"Durch Hass motivierte Tat" Mann tötet mit Pickup vier Muslime
08.06.2021, 01:00 Uhr
Eine Attacke auf eine muslimische Familie erschüttert Kanada: Ein Mann überfährt in der Provinz Ontario mit seinem Pickup-Truck absichtlich Menschen auf einem Bürgersteig - nur ein Kind überlebt den Angriff. Die Polizei geht von einem rassistischen Motiv aus.
Bei einem gezielten Angriff mit einem Auto hat ein Mann in Kanada vier Mitglieder einer muslimischen Familie getötet. Der 20-Jährige habe die Menschen nach ersten Erkenntnissen am Sonntagabend in der Provinz Ontario gezielt überfahren, erklärte die Polizei. Ein neunjähriger Junge überlebte den Angriff schwer verletzt. Das Kind liege mit schweren, aber nicht lebensbedrohlichen Verletzungen im Krankenhaus, wie die Zeitung "Guardian" unter Berufung auf die örtliche Polizei berichtet.
Die Opfer waren am Sonntagabend zu Fuß auf einem Bürgersteig unterwegs, als der Angreifer mit seinem schwarzen Pickup-Truck die Bordsteinschwelle hochfuhr und sie überfuhr. Es gebe "Hinweise, dass dies eine geplante und durch Hass motivierte Tat war", sagte Polizeisprecher Paul Waight. Die Ermittler seien überzeugt, "dass diese Opfer angegriffen wurden, weil sie Muslime waren". Laut des Sprechers wurde der Mann sieben Kilometer vom Tatort entfernt in der Stadt London festgenommen. Gegen ihn wird wegen vierfachen Mordes und Mordversuchs ermittelt. Zudem prüfen Polizei und Staatsanwaltschaft eine mögliche Anklage wegen "Terrorismus".
Dem "Guardian" zufolge soll es sich um einen kanadischen Staatsbürger handeln. Bei der Festnahme auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums soll der 20-Jährige laut dem Bericht eine panzerartige Weste getragen haben. Demnach habe der Mann keine Vorstrafen und die Polizei wisse noch nicht, ob er Mitglied einer rassistischen Gruppierung ist. Bundesbehörden seien hinzugezogen worden, um zu klären, ob es sich womöglich um einen geplanten terroristischen Angriff handelt.
Drei Generationen einer Familie

Polizisten untersuchen den Tatort in der kanadischen Provinz Ontario.
(Foto: picture alliance/dpa/The Canadian Press via AP)
Bei den Opfern handelt es sich laut Stadtverwaltung um zwei Frauen im Alter von 74 und 44 Jahren, einen 46-jährigen Mann und ein 15 Jahre altes Mädchen - drei Generationen einer Familie. Londons Bürgermeister Ed Holder sprach von einem "Akt des Massenmordes", der seine Wurzeln in "unsäglichem Hass" habe.
Kanadas Regierungschef Trudeau sprach den Angehörigen via Twitter sein Mitgefühl aus. Kanada stehe an der Seite der muslimischen Gemeinschaft in London und ganz Kanada, fügte er hinzu. "Islamophobie hat keinen Platz in irgendeiner unserer Gemeinschaften. Dieser Hass ist heimtückisch und verachtenswert - und er muss aufhören."
Der kanadische Rat der Muslime äußerte sich "mehr als entsetzt" über den Angriff. "Das ist eine terroristische Attacke auf kanadischem Boden und muss als solche behandelt werden", sagte Ratspräsident Mustafa Farooq. Ontarios Regierungschef Doug Ford erklärte, für "Hass und Islamophobie" gebe es keinen Platz in dem Bundesstaat. "Diese abscheulichen Gewalttaten müssen aufhören."
Anfang 2017 hatte ein Anschlag auf eine Moschee im kanadischen Québec weltweit für Bestürzung gesorgt. Der damalige Politikstudent Alexandre Bissonnette, der Sympathien für nationalistisches und rassistisches Gedankengut gezeigt haben soll, erschoss sechs Gläubige. Mehr als 30 Menschen wurden verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich. Bissonnette wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Die Tat von London weckt zudem Erinnerungen an die Amokfahrt eines Mannes im April 2018 in Toronto. Dieser hatte einen Lieferwagen mit voller Geschwindigkeit auf einen Gehweg im Zentrum von Kanadas zweitgrößter Stadt gelenkt. Acht Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 22 und 94 Jahren wurden getötet und 16 weitere Menschen verletzt. Der 28-Jährige wurde im März wegen Mordes schuldig gesprochen, das Strafmaß soll Anfang 2022 verkündet werden.
Quelle: ntv.de, mbe/joh/AFP