Nach Aus für Impfpflicht Mediziner besorgt - droht harter Corona-Herbst?
08.04.2022, 09:52 Uhr
Seit Donnerstag ist klar: In Deutschland wird es vorerst keine Corona-Impfpflicht geben. In den Augen mehrerer Experten ist das keine gute Nachricht. Sie fürchten eine weitere Pandemie-Welle in der zweiten Jahreshälfte - und rechnen mit Beschränkungen oder gar Lockdowns.
Nach dem Scheitern einer allgemeinen Corona-Impfpflicht befürchten Mediziner nun wieder eine Zuspitzung der Pandemie im Herbst - bis hin zu neuen Lockdowns. "Fakt ist, dass wir im Herbst wieder mit steigenden Infektionszahlen rechnen müssen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, der "Augsburger Allgemeinen". "Darauf muss sich die Politik bereits heute vorbereiten, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden."
Der Generalsekretär der Deutschen Immunologischen Gesellschaft, Carsten Watzl, erklärte in der Zeitung: "Das Schlimmste, was passieren konnte, war gar keine Einigung." Überlegungen für einen neuen Anlauf für eine Impfpflicht kämen zu spät. "Eine Impfpflicht, die erst im Herbst beschlossen würde, hätte kaum einen akuten Effekt auf die dann anstehende Welle, und man müsste wieder mit anderen Maßnahmen gegensteuern."
Zuvor hatten sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und sein bayerischer Kollege Klaus Holetschek dafür ausgesprochen, einen neuen Anlauf zu nehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz sieht dies offenbar anders. Er finde die Entscheidung des Bundestags "sehr eindeutig", sagte der Kanzler. "Und es wäre nicht sehr demokratisch, so zu tun, als wäre die ein Unfall oder so was."
Der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, konstatierte in der "Augsburger Allgemeinen": "Deutschland wird schlecht aufgestellt sein für den nächsten Herbst." Wenn sich nicht noch viele Menschen impfen ließen, "werden wir im nächsten Herbst und Winter wieder über Lockdown und Kontaktbegrenzungen reden und streiten". Allerdings sind die Impfungen zum Erliegen gekommen. Im Wochendurchschnitt sind es täglich gut 36.000 - zu Beginn der Kampagne waren es teils über eine Million gewesen.
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund fordert nach der Ablehnung der Impfpflicht durch den Bundestag mehr Einsatz vom Bund zur Erhöhung der Impfquote. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung jetzt alle Anstrengungen unternimmt, eine echte Medienkampagne zu initiieren und damit gleichzeitig die Impfaufklärung und Beratung verstärkt", sagte die Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Am Donnerstag war im Bundestag ein Gesetzentwurf für eine Impfpflicht ab 60 gescheitert. Er war vor allem von Abgeordneten der SPD und der Grünen unterstützt worden, darunter Kanzler Scholz und Bundesgesundheitsminister Lauterbach.
Quelle: ntv.de, mbe/dpa/AFP