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Betroffene reagieren enttäuscht Missbrauch in Bistum - Marx will Erzbischof bleiben

"Ich klebe nicht an meinem Amt", sagte Marx auf einer Pressekonferenz.

"Ich klebe nicht an meinem Amt", sagte Marx auf einer Pressekonferenz.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Pool)

Trotz eines Gutachtens zu sexuellem Missbrauch in seinem Bistum wird Reinhard Marx dem Papst nicht seinen Rücktritt als Erzbischof anbieten. Doch der Skandal hat personelle Konsequenzen. Trotzdem hagelt es nach Marx' Pressekonferenz Kritik für den Kardinal.

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, wird nach dem Gutachten zum sexuellen Missbrauch in seinem Bistum nicht ein weiteres Mal Papst Franziskus seinen Rücktritt anbieten. "Ich bin bereit, auch weiterhin meinen Dienst zu tun, wenn das hilfreich ist", sagte er.

Marx schloss aber für die Zukunft ein neues Angebot des Amtsverzichts an den Papst nicht aus. "Ich klebe nicht an meinem Amt." Falls er selbst oder andere den Eindruck gewinnen sollten, er wäre für die weitere Aufarbeitung eher Hindernis als Hilfe, werde er sich kritisch hinterfragen. Allerdings wolle er das dann mit anderen besprechen - "in einer synodalen Kirche will ich das nicht mehr mit mir allein ausmachen". Papst Franziskus hatte im vergangenen Jahr das Rücktrittsangebot von Marx abgelehnt und diesen mit der weiteren Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs betraut.

Das vom Erzbistum München und Freising selbst in Auftrag gegebene Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) war zu dem Ergebnis gekommen, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt worden waren. Es wirft auch den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, dem heute emeritierten Papst Benedikt XVI., konkret und persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vor. Insgesamt sprechen die Gutachter von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern, sie gehen aber von einem deutlich größeren Dunkelfeld aus.

Das Gutachten hat laut Marx auch eine personelle Konsequenz. Prälat Lorenz Wolf, der durch das Gutachten belastet wurde, habe ihm mitgeteilt, dass er "alle seine Ämter und Aufgaben ruhen lassen will - damit bin ich einverstanden", sagte der Kardinal. Damit zieht sich der Geistliche auch aus dem Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks zurück, dessen Vorsitzender Wolf zuletzt war. Es hatte wegen des Gutachtens bereits Rücktrittsforderungen an Wolf gegeben.

In den Augen des Erzbischofs muss das Gutachten in den Reformprozess der katholischen Kirche einbezogen werden. "Für mich ist die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs Teil einer umfassenden Erneuerung und Reform, wie das der Synodale Weg aufgegriffen hat", sagte der Kardinal. "Es gibt keine Zukunft des Christentums in unserem Land ohne eine erneuerte Kirche."

"Keine faire, angemessene Entschädigung"

Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche reagierten enttäuscht darauf, dass Marx dem Papst nicht erneut seinen Amtsverzicht anbieten will. "Das war für Betroffene schwer erträglich", sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch, im Bayerischen Rundfunk.

"Vor einer Woche ist das Schiff auf Grund gelaufen - heute erklärt uns der Kapitän, dass er unbedingt an Deck bleiben muss", sagte Katsch. Marx sei offensichtlich der Meinung, ohne die Bischöfe und ohne ihn gehe es nicht. "Ich bin wirklich mit meinem Latein am Ende."

Der Sprecher des Eckigen Tischs forderte "endlich" eine Hinwendung zu den Missbrauchsopfern. Es gebe bis heute keine unabhängige Anlaufstelle für Missbrauchsopfer, weiterhin müssten Ehrenamtliche wie die Freiwilligen des Eckigen Tischs diese Arbeit machen. "Es gibt immer noch kein Opfergenesungswerk, es gibt immer noch keine faire, angemessene Entschädigung", kritisierte Katsch. Es falle ihm schwer, "auf dieses selbstzentrierte Gerede von Kardinal Marx wirklich zu antworten".

Auch der Kirchenrechtler Thomas Schüller kritisierte Marx' Reaktion. "Niemand übernimmt persönliche Verantwortung", sagte Schüller. "Das Erzbistum München-Freising geht in den normalen Verarbeitungsmodus über und macht auf business as usual." Verantwortung werde vergemeinschaftet und die Betroffenen und Gläubigen würden in Mithaftung genommen. Das Ganze werde "garniert mit Lyrik des Synodalen Weges", des derzeitigen Reformprozesses in der katholischen Kirche. "Mit einem Wort: enttäuschend", sagte Schüller.

Marx reagiert ausweichend auf Fragen zu Benedikt

Derweil will Kardinal Marx die Falschaussage des früheren Papstes Benedikt XVI. zu seinem Umgang mit einem Missbrauchspriester nicht kommentieren. "Ich akzeptiere, dass er hier die Fakten anders interpretiert, dass er bedauert, und ich denke, er wird sich dazu dann im Ganzen noch einmal äußern. Das wäre auch gut, das würde ich begrüßen", sagte Marx. Auf weitere Fragen zu Benedikt antwortete er ausweichend und verwies darauf, dass er das vor einer Woche vorgestellte Gutachten zum Umgang von Münchner Bistumsverantwortlichen mit Missbrauchsvorwürfen noch nicht durchgearbeitet habe.

Benedikt hatte sich am Montag in einem wesentlichen Punkt korrigiert. Anders als in seiner 82-seitigen Stellungnahme zu dem Münchner Gutachten angegeben, habe er doch an einer wichtigen Sitzung teilgenommen, teilte er mit. In der Sitzung ging es unter anderem um einen Missbrauchspriester. Die falsche Aussage war nach Angaben von Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein auf ein technisches Versehen zurückzuführen. Die Selbstkorrektur hatte international Aufsehen erregt.

Quelle: ntv.de, mbe/AFP/dpa

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