine schwere Straftat oder sogar ein Tötungsdelikt vorliegt, vergeht zu viel Zeit, bis die Öffentlichkeit gesucht wird", sagte Bruhns im "ntv Frühstart".
Auch im Fall Rebecca hätte er sich ein deutlich schnelleres Eingreifen der Polizei gewünscht, das auch etwaige Zeugen schneller einbindet. Die Öffentlichkeitsfahndung stünde bislang am Ende aller polizeilichen Maßnahmen. "Da hätten wir gerne Veränderung", sagte Bruhns. Im Zuge der Digitalisierung böten sich viele Dinge an, "wie man noch schneller die Öffentlichkeit um Hinweise bitten könnte". Denn letztlich führe meist der einzelne Zeugenhinweis zur Aufklärung eines solchen Falls.
In Amerika nutze man bereits Wege, die auch für Unwetterwarnungen genutzt werden. "Das könnten wir uns auch hier vorstellen." Hierzulande gibt es die beiden Warn-Apps Nina und Katwarn, die die Bevölkerung über Gefahrenlagen informieren. "Hessen hat dort vor zwei Jahren als erstes Bundesland über die Polizei auch akute Vermisstenfälle mitaufgenommen", sagte Bruhns.
"Der Weg bis zur Hinweisaufgabe ist zu lang"
In jedem Fall sollten die Eltern möglichst schnell die Polizei informieren und nicht erst selbst suchen, empfiehlt der Vereins-Chef. "Im Nachgang kann man nie wieder diese Zeit aufholen, die vergangen ist." Die Erfahrung hätte gezeigt, dass in allen Fällen, die eine größere Dimension hatten, der Weg bis zur Hinweisaufgabe zu lang gewesen wäre. "Das kann katastrophale Folgen haben."
In Deutschland verschwinden rund 60.000 Kinder pro Jahr. Der Großteil seien allerdings Jugendliche und Kinder, die freiwillig von zu Hause weggehen, sagte Bruhns. Dennoch warnte er davor, den Begriff des "Ausreißers" voreilig zu verwenden. "Das ist nicht sonderlich hilfreich, weil man schon im Vorhinein festlegt, was mit dem Kind passiert ist und davon ausgeht, dass es wohlbehalten wiederkommt." Es gebe allerdings einige Fälle, in denen sich herausstellte, dass Kinder, die von zu Hause weggelaufenen sind, auch Opfer von Straftaten wurden. "Kein Vermisstenfall ist wie der andere."
Die Familie von Rebecca kennt Bruhns gut. Am Anfang habe er sie mehrmals besucht. Er wünscht ihnen, dass sich "die Beziehung zur Polizei, die oftmals als nicht besonders stabil gekennzeichnet wurde, wieder verbessert". Das sei ein wichtiger Punkt, dass die Beziehung zwischen Ermittlern und den betroffenen Angehörigen über viele Jahre halte. Es komme oft vor, dass so ein Fall sehr viel später wieder aufgerollt werde.
Quelle: ntv.de, hny