BKA bemerkt starken AnstiegMenschenhändler nehmen Männer ins Visier

Immer mehr Menschen geraten in Deutschland in die Hände von Menschenhändlern: Während die Zahlen bei der Zwangsprostitution stabil sind, landen immer mehr Männer in ihren Fängen - etwa als billige Bauarbeiter.
Menschenhandel ist ein wachsendes Problem in Deutschland. Zu der Einschätzung kommt das Bundeskriminalamt (BKA) in einem neuen Bericht. Demnach wurden im vergangenen Jahr 671 Menschen in Deutschland sexuell ausgebeutet, zur Arbeit oder auch zum Betteln gezwungen. Das entspricht einer Zunahme von 25 Prozent gegenüber 2016. Der Anstieg geht vor allem auf die wachsende Arbeitsausbeutung zurück, von der in erster Linie Männer betroffen sind. Von den 671 Menschen, die 2017 Opfer von Menschenhändlern wurden, waren 171 minderjährig, wie die Polizeibehörde weiter mitteilte.
Ermittlungen im Bereich Menschenhandel sind schwierig. Oft fürchten sich Opfer vor den Tätern, schämen sich oder sind schwer traumatisiert. Im vergangenen Jahr ermittelte die Polizei in 340 Fällen gegen mutmaßliche Menschenhändler, etwas weniger als 2016. Damals lag die Zahl bei 375 Fällen. Menschen werden vor allem ausgebeutet, wenn es um ihre Sexualität geht. So wurden nach Angaben der Polizeibehörde allein 489 Opfer im vergangenen Jahr sexuell ausgebeutet.
Zahl bei Prostitution stabil
Auch wenn sich diese Zahl mit Blick auf 2016 kaum unterscheidet - damals lag die Zahl bei 488 - sexuelle Ausbeutung bleibt die häufigste Form von Menschenhandel. Opfer sexueller Ausbeutung - fast immer Frauen - fielen oft auf die "Loverboy-Methode" herein, hieß es vom BKA. Ihnen werde eine Liebesbeziehung vorgespielt, um sie emotional abhängig zu machen. Dann werden sie zur Prostitution gezwungen. "Drohungen wie auch die Anwendung physischer und psychischer Gewalt sorgen dafür, dass die Menschenhändler die Kontrolle über die Frauen behalten", heißt es in dem BKA-Bericht.
Das Durchschnittsalter der Frauen liegt bei 23 Jahren, fast die Hälfte kommt aus Bulgarien und Rumänien. Die drittgrößte Opfergruppe sind allerdings Frauen und Mädchen aus Deutschland (19,2 Prozent). Dem BKA zufolge dürften die einheimischen Opfer eine geringere Hemmschwelle haben, die Taten anzuzeigen. Die Täter nutzten Schwächen der Frauen gezielt aus. Ein Beispiel hierfür sei die Beeinflussung von Frauen aus Nigeria. Sie würden mithilfe von Voodoo-Schwüren zu absolutem Gehorsam verpflichtet und in Deutschland zur Prostitution gezwungen. Da der Glaube an diesen "Zauber" bei den Frauen kulturell sehr tief verwurzelt sei, gelinge die sexuelle Ausbeutung der Opfer in vielen Fällen.
Rasanter Anstieg bei Arbeitsausbeutung
Neben der sexuellen Ausbeutung ist auch die Arbeitsausbeutung mittlerweile auf einem relativ hohen Niveau. In diesem Bereich sei ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen, heißt es im Lagebericht weiter: "180 Menschen wurden 2017 Opfer dieser Form des Menschenhandels, 2016 registrierte die deutsche Polizei 48 Opfer."
Erstmals wurden für das Bundeslagebild 2017 des BKA Verfahren zur "Ausbeutung bei der Ausübung der Bettelei" registriert. Zwar ist das organisierte Betteln in Deutschland nach wie vor nicht strafbar. Von der Arbeitsausbeutung sind vor allem Männer betroffen (85,6 Prozent). Die Arbeiter werden beispielsweise auf Baustellen vermittelt. Aber die Ausbeutung bettelnder Menschen ist seit 2016 ein eigener Straftatbestand. Im vergangenen Jahr ermittelte die Polizei zunächst in zwei Fällen. Auch die "Ausbeutung bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen" - etwa, wenn ein Mensch gezwungen wird, eine Straftat zu begehen - sowie "Menschenhandel zum Zweck der rechtswidrigen Organentnahme" sind seit 2017 erstmals strafbar. Hier gab es im Jahr nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung noch keine polizeilich registrierten Ermittlungsfälle.