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10.000 Vermisste Libyen meldet 5200 Tote - Massengräber in Derna

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Auch zwei Tage nach dem verheerenden Sturmtief "Daniel" haben die Behörden noch keinen Überblick über das Ausmaß der Katastrophe. Beinahe stündlich steigt die Zahl der Toten. Die überschwemmte Fläche hat Angaben zufolge die Größe von Sachsen-Anhalt.

Nach dem verheerenden Unwetter in Libyen wird das Ausmaß der Zerstörung langsam sichtbar. Nach Worten eines Sprechers des Innenministeriums einer der beiden rivalisierenden Regierungen in dem Bürgerkriegsland wurden bei den Überschwemmungen rund 5200 Menschen in den Tod gerissen. Unabhängig lassen sich die Zahlen zunächst nicht bestätigen. Während Retter und Angehörige nach Überlebenden suchen, gelten nach Angaben des Roten Kreuzes inzwischen rund 10.000 Menschen als vermisst.

Der Sturm "Daniel", der schon in Griechenland schwere Zerstörungen hinterlassen hatte, erfasste das nordafrikanische Land mit rund sieben Millionen Einwohnern am Sonntag. Besonders schwer betroffen ist die Hafenstadt Derna. Videos und Fotos in sozialen Medien zeigten ein katastrophales Ausmaß der Zerstörung der Küstenstadt: zerstörte Häuser und Autos in von Schlammmassen überschwemmten Straßen.

Laut Augenzeugenberichten ließen die starken Winde Strommasten umstürzen. Mitten in der Nacht brach dann mit einem lauten Knall ein Staudamm unweit der Küstenstadt. Schließlich gab auch ein zweiter Damm den Wassermassen nach, die vom Tal Richtung Derna donnerten. Sehenswürdigkeiten, Häuser und Menschen sollen so ins Meer gespült worden sein. Rund ein Viertel der Stadt sei verloren gegangen.

Hunderte Opfer wurden nahe Derna in Massengräbern beerdigt. "Erst wurden diejenigen begraben, deren Identität festgestellt wurde", sagte ein Augenzeuge. "Wegen des Stromausfalls und fehlender Plätze für die Leichen wurden die anderen Toten fotografiert und dann begraben, um sie später identifizieren zu können." Unter den Opfern sollen sich ganze Familien befinden, die zusammen beerdigt wurden.

Fläche von der Größe Sachsen-Anhalts

Osama Ali, ein Sprecher der örtlichen Notdienste, berichtete von den schwierigen Bemühungen der Retter. "Es gibt noch eine Straße, die in die Stadt führt. Aber die Durchfahrt ist schwierig und gefährlich, da ein Teil der Straße zerstört ist und ein weiterer Einsturz aufgrund der riesigen Wassermengen erwartet wird."

Neben Derna sind auch andere Städte wie Al-Baida, Al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. Der Bürgermeister in Schahat sprach von rund 20.000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete - eine Fläche etwa so groß wie Sachsen-Anhalt. Die betroffenen Regionen wurden zu Katastrophengebieten erklärt. Die Regierung in der Hauptstadt Tripolis unter Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba sprach von den schwersten Regenfällen seit mehr als 40 Jahren. Am Montag war eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen worden.

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Die Katastrophe schien das Bürgerkriegsland zunächst zusammenzuschweißen, wie Helfer vor Ort berichteten. Derzeit kämpfen zwei verfeindete Regierungen - eine mit Sitz im Osten, die andere mit Sitz im Westen - um die Macht. Alle diplomatischen Bemühungen, den bis heute andauernden Bürgerkrieg friedlich beizulegen, scheiterten bislang. Der Konflikt wird durch ausländische Staaten zusätzlich befeuert. Die staatliche Ordnung in dem Land ist weitgehend zerfallen und zahlreiche Konfliktparteien ringen um Einfluss, nachdem Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 gewaltsam gestürzt worden war.

Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich angesichts der schweren Überschwemmungen bestürzt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser stellte Unterstützung durch das Technische Hilfswerk (THW) in Aussicht. Unterdessen haben immer mehr Länder ihre Hilfe angeboten. Die Türkei organisierte inzwischen die Entsendung von Rettungskräften. Man habe Flüge mit Bergungstrupps samt Rettungsbooten, Zelten und Versorgungsgütern an Bord organisiert, teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf der Onlineplattform X mit. Auch das Nachbarland Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und die EU sicherten Unterstützung zu.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa

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