Nach Debatte um Judenstern Kolumnist Martenstein verlässt "Tagesspiegel"
20.02.2022, 14:30 Uhr
Bleibt bei seiner Meinung: Harald Martenstein.
(Foto: picture alliance / Frank May)
In seiner Kolumne für den "Tagesspiegel" bezeichnet Harald Martenstein die Träger von Judensternen auf Corona-Demos als "nicht antisemitisch". Nach Kritik zieht die Chefredaktion den Beitrag zurück. Aus diesem Grund erklärt der Journalist nun seinen Abgang.
Der langjährige Kolumnist des "Tagesspiegels", Harald Martenstein, verlässt nach dem Streit um einen seiner Beiträge die Zeitung. In einer letzten Kolumne auf Seite 1 der "Tagesspiegel"-Sonntagsausgabe gibt Martenstein seinen Abschied bekannt und legt die Beweggründe dafür nahe.
"Es ist kein Geheimnis, dass die Chefredaktion des Tagesspiegels sich in aller Form von einem meiner Texte distanziert und ihn gelöscht hat", schreibt Martenstein darin. Er sei in diese Entscheidung nicht eingebunden gewesen. "So etwas bedeutet in der Regel, dass man sich trennt."
Vorangegangen war eine heftige Debatte um eine Kolumne des Autors vom 6. Februar. Darin äußerte der Journalist sich zu Teilnehmern von Corona-Protesten, die einen Judenstern mit der Aufschrift "ungeimpft" tragen. Martenstein bezeichnet dies zwar als verharmlosend und "für die Überlebenden schwer auszuhalten". Zugleich seien die Träger "sicher nicht antisemitisch", schließlich würden sie sich mit den in der NS-Zeit verfolgten Juden identifizieren.
In einer darauffolgenden Erklärung distanzierte sich der "Tagesspiegel" und gab bekannt, den Beitrag zurückzuziehen. Es sei innerhalb der Redaktion und von Leserinnen und Lesern zu heftiger Kritik bekommen. Die Chefredaktion habe sich infolgedessen intensiv mit dem Beitrag auseinandergesetzt. Nach verschiedenen Gesprächen, etwa mit Wissenschaftlern, sei man zu dem Schluss gekommen, "dass wir diese Kolumne so nicht hätten veröffentlichen sollen". Zwar bilde der Tagesspiegel "ein breites Meinungsspektrum ab", jedoch sei nicht alles, was rechtlich erlaubt ist, dem Ton der Zeitung auch angemessen.
In seinem Abschiedstext ging Martenstein auf die Kritik ein und entgegnete: "Wie immer habe ich geschrieben, was ich denke". Er bleibe bei seiner Meinung. In Bezug auf den "Tagesspiegel" schreibt er abschließend: "Wo man glaubt, nur man selbst sei im Besitz der Wahrheit, bin ich fehl am Platz". Martenstein arbeitete mit kurzer Unterbrechung seit 1988 bei dem Berliner Blatt. Er schreibt außerdem eine Kolumne für das "Zeit Magazin".
Quelle: ntv.de, mdi